Tichys Einblick
Soldaten ohne Staatsbürgerschaft

Eine Söldnerarmee für Deutschland

Wegen Nachwuchsproblemen in Deutschland will Verteidigungsminister Pistorius auch Leute ohne deutsche Staatsangehörigkeit in die Bundeswehr aufnehmen. FDP und CDU stimmen zu.

IMAGO / Paul-Philipp Braun

Der Bundeswehr fehlt der Nachwuchs. Schon jetzt sind 20.000 Dienstposten nicht besetzt. Zugleich soll die Ist-Stärke der Bundeswehr von aktuell 181.672 bis zum Jahr 2030 auf 203.000 aufwachsen. Von diesen 181.672 sind übrigens 57.365 Berufssoldaten, 114.243 Zeitsoldaten, 9.748 Freiwillig-Wehrdienstleistende (FWDL) und 316 im Zivilschutz eingesetzte FWDL.

Aufwuchs auf 203.000: Sofern die Zahl der Bewerber nicht noch weiter zurückgeht und nicht noch mehr „Längerdienende“ wegen „Ukraine“ den „Kriegsdienst“ verweigern, bedeutet das, dass sich bis 2030 eine rechnerische Personallücke von rund 40.000 „Mann“ auftut.

Nun schlägt Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor, auch Leute ohne deutsche Staatsangehörigkeit in die Bundeswehr aufzunehmen. Pistorius hatte wegen der Nahwuchsprobleme zuletzt bereits eine modifizierte Wehrpflicht nach schwedischem Vorbild ins Spiel gebracht. Nun also sein nächster Plan: die Öffnung der Bundeswehr für Leute ohne deutschen Pass. Pistorius wörtlich: „Wir wären nicht die ersten Streitkräfte in Europa, die das tun würden.“ Es gebe Menschen im Land, die in zweiter oder dritter Generation in Deutschland leben, aber noch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Für die mögliche Umsetzung einer modifizierten Wehrpflicht hat Pistorius nun einen Zeitplan vorgegeben: Bis April soll sein Ministerium dafür konkrete Vorschläge erarbeiten, um sie danach diskutieren zu können.

Zustimmung bekommt Pistorius von FDP-Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann und von Johann Wadephul (CDU, Oberst der Reserve). Strack-Zimmermann sagte: „Grundsätzlich müssen wir bei der Suche nach geeigneten jungen Menschen, die ihren Dienst in der Bundeswehr zu leisten bereit sind, deutlich europäischer denken“, sagte sie der Rheinischen Post. Dazu gehöre auch die Überlegung, „dass Soldaten und Soldatinnen ohne deutschen Pass diesen durch den erfolgreichen Dienst in der Bundeswehr schneller bekommen können“, sagte Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag ist. „Europäischer denken?“ Und was ist mit den Türken der zweiten und dritten Generation, die Interesse haben? Im Verteidigungsministerium denkt man übrigens bevorzugt an Bürger anderer EU-Länder und anderer Nato-Länder (also auch an die Türkei?)

Der CDU-Verteidigungspolitiker Wadephul drängt Pistorius, schnell zu handeln. Er hält Pistorius‘ Plan für grundsätzlich richtig, doch die Ausgestaltung sei zentral. „Gilt diese Möglichkeit nur für Bürgerinnen und Bürger von EU- oder Nato-Staaten oder auch noch darüber hinaus? Ist die vollständige Kenntnis der deutschen Sprache nötig?“ Viele Fragen, die geklärt werden müssten. „Minister Pistorius selbst hat erklärt, die Bundeswehr müsse in fünf bis acht Jahren kriegstüchtig sein. Das ist in Fragen einer Personalstrategie ein furchtbar kurzer Zeitraum. Er sollte also schleunigst handeln.

Fragen über Fragen

Braucht die deutsche Bundeswehr also Ausländer, um (wieder) einsatzfähig zu werden? Soll sie sich in Teilen zu einer Söldnerarmee entwickeln? Warum ist die Politik nicht mutig genug, eine allgemeine Dienstpflicht einzuführen, um damit den Fehler der Aussetzung der Wehrpflicht von 2011 zu korrigieren?

Wie wird eines Tages die Eides- bzw. Gelöbnisformel in der Bundeswehr aussehen, wenn Soldaten ohne deutschen Pass sich verpflichten? Bislang heißt es im Soldatengesetz: „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.“ Beziehungsweise: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“ Wie glaubwürdig ist es, wenn Nicht-Pass-Deutsche darauf verpflichtet werden? Wenn sich auf diesem Weg gar „Schläfer“ einschleichen?

Davon abgesehen, fragt man sich auch, wie es sein kann, dass Deutschland fast drei Millionen Studenten hat und pro Jahr rund 770.000 Schulabsolventen „produziert“, aber offenbar nicht einmal drei bis vier Prozent von diesen 770.000 zum Dienst in der Bundeswehr bereit sind?

Wollen diese vielen jungen Leute Deutschland aus Naivität, Verwöhnung oder pazifistischer Verblendung nicht dienen, es notfalls nicht verteidigen? Oder wollen sie dieses Deutschland deshalb nicht verteidigen, weil es Schritt für Schritt trans- bzw. deformiert wird?

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