Einmal wurde der Meister zum König gerufen. Der Meister schien verwechselt zu haben, mit wem er da sprach, denn er sagte: »Es ist mir eine Ehre, einen so angesehenen Kaufmann zu treffen!«
Die Beamten des Königs zischten und wollten den Meister schnell korrigieren, vielleicht sogar für seine Unhöflichkeit bestrafen.
Der König aber war nicht so lange König geblieben, weil er dumm gewesen wäre, und selbstverständlich war dem Meister sein Ruf vorausgeeilt, sonst wäre er ja nicht an den Hof berufen worden.
Der König fragte: »Du sagst, dass ich ein Kaufmann bin – was macht mich denn zum Kaufmann?«
Der Meister fragte den König: »Nehmt ihr das Geld der Menschen?«
»Ja«, antwortete der König, »doch man nennt es Steuern.«
Der Meister fragte: »Bietet ihr den Menschen nicht Straßen und Ordnung, Schutz vor Feinden und Schutz vor Unrecht?«
»Selbstverständlich biete ich Schutz«, sagte der König stolz.
Der Meister fragte weiter: »Und was würden die Menschen tun, wenn ihr zwar Geld nähmet, aber die Straßen verkommen ließet und die Bürger nicht mehr vor Feinden und Unrecht schützen würdet?«
Der König dachte nach und antwortete nicht gleich auf die Frage. Er entließ den Meister mit einem großzügigen Geschenk, und er sagte dazu: »Ein ehrbarer Kaufmann liefert, wofür er Geld fordert, und er zahlt auch stets seine Rechnungen.«
Ein Schüler, der vom Auftritt des Meisters beim König gehört hatte, bat um eine Erklärung.
Der Meister sagte: »Was ist denn der Unterschied zwischen einem Kaufmann und einem König? Der Kaufmann muss die Menschen verführen und überzeugen, ihm Geld zu geben. Der König kann und muss es geradeheraus befehlen. Doch beide, König wie Kaufmann, müssen sich vor dem, der ihnen das Geld gab, dafür rechtfertigen, was sie dafür leisteten, was jene dafür bekamen. Beide, Kaufmann wie König, haben Macht, und diese Macht müssen sie täglich sichern und ausbauen, um sie nicht zu verlieren. Was geschieht denn mit einem König, der seine Macht nicht festigen kann, dem die Beherrschten den Gehorsam aufkündigen?«
Der Schüler zögerte, darüber zu sprechen.
Der Meister nickte, womit er dem Zögern zustimmte, und dann erklärte er: »Ein Kaufmann, den seine Kunden nicht mehr unterstützen und ihn also nicht mehr bezahlen, dem dann die Angestellten davonlaufen, weil er ihren Lohn nicht mehr zahlen kann, so ein Kaufmann kann, wenn er sich nicht allzu sehr verschuldet hat, noch immer davonkommen und selbst als Arbeiter zu Lohn und neuem Ansehen kommen. Ein König aber, dem die Untertanen den Gehorsam aufkündigen, ist der noch ein König zu nennen? Ein kluger Kaufmann ist freier als ein König.«
Geld und Verstand
Es gibt Spaß-Fahrräder, die biegen nach links ab, wenn man nach rechts lenkt – eine spezielle Zahnrad-Konstruktion im Lenker macht es möglich. Ein Motivations-Trainer ist dafür bekannt, einem Zuschauer aus dem Publikum auf der Stelle 100 Dollar zu zahlen, wenn der Zuschauer mit dem Trick-Fahrrad einmal über die Bühne fährt, ohne hinzufallen – der Trainer wird den Geldschein einfach nicht los… (auf YouTube gibt es einige Aufnahmen dazu sowie den Bericht eines Menschen, der beschloss, es zu lernen). In der deutschen Politik gibt es einen jungen Herren, der bekannt dafür ist, rechts zu blinken und dann doch irgendwie zufällig abzubiegen, was zusammen jenem Fahrrad nicht ganz unähnlich ist.
Herr Seehofer, ein Mann der starken Töne und sanften Taten, hat angekündigt, 7 Millionen Euro zur Förderung für Moscheegemeinden auszugeben – sogar der Staatsfunk berichtete stolz davon: tagesschau.de, 15.11.2019. Die »Moscheen sollen offener für Nicht-Muslimische werden«, so hören wir (faz.net, 15.11.2019). Man will die Ausbildung von Imamen in Deutschland fördern. Es soll irgendwie zur »Integration« beitragen, und »Integration« ist einer jener »Totschlag-Begriffe«, mit dem heute Geld und Verstand locker gemacht werden.
Wie auch andere Projekte der Regierung Merkel weist diese Idee eine Reihe logischer und inhaltlicher Probleme auf – ja, ich will gern der »Miesmacher« sein, der auf den Eisberg hinweist, auch wenn die Kapitänsbrücke die Gefahr nicht wahrhaben will – was sonst soll ich tun?
Nicht unmittelbar
Der Staat darf eigentlich nicht religiöse Arbeit finanzieren, also wird man hier »andere Projekte« finanzieren (siehe etwa stuttgarter-zeitung.de, 15.11.2019) – oder, anders formuliert: Man will Moscheegemeinden fördern, ohne die Religion zu fördern – häh? Nun, wir leben in Zeiten des »heiligen Widerspruchs« (siehe »Talking Points«) und wir holzen ja auch Bäume ab (1, 2, 3) und töten Tiere (1, 2, 3), um die Umwelt zu schützen, warum sollten wir nicht auch die Projekte von Moscheegemeinden fördern, um, ääh… womit wir beim nächsten inhaltlichen Problem wären.
Im Bullshit-Bingo politischer Korrektheit sind Ausdrücke wie »Integration«, »Toleranz« oder »Zivilgesellschaft« sichere Treffer in jeder politisch korrekten Spielrunde. Wenn ein politisches Hülsenwort wie »Integration« verwendet wird, sollte der mündige Bürger aufhorchen. Die erste Frage muss nicht unbedingt sein, was konkret gemeint ist, sondern ob überhaupt etwas kohärent gemeint sein kann.
Man will mehr »Integration«, sagt man, indem man die »Projekte« religiöser Vereine fördert. Was bedeutet das? Wie ernst ist das Anliegen, zu beeinflussen, was in den Moscheen gelehrt wird – sprich einen »neuen« Islam zu erfinden? (Vergleiche auch »Wenn Politiker sich aufmachen, Religionen zu reformieren«.) Man fördert eine Religion, welche die Welt in »Gläubige« und »Ungläubige« teilt – und das soll gut für die Integration sein? Hofft man gar, ein zentrales Element dieser Religion ganz zu streichen? Der Sinn erschließt sich mir nicht unmittelbar. (Heute wird ja selbst der Bau eines Segregations-Schwimmbades nur für Muslime als »Integration« verkauft, siehe faz.net, 15.11.2017, hinter Paywall.)
Selbst wenn es gelingen könnte, bliebe die Frage: Ist es die Aufgabe des deutschen Staates, eine Religion »reformieren« zu wollen? Zahlt die sprichwörtliche Krankenschwester wirklich Geld, um »den Islam« zu reformieren – oder irgendeine andere Religion? Werden nach dem Prinzip der Gleichbehandlung auch buddhistische Tempel oder die Projekte von Scientology gefördert?
Aus Perspektive des Islam aber gefragt: Man muss kein Muslim sein, um sehr skeptisch zu werden, wenn sich der Staat anmaßt, einen Glauben umbauen zu wollen, direkt oder indirekt. Wie werden die ausgewählten Gemeinden denn »nach innen hin« die Annahme des Geldes erklären? Werden sie wirklich sagen, dass sie nach Anleitung der »Kuffar« den eigenen Glauben »reparieren« wollen?! War der denn »defekt«?! Oder werden sie eher sagen, dass sie zwar das Geld der Ungläubigen annehmen werden, und dann doch machen werden, was ihnen ihre eigentliche Religion vorschreibt?
Hoffentlich nicht
Die WELT-Politikredakteurin Ricarda Breyton kommentiert Seehofers Anliegen mit einer als Hoffnung verkleideten Befürchtung: »Hoffentlich spielt er nicht den konservativen muslimischen Verbänden in die Hände.« (welt.de, 15.11.2019)
Wir haben in den letzten Jahren gewisse Erfahrungswerte sammeln dürfen, besonders im Hinblick auf die »hoffentlich nicht« eintretenden Folgen gutmenschlicher Ansinnen. Dass es eine gute Idee ist, Geld zu verteilen an Institutionen, welche die Menschen qua Glaubenssätzen in »Gläubige« und »Ungläubige« teilen, deren explizites Ziel die Missionierung sein muss, sprich die Islamisierung ihrer Umgebung, so eine Idee ist fürwahr »gutmenschlich« zu nennen.
»Gutmenschliche« Projekte und Entscheidungen sind Maßnahmen, bei denen der Misserfolg abzusehen ist, die aber dennoch umgesetzt werden, »weil es sich gut anfühlt« und »aus moralischen Gründen«. Frühe Mahner und Kritiker werden ausgegrenzt und diffamiert (»Hetzer«, »Hass ist keine Meinung«, etc.) – und später kann es passieren, dass das absehbare Scheitern eben den frühen Mahnern und Kritikern angelastet wird. Geld an Moscheevereine ist nicht das erste deutsch-gutmenschliche Projekt, und es wird wohl nicht das letzte sein, solange Staatsfunk und Haltungsjournalisten eine ausreichende Zahl von Deutschen überzeugen, gegen ihre eigenen grundlegenden Interessen »Haltung zu zeigen«.
Doch, allein dass eine Idee der Merkel-Regierung »gutmenschlich« ist und damit aller Wahrscheinlichkeit nach das Gegenteil ihres behaupteten Zieles erreicht, das allein ist heute keine bemerkenswerte Meldung mehr – schlussfolgern Sie daraus, was Sie mögen.
Gutmenschliche Projekte sind kontraproduktiv und sie verschwenden das Geld hart arbeitender Bürger, doch dieses konkrete Vorhaben unterscheidet sich etwa von den Vogelhäckslern im Wald dadurch, dass hier moralische und finanzielle Macht umverteilt wird.
Macht ist die Möglichkeit, andere Menschen seinem Willen unterzuordnen und mindestens ihre Handlungen zu bestimmen, oft aber auch ihr Denken und Wollen. In Deutschland sind die größten Machtblöcke verteilt auf einen demokratisch legitimierten Teil, und dazu auf die sogenannte »vierte Macht«, die als eigener Machtblock fungierenden Medien, hier insbesondere der von Zwangsgebühren finanzierte »Öffentlich-rechtliche Rundfunk«.
Weniger greifbar sind Machtblöcke wie Ideen und Ideologien, und ihre Machtfülle wird noch immer sträflich ignoriert, vor allem von Konservativen und Liberalen, trotz aller geschichtlichen Erfahrung. Auf Ideen fußende Religionsgemeinschaften können ihre Macht auf mehrere Arten ausüben, traditionell durch den Einfluss auf Gewissen und Gemüt – und ebenso traditionell mit Geld.
Codierte Arbeitszeit
Früher konnten die Könige und Fürsten ihren Untertanen befehlen, für sie zu arbeiten. Wer aber qualifizierte und zur Sorgfalt motivierte Arbeiter will, der kann nicht einfach befehlen, der muss einen Gegenwert anbieten – sei es Bier wie wohl beim Bau der Pyramiden (und als Bonus bei manch anderem Bau noch viele Jahrtausende später), oder eben Geld. Es existiert manche Deutung dazu, was Geld auf philosophischer Ebene eigentlich darstellt, und meine Deutung lautet: Geld ist codierte Arbeitszeit. Der eigentliche »Wert« von Geld ist die Arbeitszeit, die man dafür erhält.
Wenn Macht darin besteht, die Handlungen und Gedanken anderer Menschen zu bestimmen, dann ist Geld natürlich eine Form von Macht – nicht die einzige, aber sicher eine der robustesten. (Nebenbei: Was wird den Wert von Geld ausmachen, wenn alle Arbeit von Robotern erledigt wird? Ein unwahrscheinliches Szenario, nicht nur weil Roboter noch von Menschen gebaut werden, aber doch bedenkenswert.)
Die Macht, den Bürger zu zwingen, seine Arbeitszeit den Herrschenden zur Verfügung zu stellen, wird heute durch Steuern indirekt realisiert. Der Bürger wird gezwungen, Steuern und Zwangsgebühren zu zahlen, damit der Staat die Straßen und Krankenhäuser bauen kann, damit er sein Heer von Beratern in Ministerien finanzieren kann, in den letzten Jahren zunehmend natürlich, damit er die Bürger anderer Staaten gratis mit Wohnungen und Einkommen versorgen kann – und natürlich zur Finanzierung der Propaganda und der politiknahen Medien, die den Bürger davon abhalten, zu rebellieren und mehr Rechte (im doppelten Sinn, klar) einzufordern.
Wenn einer Religionsgemeinschaft das Geld der »Ungläubigen« gegeben wird, damit sie ihre Projekte umsetzen kann, wenn zugleich Kritik an dieser Religionsgemeinschaft bekämpft und verfolgt wird (oder zumindest die Verfolgung immer im Raum steht), dann lässt sich sagen, dass die Regierung dieser Religion etwas von ihrer Macht abgibt.
Im Text »Erdoğans Kaserne« (zur Einweihung der großen Moschee in Köln) habe ich das Gleichnis vom Kamel und dem Reisenden im Sandsturm nacherzählt. Erst bittet das Kamel nur darum, seine Nase ins Zelt stecken zu dürfen, denn die Augen – und schließlich schläft das Kamel im Zelt und der Reisende draußen.
Deutschland überträgt dem Islam konkrete Macht. Muslimische Profi-Empörte und ihre Vertreter in Parteien und Medien versuchen zu bestimmen, was nicht gesagt werden darf, wenn man seine Existenz nicht vernichtet sehen will. Seehofer spricht von der Ausbildung von Imamen in Deutschland – was ist denn die Aufgabe eines Predigers (prinzipiell zunächst unabhängig von der Religion!), wenn nicht eben jene, Einfluss zu nehmen auf die Denkweisen und Handlungen seiner Gläubigen? Als Staat eine Religion zu fördern, direkt oder über »Projekte« oder »Anti-Hate-Speech«, bedeutet, dieser Religion mehr Macht in die Hand zu geben.
Sehr viel Geld
Im Text »Islamisierung« von Mitte 2018 untersuche ich, ob man sagen kann, dass Deutschland »islamisiert« wird – und dagegen spricht wenig mehr als Sprechverbote, wonach es »böse« und »tabu« sei, das so zu sagen. Das Problem ist: Viele der Menschen, die nach Deutschland migrieren, kommen aus Ländern, die bereits islamisiert sind.
Nehmen wir an, das »Experiment« misslingt und die Geistesgrößen in der Regierung (und die Vereine, die sich darauf verstehen, deren Geld abzugreifen) sind nicht in der Lage, die Weltreligion zu »reformieren« – was ist der »Plan B«?
Anders als Herr Yücel schreibt (taz.de, 4.8.2011), findet sich nicht allemal »etwas besseres als Deutschland«, zumindest nichts mit so offenen Grenzen und suizidaler Toleranz.
Gutmenschliche Politik geht mit Deutschland um, als hätte sie ein zweites Land im Kofferraum – oder in eigener Sache eine »Anschlussverwendung« in der Schublade.
Die Politik nimmt den Bürgern viel Geld weg, doch hält der regierende Kaufmann auch seinen Teil des Geschäfts ein? Nicht nur wie die Regierung Merkel ihre Macht ausübt ist problematisch, auch die zunehmende Menge an abgegebener Macht und Verantwortung ist ein Problem, sei es die Macht, die explizit oder implizit an die EU abgegeben wird oder rechtsstaatliche Aufgaben, die via NetzDG an private Firmen »outgesourct« werden (zeit.de, 30.6.2017: »Mal eben den Rechtsstaat outsourcen«) – dass de facto Macht an den Islam abgegeben wird, etwa durch Förderung von »Projekten«, um nicht explizit eine Religion zu fördern (nennen Juristen etwas ähnliches nicht »Gesetzesumgehung«?), solche aus demokratischer Sicht problematischen Macht-Verluste sind bereits ein Muster dieser Regierung.
»Ein ehrbarer Kaufmann liefert, wofür er Geld fordert«, so sagt der König in unserer heutigen Meister-Geschichte. Die Regierung nimmt uns Macht ab und auch sehr viel Geld – und dann reicht sie das Geld und die Macht an Institutionen weiter, die wir ganz und gar nicht gewählt haben.
Liefert die Politik denn, wofür sie Macht und Geld fordert? Wenn ja, dann ist alles gut. Wenn wir aber zur Erkenntnis kommen, dass die Politik nicht liefert, wofür sie Macht und Geld fordert, dass sie vielleicht sogar stattdessen dem Land, seinen Bürgern und letztendlich der freiheitlichen Gesellschaft nachhaltigen Schaden zufügt, dann müssen wir die Frage stellen: Wie konnte es dazu kommen?
Die heutige Meistergeschichte schließt: »Ein kluger Kaufmann ist freier als ein König«. In dummen Zeiten gilt es, klug zu sein, um sich seine Freiheit zu bewahren, klug wie ein kluger Kaufmann.
Zur Klugheit gehört, seine eigenen Rechnungen zu bezahlen und zu liefern, was versprochen wurde – zur Klugheit und zum blanken Überlebenswillen gehört auch, von anderen zu fordern, dass sie ihre Rechnungen bezahlen, und dass sie liefern, was versprochen und vereinbart wurde.
Wenn ein Geschäftspartner nicht liefert, was er liefern sollte, wechseln wir eben den Geschäftspartner – die Demokratie ist dafür da, dass wir es mit der Regierung ebenso halten!
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.