Wie schon im Jahr 2015 tobt in Deutschland erneut ein öffentlicher Meinungskampf um die Folgen der von Kanzlerin Merkel betriebenen Migrationspolitik. Im Sommer 2015 ging es dabei um die von ihr entschiedene bedingungslose Grenzöffnung, im Sommer 2018 geht es um die politische Bewertung und Einordnung von Ereignissen, die durch ein Tötungsdelikt in Chemnitz ausgelöst worden sind, das mutmaßlich ein oder mehrere von ihr ins Land gelassene Asylbewerber begangen haben. Wer, wie etwa der Historiker Jörg Baberowski oder der Migrationsforscher Ruud Koopmanns, schon 2015 vor den Auswirkungen einer unkontrollierten Massenzuwanderung etwa auf die Sicherheitslage im Land, die Lage an den Arbeits- und Wohnungsmärkten oder die Stabilität der Sozialversicherungssysteme warnte, wurde im öffentlich-rechtlichen Fernsehen im Verein mit den meisten Zeitungen moralisch desavouiert und öffentlich als inhuman, ausländerfeindlich oder gar nazistisch gebrandmarkt.
Die „Nazi-Keule“ kann spätestens seit 2015 jeden treffen, der auch nur ansatzweise Kritik an der regierungsamtlichen Darstellung oder Interpretation von Sachverhalten äußert, die im Zusammenhang mit der „Mutter aller politischen Probleme“, dem Migrationsthema stehen. Manchmal verschwindet sie für kurze Zeit im medialen Waffenschrank, um aber schnell wieder hervorgeholt zu werden, wenn der Kanzlerin Ungemach droht. Es wird auch nicht bei jedem „Nazi“ mit gleicher Wucht zugeschlagen, sondern wohl dosiert nach dem Grad an (vermeintlicher) Gefährlichkeit. Das kann so weit gehen, dass die „Nazi-Keule“ als solche gar nicht sichtbar wird, obwohl sie zum Einsatz kommt. Sie wird dann gleichsam in Watte gepackt, um das Opfer zwar als „Rechtspopulist“ zu ächten, nicht jedoch gleich politisch und gesellschaftlich totzuschlagen.
Zum anderen ließ Merkel kurz nach den ersten Protestaktionen und Ausschreitungen in Chemnitz über ihren Pressesprecher Seibert öffentlich verlautbaren, dort hätten ausländerfeindliche „Hetzjagden“ stattgefunden, die nicht zu Deutschland gehörten und die sie deswegen nachdrücklich verurteile. Nun steht inzwischen außer Frage, dass in Chemnitz nicht nur friedliche Bürger ihre Trauer und Wut über die Tötung von Daniel Hillig öffentlich zum Ausdruck brachten, sondern Rechtsradikale und Hooligans das Tötungsdelikt zum Anlass nahmen, gegen Migranten und Ausländer Stimmung zu machen sowie mit rechtsradikalen Slogans und Zeichen durch die Straßen zu ziehen. Darüber hinaus kam es nach allem, was man derzeit weiß, auch zu einem Übergriff auf ein jüdisches Restaurant sowie zu einzelnen Übergriffen auf Migranten und Journalisten.
Erneut dürfte Maaßen, wie auch sein Chef Seehofer, deshalb darüber entsetzt gewesen sein, wie leichtfertig und schnell die Kanzlerin folgenschwere Entscheidungen trifft, wenn es darum geht, sich selbst in das rechte humanitäre Licht zu setzen, im Sommer 2015 als „Mutter Theresa der Flüchtlinge“, im Sommer 2018 als „Kämpferin gegen den nationalsozialistischen Mob“. Öffentlich schweigen wollte Maaßen dazu dieses Mal offenbar nicht und verbreitete daher über die Bild-Zeitung seine Zweifel an der Darstellung und Bewertung der Chemnitzer Ereignisse seitens des Kanzleramtes. Darüber hinaus äußerte er den Verdacht, mit der öffentlichen Skandalisierung von „Hetzjagden“ in vielen Medien solle öffentlich von der mutmaßlichen Tötung von Daniel Hillig durch drei Asylbewerber abgelenkt werden.
Ex-Innenminister Gerhart Baum von der FDP sagt in diesem Zusammenhang der Stuttgarter Zeitung vom 12. September: „Seehofer hält die Flüchtlingsfrage für die Mutter aller Probleme. Falsch ! Die Mutter aller Probleme ist, dass eine nennenswerte Minderheit der Deutschen sich von der Demokratie langsam entfernt und offen mit Naziparolen operiert. Wenn rund 25 Prozent der Ostdeutschen bei den kommenden Landtagswahlen AfD wählen wollen, ist das eine Gefahr für die Demokratie. Im Westen gewinnt die AfD auch an Boden. Kritik muss möglich sein. Rechtsextremen Hass, genährt durch Nazi-Ideologie, dürfen die Deutschen nie wieder zulassen.“
Sollten Seehofer und/oder Maaßen stürzen, kann Merkel auf eine noch längere Blutspur ihrer Gegner blicken, die sie mittlerweile zur Strecke gebracht hat. Von daher ist nicht zu erwarten, dass sie der einsetzenden politischen „Hetzjagd“ gegen ihren Innenminister und Verfassungsschutzchef Einhalt gebietet. Die Treiber von SPD, Grünen und LINKEN sind mit ihren Hunden im medialen Unterholz schon lautstark unterwegs. Es könnte aber sein, dass das gehetzte Wild dieses Mal nicht zur Strecke gebracht wird, da das Gewehr der Jägerin inzwischen Ladehemmung hat. Der Baden-Württembergische Innenminister, Thomas Strobl, hat jedenfalls erklärt, Verfassungsschutzchef Maaßen habe sich ihm gegenüber stets als „sehr korrekter und kenntnisreicher Berater“ erwiesen.