Man könnte sagen: Es ist das achte Jahre der großen europäischen Migrationskrise. Doch der öffentliche Diskurs hat sich nicht wirklich weiterentwickelt. Die Gräben sind verfestigt. Sobald ein außerordentliches Ereignis die Geister in Wallung bringt, reagieren viele Diskutanten mit den üblichen, bekannten Reflexen. Das Bootsunglück vor dem kalabresischen Crotone (genauer beim Dorf Cutro) war so ein Ereignis, das – mal wieder – viele die Notwendigkeit eines umfassenden Programms zur Seenotrettung fordern ließ.
Wenn es um die Dauerbelegung von Turnhallen geht oder um die Auslastung von Wohnungen, die es – wie in der Freien und Hansestadt Hamburg – gar nicht gibt, hört es sich naturgemäß auf mit der unbegrenzten Aufnahmebereitschaft. Wenn da nicht die ländlichen Regionen wären, die laut Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) womöglich noch Platz haben könnten. In diesem Fall muss es aber heißen: Gehen Sie ins Gefängnis, gehen Sie nicht über Los, ziehen Sie kein neues Startkapital ein! Die Turnhallen sind zum Teil schon besetzt, und „serielles Bauen“ erweist sich in vielen Fällen als wahrer Bürgerschreck. Die Kapazitäten erweisen sich als endlich. Und dasselbe müsste man seit langem von anderen Ressourcen sagen.
Meloni mahnt: Fällt Tunesien, kommen 900.000 mehr
Beim jüngsten EU-Gipfel mahnte Giorgia Meloni die Partner: „Wenn Tunesien fällt, riskieren wir eine humanitäre Katastrophe mit 900.000 Flüchtlingen.“ Unklar bleibt, wie ein solcher „Fall“ oder „Sturz“ eines ganzes Landes aussehen soll. Vermutlich sprach Meloni aber schlicht die Notwendigkeit an, das Maghreb-Land stabil zu halten. Und auch wenn das eigentlich nicht die Aufgabe der EU-Staaten ist, kann man Melonis Argument zumindest nachvollziehen, dass es im europäischen Interesse ist, dass die nordafrikanischen Staaten kein unordentlicher Vorhof der EU sind, sondern stabile Gemeinwesen eigenen Rechts, die eine Brandmauer gegen die illegale Migration aus dem südlicheren Afrika bilden können.
Durchaus problematisch sah nun ein Kommentator des Corriere della sera die Haltung der illegalen Migranten, die sich in ihre windigen Schaluppen setzen, ohne das Ende stets zu bedenken. „Eine extreme Form des Hilferufs“ sei das, „aber es ist klar, dass die erste Pflicht in jedem Fall darin besteht, zu versuchen, den Tod zu verhindern, sie zu retten“, schreibt Ernesto Galli della Loggia. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass man sie im Anschluss nach Europa fortschleppen muss. Das vergessen die humanitären Großdenker immer. Der sichere Ort der Migranten kann genauso gut in Nordafrika liegen.
Compliance-Regeln werden missachtet, das ‚Retten‘ geht weiter
Es geht also – im Gegensatz zu den Annahmen der Wohlmeinenden – keineswegs um die simple Frage, ob man im Mittelmeer Leben retten will oder nicht, sondern um das Wie. Seit langem steht fest, dass Rettung auf hoher See eine internationale Verpflichtung für alle Seeleute ist. Seit 1910 gibt es dazu auch ein Abkommen des Comité Maritime International. Sehr wohl stellt sich aber die Frage, was am besten mit den einmal Geretteten zu passieren hat, um weitere derart gefährliche Überfahrten zu vermeiden. Die einfache Antwort eines ostdeutschen Seemanns a. D., nur leicht paraphrasiert: Überlasst die Seenotrettung im Mittelmeer dem normalen Schiffsverkehr. Dann könnte schneller Ruhe einkehren, als ihr denkt.
Es leuchtet ihm nicht ein, dass die durch private und neuerdings staatliche Spenden finanzierten Vereine hier einen Fährdienst in die EU organisieren. Und im übrigen sei diese Auffassung in dem Verein der DSR-Veteranen weitgehend Konsens. Das Wort „Seenotrettung“ werde konterkariert, wenn „Bootsinsassen in prekärer Lage von ostwärts gehenden Handelsschiffen Hilfe angeboten bekommen und diese dankend ablehnen, weil sie nicht im nächsten sicheren Hafen Port Said an Land gehen möchten, sondern lieber unter dem feuerspeienden Ätna“ – also auf Sizilien.
Eine Fahrt nach Port Said ist uninteressant
Der Seemann hat es klar erkannt: Die Migranten, die im zentralen Mittelmeer auf hohe Fahrt gehen, warten nur darauf, dass sie jemand gen Norden, also ins sozialstaatlich orientierte Europa bringt, während eine Rettung mit Kurs auf das ägyptische Port Said, das nicht weniger ein sicherer Hafen ist, dankend abgelehnt wird.
Folglich ist dem Seemann und Autor auch bei seinem folgenden Satz recht zu geben, wenn er schreibt, die NGOs hätten tatsächlich „hunderte Menschenleben auf dem Gewissen, Opfer eines Weltbildes, das sich nicht an unumstößlichen Tatsachen und guten Argumenten orientiert, sondern darauf abzielt, Verhältnisse zu ändern“. Offenbar hat der Seemann a. D. den Tweet von Axel Steier von der Dresdner NGO „Mission Lifeline“ zur Kenntnis genommen, der sich und die Seinen ganz offen „am längeren Hebel“ wähnt, wo es um die „Umvolkung“ Deutschlands geht. Es ist eine bedrückende Aussicht, wenn man die Folgen der angestrebten multiethnischen Gesellschaft für die Menschen – gleich welcher Nation, Hautfarbe, gleich welchen Glaubens – anschaut. Zustände, wie die von Anarchisten wie Steier angestrebten, sind nie gut für die Menschen.
Grauenhafte Diagnose: Nachwuchs für die Ndrangheta
All das gibt eine grauenhafte Diagnose ab, wenn man die häufig negativen Folgen der Massenzuwanderung für Europa bedenkt. Inzwischen müssen die NGO-Schlepper immer öfter norditalienische Häfen anlaufen, wenn Italien schon für ihre Rettung zuständig sein soll. Das wird der Regierung Meloni als Sabotage am ‚guten Werk‘ übelgenommen. Dabei verteidigt Meloni hier auch den deutschen Staat und Wohlfahrtsstaat, man könnte sagen, die deutsche Kultur.
In einem Beitrag für die Achse des Guten weist der Ex-Seemann P. Werner Lange zudem darauf hin, dass auch die Migranten durchaus nicht immer wirklich auf dem Kontinent ‚ihrer Träume‘ ankommen. So landen manche beispielsweise in behelfsmäßigen Hütten in einstigen süditalienischen Ferienorten oder werden zu Kadern der Camorra oder Ndrangheta (zugegeben, das wird man nicht ohne eigenes Zutun).
Auch in Deutschland weiß man, dass einige Asylbewerber am Ende keine andere Karriere als die des Drogendealers beginnen konnten. Das war ja sogar der Alle-Arme-fertig-los-Bürgermeisterin Monika Herrmann irgendwann klar. Das Mitleid hält sich auch hier in Grenzen. Es wäre aber sicher kein Schaden gewesen, wenn sich diese Menschen aus dem Görlitzer Park noch immer in Afrika befänden. Man darf annehmen, dass auch dies Konsens in vielen deutschen Stuben und Vereinen ist. Es trauen sich nur zu wenige, es laut zu sagen.