Wie man aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen kann, zeigt nicht nur die SPD im Bund, sondern auch die CSU in Bayern. Über die SPD in Bayern nachzudenken, lohnt sich nicht, denn die sinkt langsam unter die Wahrnehmungsgrenze. Demokratietheoretisch ist es eigentlich zu begrüßen, wenn Parteien, die lange an der Macht waren, zur Erneuerung in die Opposition geschickt werden. Das setzt allerdings ein funktionierendes Parteiensystem voraus, das auf der Unterschiedlichkeit und Unterscheidbarkeit der Parteien beruht. Doch immer häufiger erscheinen SPD und CDU als Fußnoten der Grünen.
In neun Tagen wird in Bayern gewählt und die Zustimmung zur CSU und zum Ministerpräsidenten Markus Söder scheint wie Eis in der Oktobersonne zu schmelzen. Die letzte Umfrage taxiert die CSU bei noch vor wenigen Tagen undenkbaren 33 % der Wähler, die ihre Stimme der CSU geben würden. Sicher, noch nie galt größere Skepsis Umfragen gegenüber als Heute und in Bayern.
Unverkennbar ist in den letzten Monaten die Tendenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der großen Zeitungen, die Grünen hochzuschreiben. Zum einen haben die Mehrzahl der Medienschaffenden die SPD abgeschrieben und die Regierungsbeteiligung der Grünen zu ihrem Projekt erhoben. Sie wollen es dem dummen Volk geradezu bis in die Wahlkabine hineindiktieren, dass sie ihr Kreuz bei den Grünen zu machen haben, wenn sie weiterhin als anständig gelten und zu den Siegern gehören möchten.
Zum anderen besteht ein großes Interesse der rot-grünen Medien, den nur mäßigen Widerstand der CSU gegen die Merkelsche Politik ein für alle mal zu brechen. Dem bayrischen Löwen soll ein Maulkorb verpasst werden.
Der Bundeskanzlerin Angela Merkel käme eine krachende Niederlage der CSU und eine schwarz-grüne Regierung in München ohnehin sehr gelegen und würde ihre Pläne, sich im Dezember als Parteivorsitzende wiederwählen zu lassen, befördern. Sie scheint die erste Parteivorsitzende zu sein, deren Macht das Desaster der eigenen Partei noch verstärkt. Freilich, auch hier geht der Krug nur solange zum Brunnen, bis er bricht. Nach dem erwartbaren Debakel der CSU in neun Tagen werden Merkels Getreue in den Medien unterstützt von den Grünen die Botschaft ins Land tragen, dass man nur verliert, wenn man die an sich vernünftige Politik der großen Bundeskanzlerin kritisiert oder gar gegen sie opponiert.
Dass die in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz wahlkämpfenden Guido Wolf und Julia Klöckner die Wahlen verloren haben, weil sie treu die Merkellinie verteidigt und erst kurz vor Toresschluss in einer Art Panik sich kritischer zur großen Parteichefin positioniert haben, wurde von den meisten politischen Kommentatoren wahrheitswidrig ausgeblendet. Die Wahrheit ist jedoch, dass den kritischen Schwenk in die andere Richtung die Wähler ihnen einfach nicht mehr abgenommen haben, er kam zu spät und zu inkonsequent.
Das Stichwort für Söders Fehler lautet Unstetigkeit. Der Wähler weiß nicht, wofür Markus Söder steht. Da befindet er sich in der Gesellschaft von Guido Wolf und Julia Klöckner. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt konnte entgegen des Bundestrends sich behaupten, weil er von Anfang an seiner Merkel distanzierten Linie treu geblieben war.
Nicht nur mit Blick auf Bayern hätte die CSU die Konfrontation mit der Bundeskanzlerin aushalten müssen, selbst um den Preis, dass die Koalition in Berlin geplatzt wäre. Was die Koalition wirklich wert, wie porös sie ist, hat man Tage später in der Causa Maaßen gesehen. Damit nicht genug, ließ man Seehofer in Berlin im Stich, auch in der Causa Maaßen, wo sich Seehofer eindeutig im Recht befand, verstieg sich sogar noch in einen Wahlkampf gegen die AfD und machte sich so zum Wadenbeißer der Grünen. Mit den Grünen, mit denen man bereits einen Regierungskurs ins Auge fasste, begann die CSU zu kuscheln. Die Botschaft, die Markus Söder damit aussendet, ist verheerend: Hauptsache ich bleibe Ministerpräsident, gern auch in einer Koalition mit den Grünen.
Wenn man soweit geht, geht man bald nicht mehr, sondern wird nur noch gestoßen. Und exakt in diesem Zustand befindet sich die CSU, sie hat sich ohne Not in die Situation begeben, getrieben zu werden.
Markus Söder und die CSU stehen allein. Allein gegen die anderen Parteien, allein gegen die Medien, allein gegen den Trend, den sie sogar noch befeuern, weil sie für den politischen Gegner Wahlkampf machen. Eine Chance, das Blatt zu wenden, haben sie eigentlich nicht mehr, weil sie in der Unzuverlässigkeitsfalle stecken. Sie haben die Wahl an dem Tag verloren, als sie ihren Parteivorsitzenden als Bundesinnenminister im Konflikt mit der Bundeskanzlerin fallen ließen. Vielleicht reicht es noch für eine Koalition mit den Freien Wählen, die von der Skepsis, die CSU-Wähler angesichts der Beliebigkeit, des Unsteten der Partei, profitieren könnten. Vielleicht geht die CSU ein Bündnis mit den Grünen ein, was Söder und Co. über die Runden rettet, aber der CSU mittelfristig extrem schaden würde, der CDU übrigens auch, denn sie nähert sich der Implosion. Vielleicht tritt tatsächlich das Unwahrscheinliche einer Regenbogenkoalition ohne CSU ein, undenkbar ist es nicht mehr. Die CSU wird unter Söders Führung zum tänzelnden Löwen. Jetzt allerdings ist er auf Glatteis geraten.