So wird das nichts mehr mit dieser SPD, die, und der Autor bittet viele Genossen um Verzeihung, für seine harte Wortwahl, die einfach nur noch verkommen zu sein scheint. Ohne Gespür für das, was echte Genossen und Sympathisanten an der Basis umtreibt – jedenfalls keine Personaldebatten, und Kandidaten, die auf „Teufel komm raus“, andere ausstechen wollen, wobei sie selbst jahrelang Zeit gehabt hätten, für eine Systemkorrektur einzutreten. Nein, stattdessen hat man sich weggeduckt und alles mitgetragen, was der vorherige Baden-Württembergische Landesvorsitzende und Vize-Ministerpräsident Kretschmanns, Nils Schmid (nun als MdB und im Auswärtigen-Ausschuss daheim), so entschieden gegen die Wand gefahren hat.
In persona: Lars Castellucci, der 44-jährige Jurist aus Heidelberg.
Zur Vita eines jeden SPD-Genossen in gehobener Position gehört, dass auch sein Zivildienst erwähnt wird. Castellucci verrichtete diesen nach seinem Abitur in Walldorf im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden. Neuere Geschichte und Öffentliches Recht studierte Lars Castellucci, Sohn eines italienischen Einwanderers, in Mannheim, Heidelberg und San Francisco. Momentan ist Castellucci Dozent für Nachhaltiges Management, insbesondere Integrations- und Diversity Management an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim.
Castellucci, der seit nunmehr 13 Jahren auch im Vorstand der Landes-SPD Baden-Württembergs sitzt, war demnach auch mitverantwortlich für das größte Desaster, die eine SPD jemals im Lande der Schwaben und Badener einfuhr und ergo auch den Regierungspartner mit den Grünen verlor. Unter 13 Prozent? Winfried Kretschmann wollte und konnte mit so einem schwachen Partner nichts mehr anfangen. Vor allem aber in und um Stuttgart waren sich konservative Christdemokraten und die Realo-Grünen immer sehr nah.
Es war umso wichtiger, dass mit Leni Breymaier eine Vorsitzende gefunden und gewählt wurde, die die SPD, wenn auch in kleinen Schritten (und selbst wenn sie pro-Groko einstand und dann „umgekippt“ ist), verändern und aufpäppeln musste. Zu groß ist der Scherbenhaufen bis heute (!), den Leni Breymaier dabei war aus dem Weg zu räumen, mit zahlreichen Gesprächen mit Personen und Institutionen – Multiplikatoren.
Leni Breymaier, eine streitbare Person, die einfach so redet, wie ihr der Schnabel, (auf schwäbisch: „die Gosch“) gewachsen ist, kam bei den Bürgern und Genossen und bei vielen Frauen gut an. Die Einzelhandelskauffrau hatte sie gegen die Gewerkschaftssekretärin eingetauscht – nun ja, es kann nicht schaden, ein wenig Ahnung von Arbeitnehmerrechten zu haben in Zeiten, in denen viele Verträge immer noch prekär gestaltet und über Leiharbeitsfirmen abgewickelt werden.
Man blicke nur nach Berlin, wie schnell die SPD um Nahles (Leni Breymaier sitzt auch im Bundesvorstand) plötzlich HARTZ-IV abschaffen möchte. Die Angst der Abwahl hat sich in Seelen und Gemüter gefressen.
Von Beginn an war Leni Breymaier den Netzwerkern, denen Castellucci angehört, ein Dorn im Auge. Fast alle Vorhaben Breymaiers wurden torpediert, ihre Generalsekretärin Luisa Boos galt vielen für zu linkslastig.
Netzwerker können eines sehr gut, wie der Name schon sagt, „netzwerken“, also Strippen ziehen, ohne jemals selbst Großes für die Partei geleistet zu haben – man kann auch sagen, Netzwerker sind „Parteisoldaten“ und Macht-Technokraten. Umso erstaunlicher, dass Castellucci, der die Mitgliederbefragung und Abstimmung vorgestern knapp gegen Breymaier verloren hatte, zwar nur wegen 39 Stimmen, aber verloren ist verloren, dennoch am Landesparteitag am Samstag antreten möchte, denn, so Lars Catellucci: „Deshalb stehe ich für keine Klüngeleien oder Absprachen im Hinterzimmer für vermeintliche Konsenskandidaten zur Verfügung. Das Wort hat jetzt der Landesparteitag.“
Er wirkt fast diabolisch, wie er das sagte, und welche Mimik und Gestik der Genosse dabei aufführte. Der Autor hat schon zu viel erlebt und ist beruflich weltweit tätig gewesen, doch andere Genossen schaudert es heftig bei der Vorstellung, dass da einer Leni Breymaier beerben möchte (die sogar vor Ende der Auszählung ihren Rücktritt bekannt gab; das Ergebnis, das sich abzeichnete, war ihr zu knapp), der absolut der alten Garde um Nils Schmid angehört – verantwortlich für den größten Stimmenschwund und für das miserabelste Ergebnis der SPD in „BaWü“.
Ohne Skrupel und vielleicht im Wissen, dass ihn ein eng gesponnenes „Netzwerk“ stützt, will Castellucci es also wissen. Die Genossen und viele Stuttgarter sowie Leute im Umland verstehen es nicht, wie sich der Heidelberger jetzt in Szene setzt und, ja dass er überhaupt Leni Breymaier herausforderte.
Themen und enggesteckte Punkte blieb Lars Castellucci stets schuldig, der Professor kam mit Allgemeinplätzen daher:
Castellucci und andere (darunter auch SPD-Bürgermeister kleinerer Städte) verstanden sich vielmehr als Opponenten gegen Leni Breymaier und deren Team innerhalb der Partei. Castellucci verlor jetzt gegen Breymaier, aber sieht die Niederlage „fast als Patt“. Sein Verständnis von Demokratie. Sportskameraden lernen eigentlich früh, „Mit Anstand gewinnen“ und mit Anstand verlieren.
Was bleibt? Castellucci wird als derjenige angesehen, der den Keil hineingetrieben hat, und so mancher wird sich gern, bei aller Kritik an Leni Breymaier erinnern. Unprätentiös trat sie also mit dieser persönlichen Erklärung an alle Mitglieder via Email zurück: „Ich habe Lars Castellucci deshalb vorgeschlagen, dass wir gemeinsam dem Parteitag einen dritten Kandidaten oder eine dritte Kandidatin vorschlagen“, und zwar eine Persönlichkeit, die die Partei einen und zusammenführen kann. Breymaier sei überzeugt, dass dies nicht Tage der Egoismen sein dürfen, „sondern der gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft der Partei.“
Der Professor aus Mannheim sieht das wohl komplett anders …
Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist. Seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig.