Wieder einmal fragt man sich, wer hier eigentlich die Demokratie beschädigt. Bei der Bundestagswahl im September 2017 haben 5,9 Millionen Bürger in demokratischer Wahl ihr Kreuzchen bei der AfD gemacht, sie wurde damit zur stärksten Oppositionspartei im Reichstagsgebäude. Laut Geschäftsordnung des Bundestages steht jeder Fraktion ein Vize-Präsidentenposten zu. Seit anderthalb Jahren hat die AfD vergeblich Kandidaten aufgestellt, zunächst Albrecht Glaser, dann Mariana Harder-Kühnel. Jedes Mal scheiterte sie an einer Mauer des Widerstands der anderen Parteien.
Am Donnerstag trat die hessische Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel wieder an, nun zum dritten Mal. Die 44-Jährige, Volljuristin und Mutter von drei Kindern, gehört zum moderaten Teil der Partei und hat schon als Schriftführerin des Bundestages bewiesen, dass sie kompetent und fair agiert. Das sagen sogar AfD-Gegner im Parlament.
Aber die anderen Parteien setzen die Ausgrenzung der AfD im Parlament weiter fort. Harder-Kühnel erhielt nur 199 Ja-Stimmen und 423 Nein-Stimmen, 43 Abgeordnete enthielten sich. Vor allem aus den Reihen von SPD, Linken und Grünen waren am Donnerstag hysterische Warnungen zu hören, eine Vertreterin der „Nazis“ in einen Posten zu heben, der laut Geschäftsordnung der AfD-Fraktion zusteht. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hatte Anfang dieser Woche nach einem Gespräch mit Harder-Kühnel angekündigt, er werde sie wählen. FDP-Fraktionschef Christian Lindner hatte ebenfalls gesagt, er werde für die AfD-Frau stimmen – um der Partei keine Gelegenheit zu bieten, sich als Märtyrer und Opfer zu stilisieren. „Das hält der Deutsche Bundestag aus“, sagte Lindner.
Offenbar nicht. Auch zahlreiche CDU/CSU- und FDP- Abgeordnete beteiligten sich an der fortgesetzten Ausgrenzung der Kandidatin Harder-Kühnel, obwohl ihr persönlich keine politische Verfehlung vorgeworfen wird. Sie gilt als wertkonservativ, sprach sich für eine „Willkommenskultur für Kinder“ aus und gegen eine zu frühe Thematisierung von sexualpolitischen und Gender-Themen in der Schule. Einige SPD- und Grüne-Vertreter hielten ihr daraufhin „Homophobie“ vor. Aber allein dass sie Mitglied der AfD ist, genügt den meisten für die Ablehnung. Der noch jungen Konkurrenzpartei von rechts soll der Schwefelgeruch politischer Teufelei weiter anhaften.
Inzwischen merken selbst Mitte-links-Medien, wie kontraproduktiv die Ausgrenzung und die Verweigerung eines Bundestagsvizepostens ist. Der WDR-Korrespondent Jens Wiening kritisierte schon im November nach der ersten Ablehnung Harder-Kühnels auf „Tagesschau.de“, dies sei „nicht nachvollziehbar und kaum noch zu erklären“. Es zeuge „von wenig Souveränität und belegt auch, dass die Fraktionen in den vergangenen Monaten im Umgang mit der AfD wenig gelernt haben.
Die „Süddeutsche“ schreibt aktuell, dass die AfD zwar ein „perfides Spiel“ mit den Regeln des Parlaments betreibe und sich gerne als Opfer inszeniere. „Aber wer ihr deshalb ihre Rechte verweigert, macht einen Fehler. Die AfD hat laut den Regularien Anspruch darauf, einen Vizepräsidenten im Bundestag zu stellen“, so der SZ-Autor Jens Schneider vor der Abstimmung. „Es gibt keine Rechtfertigung, diese Kandidatin abzulehnen. Sie ist eine Moderate in den Reihen der Rechten. Ihr ist eine angemessene Amtsführung zuzutrauen. Mit ihrer Wahl würde niemand AfD-Inhalte gutheißen. Sie wäre Ausdruck jener Souveränität, die jedes selbstbewusste Parlament haben sollte.“
Ganz offensichtlich ist unser Parlament aber nicht souverän und selbstbewusst, sondern von einer hysterischen Anti-Rechts-Haltung befallen, die auch vor der Verletzung demokratischer Fairness-Gebote nicht Halt macht.
In dieselbe Kategorie fiel jüngst eine Aussage des Spitzenkandidaten der CDU/CSU für die Europawahl, Manfred Weber. Er forderte in einem Interview mit der „Welt“, dass europakritische Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung in der EU ausgeschlossen werden sollten. Letztlich offenbarte er ein demokratiefeindliches, totalitäres Verständnis von Politik: Die demokratischen Regeln eines gleichen und fairen Parteienwettbewerbs sollen für Kritiker der Etablierten nicht gelten.
Die heutige Abstimmung im Bundestag war ein Armutszeugnis. Ein Zeichen, wie unsicher und unsouverän die etablierten Parteien von der Union bis zur Linken bis heute auf das Aufkommen einer rechtsdemokratischen Konkurrenz reagieren. Die erneute Verweigerung des qua Geschäftsordnung auch der AfD zustehenden Postens wird von vielen Wählern als Ausdruck unfairen Verhaltens gewertet. Damit haben sich die tapferen Anti-Rechts-Kämpfer letztlich selbst ins Bein geschossen.