Tichys Einblick
Selenskij lädt Steinmeier aus

Steinmeier in Kiew nicht willkommen – die verdiente Quittung für die verheerende SPD-Russlandpolitik

Der ukrainische Präsident Selenskij empfängt Frank-Walter Steinmeier nicht in Kiew. Ein herber Schlag für den Bundespräsidenten. Aber eine verdiente Quittung für ihn und die Politik seiner Partei. Die SPD hat Deutschland abermals vor den Augen der Welt blamiert. Ein Kommentar.

IMAGO / Christian Spicker

Bundespräsident Steinmeier befindet sich zur Zeit in Polen. Danach wollte er eigentlich in die Ukraine reisen – doch daraus wird nichts. Während morgen zahlreiche Delegationen aus EU-Ländern von Präsident Selenskij empfangen werden, lehnt Kiew den Besuch Steinmeiers aktuell ab. Der Grund: Die jahrelange Russlandnähe des ehemaligen Kanzleramts- und Außenministers. Nicht nur dessen persönliche Nähe zu Putins Außenminister Lawrow – der Bundespräsident war selbst in seinen acht Jahren als Außenminister maßgeblich für eine halbherzige Außenpolitik gegenüber Moskau und Kiew verantwortlich. „Gelernt“ hatte Steinmeier das im Kanzleramt unter Putin-Freund Gerhard Schröder.

Während Steinmeier mit Putins Außenminister Lawrow wortwörtlich kuschelte, bezeichnete er US-Präsident Trump als „Hassprediger“. Weitere Fragen über seine Prioritäten und die seiner Partei muss man nicht stellen. Nordstream 2, die gescheiterten Minsk-Abkommen, die langjährige Blockade von Waffenlieferungen in die Ukraine und die systematische Demontage des westlichen Bündnisses – all das trägt die Handschrift Steinmeiers.

Kein Wunder also, dass Selenskij diese Hand gerade einfach nicht gerne schütteln möchte. Ein totales Ukraine-Verbot hat der Bundespräsident aber nicht – ein Treffen in Zukunft sei nicht ausgeschlossen, heißt es. Steinmeier selbst äußerte sich in Polen sichtlich geknickt – er müsse „zur Kenntnis nehmen“, dass ein „Zeichen“ seinerseits aktuell nicht erwünscht sei.
Bilder der Blamage – nicht nur für ihn, sondern genauso für seine Partei und qua Amt für die Bundesrepublik vor den Augen der Welt. Aber mit Ansage. 

Steinmeier hat bis zuletzt sein Verhalten weiter beschönigt – und Fehler nur millimeterweise eingestanden. Im Interview mit dem Spiegel in der vergangenen Woche beschönigt er sein Verhalten weiter. Er behauptet da etwa: „Ich habe die Politik der Stärkung der Nato mit vorangetrieben und geholfen, sie innenpolitisch mehrheitsfähig zu machen.“ Von welcher deutschen Stärkung der Nato in den letzten Jahren die Rede ist, weiß außer Steinmeier wohl niemand.

Auf die Frage ob er die u.a. vom ukrainischen Botschafter gemachten Vorwürfe gegen seine Russlandpolitik annehme, sagt er gar: „Wir sollten Putin nicht den Gefallen tun, die Verantwortung für seinen Angriffskrieg auf uns zu ziehen.“
Fehler solle man unabhängig davon aufarbeiten, schiebt er gerade noch hinterher.

Die Salamitaktik läuft weiter, als wäre nichts gewesen

Es ist eben das eine, dass die SPD in den letzten Jahren in Kooperation mit Angela Merkel eine konsequent inkonsequente Haltung gegenüber Moskau pflegte. Die SPD hat aber aus all dem nichts gelernt – sie heuchelt jetzt lediglich Phrasen der Solidarität. Die SPD besetzt die höchsten Ämter im Staat – und macht nach dem exakt gleichen Prinzip weiter wie bisher.

Verteidigungsministerin Lambrecht verhindert weiterhin die Lieferung von schweren Waffen, nachdem die Bundesregierung zuvor lange zögerte, überhaupt Waffen zu liefern. Angeblich liefert Deutschland jetzt heimlich – dabei hat die Ukraine um eine solche Geheimniskrämerei gar nicht gebeten. Militärisch scheint es auch wenig problematisch, zumindest die Art der Waffenlieferungen öffentlich zu machen. Die Gründe des Verschweigens dürften woanders liegen.

Nachdem Lambrechts Ministerium sogar die Waffenlieferungen anderer europäischer Staaten aus ehemaligen Bundeswehr-Beständen behinderte, meint sie nun, Deutschland könne gar keine schweren Waffen liefern. Was zunächst wie eine Schwindelei klingt, könnte sogar die traurige Wahrheit sein. Deutschland hat zwar theoretisch an die 400 einsatzfähige Marder-Schützenpanzer – Einsatzfähigkeit ist dabei aber relativ. Denn für eine begrenzte Übung mag die Infrastruktur ausreichen – für die nötigen Ersatzteile und Munition im Kriegsfall, bei Einsatz auf Volllast ist wahrscheinlich kaum gesorgt, vermuten Militärexperten.

Aber wer hat denn dieses Fiasko zu verantworten? Neben der langen Liste der CDU-Verteidigungsminister trifft die Schuld vor allem jene Partei, die über Jahre energisch eine Erhöhung des Wehretats verhinderte – alle Wege nach Moskau führen über das Willy-Brandt-Haus.

Und auch hier will man daran im Kern kaum etwas ändern. Nur gut einen Monat ist es her, da verkündete Olaf Scholz mit großen Worten im Bundestag seine „Zeitenwende“. Die Ansage war klar: Endlich macht Deutschland seine Zusage wahr und gibt zukünftig zwei Prozent seines BIPs für Verteidigung aus. Dazu sollte ein Sondervermögen von 100 Mrd. Euro kommen, um die notwendigen Investitionen im Antritt bereitzustellen. Komischerweise ist aber in den nächsten Jahren gar keine Erhöhung des Wehretats vorgesehen, berichtet jetzt das Handelsblatt. Es soll bei den bisherigen rund 50 Mrd. Euro jährlich bleiben.

Ampel-Politiker sprechen von einem Missverständnis. Die zwei Prozent würden das Sondervermögen schon mit einschließen, heißt es jetzt. So hatte Scholz in seiner Rede aber niemand verstanden – und Scholz hat dies auch nie richtig gestellt.

So wird aus der großen Zeitenwende ein müdes Zeitenwendchen – denn die 100 Mrd. „Sondervermögen“ sind auf mehrere Jahre aufgeteilt alleine eben alles andere als der ganz große Wurf im Angesicht dieses Krieges und dürften kaum ausreichen.

Doch damit nicht genug: Ampel-Politiker demontieren den Aufrüstungsplan täglich weiter. Die zivile Cybersichrheit soll daraus jetzt auch mitfinanziert werden. Claudia Roth meint, Kulturpolitik sei auch Sicherheitspolitik. Und dass mit dem Geld auch feministische Außenpolitik gezahlt werden soll, ist ja seit Annalena Baerbocks Auftritt im Bundestag auch klar.

Wie so ein Geschacher in der Ukraine ankommt? Während Putin Mariupol in Grund und Boden bombt und alles daran setzt, wesentliche ukrainische Truppen im Donbass einzukesseln, feixt die Bundesregierung über jeden Helm. Jüngst hieß es aus dem Verteidigungsministerium, Deutschland sei einer der größten Waffenlieferanten an die Ukraine. Später kommt raus: Gemessen wurde das allen ernstes nach Gewicht. Andere Berechnungsmethoden sehen Deutschlands Lieferungen irgendwo in der Größenordnung von jenen von Estland.

Das Russlandproblem der SPD ist eben nicht Gerhard Schröder allein. Seine Clique dominiert heute die Politik in Deutschland – und macht genauso weiter wie gehabt.

Die groß angekündigte Zeitenwende ist keine, die Reue wird nur vorgeschoben. Man agiert weiter noch dem gleichen Prinzip: Gegen Putin nur das, was angesichts der öffentlichen Meinung umbedingt nötig ist. Und so verhindert diese Regierung zwar keine Waffenlieferungen – sie verzögert sie aber um Wochen, da wo Stunden entscheidend sind.

An der SPD-Salamitaktik hat sich nichts geändert; nur die Vorzeichen sind offensichtlicher geworden.

Dass Kiew Steinmeier nicht zum PR-Besuch empfangen will, ist bitter für Deutschland und gewissermaßen auch ein Affront. Aber man kann es diesem Land im Angriffskrieg stehend kaum verdenken: Steinmeier hat die verheerende Rolle Deutschlands maßgeblich mitverantwortet – ihm jetzt einen Show-Auftritt in Kiew zu gewähren, wäre nur sehr schwer erträglich.

Die SPD blamiert Deutschland vor der Welt.

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