Tichys Einblick
Widerstand erneut gebrochen

Seehofer tauscht Rassismus-Studie gegen Überwachungssoftware

Mit einer Studie will Innenminister Seehofer dem Generalverdacht des strukturellen Rassismus bei der Polizei nachgehen. Die selbsternannten Anti-Rassisten in Politik, Hochschulen und Medien haben sich damit durchgesetzt.

imago Images/Jürgen Heinrich

Nicht nur die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken, ist spätestens seit den Black Lives Matter-Demonstrationen in den USA und Deutschland fest davon überzeugt, in den deutschen Polizeibehörden herrsche ein struktureller Rassismus gegenüber Migranten. Er komme unter anderem in einigen grob fremdenfeindlichen und menschenverachtenden Äußerungen polizeilicher Chat-Gruppen über (Asyl-)Zuwanderer zum Ausdruck, die in letzter Zeit publik geworden sind. Geteilt wird diese Sichtweise nicht nur von den Vertretern zahlreicher Migrantenorganisationen, sondern auch von vielen Politikern und Medienvertretern, die den Polizeibehörden vorwerfen, gegenüber Migranten nicht nur verbal in hohem Maße übergriffig zu sein. Dabei handle es sich nicht um das Fehlverhalten einzelner Polizisten, sondern um ein strukturelles Problem der Polizeibehörden selbst.

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In die öffentliche Debatte um das Verhalten der Polizei gegenüber Migranten hat so ein Begriff aus der Soziologie Einzug gehalten, die immer (und nur) dann von strukturell verankerten Verhaltensmustern spricht, wenn das alltägliche Verhalten einzelner Personen maßgeblich nicht von diesen selbst, sondern von dem sozialen System beeinflußt und gesteuert wird, dem sie jeweils als Kollektiv angehören. Die Mechanismen und Zwänge eines sozialen Systems lassen seinen einzelnen Mitgliedern nur wenige, manchmal fast gar keine Spielräume, sich anders zu verhalten, als es die formellen und informellen Regeln dieses System selbst vorgeben. Wer sie nicht befolgt wird von den Hütern des Systems zur Rede gestellt, sanktioniert, ausgegrenzt und bei andauernder Zuwiderhandlung als Abweichler notfalls verstoßen. Verhaltensänderungen einzelner Personen, vor allem aber ganzer Gruppen setzen deswegen Änderungen der formellen und informellen Verhaltensregeln sozialer Systeme voraus. Bloße Aufrufe zu Verhaltensänderungen ihrer Mitglieder laufen ins Leere, solange dies ausbleibt.

Sollte das Verhalten deutscher Polizisten von strukturellem Rassismus gegenüber Migranten bestimmt sein, dann würden nach soziologischem Verständnis die Polizeibehörden nach formellen und informellen Regeln funktionieren, die jedem einzelnen Polizisten ein rassistisches Verhalten abverlangen, das er nur unter Inkaufnahme von Reaktionen und Eingriffen seiner Vorgesetzten und Kollegen unterlassen könnte. Verhaltensmuster, die aus den Strukturen sozialer Systeme resultieren, zeigen immer nur ganze Kollektive. Gäbe es in den deutschen Polizeibehörden strukturellen Rassismus gegenüber Migranten, müssten sich alle Polizisten rassistisch verhalten und einzelne Abweichler innerhalb des Polizeiapparats entsprechend kujoniert werden. Dies zu behaupten, bleibt bislang indes noch diejenigen politischen Kräften vorbehalten, die Polizisten schon lange rundweg als Bullenschweine und neuerdings als Bastarde (ACAP = All Cops Are Bastards) verunglimpfen, die laut einer Kolumnistin der Berliner Tageszeitung (taz) allesamt auf den Müll gehören.

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Immer mehr Teile der polit-medialen Klasse nähern sich dieser Sicht der Dinge inzwischen allerdings an, indem auch sie sich bei der Beschreibung der Polizeibehörden zunehmend eines Begriffs bedienen, der insinuiert, deren Funktionsweise folge durchgängig formellen und informellen Regeln rassistischer Diskriminierung gegenüber Migranten. Da dies offenkundig sowohl dem öffentlichen Auftrag wie den gesetzlichen Vorgaben der Polizeiarbeit in Deutschland widerspricht, hat sich CSU-Innenminister Seehofer im Verein mit anderen Innenministern der Union bislang dagegen gewehrt, mittels einer wissenschaftlichen Studie die Polizeibehörden unter den Generalverdacht des strukturellen Rassismus stellen zu lassen. Wie jüngst in der Frage der Aufnahme von Asylzuwanderern aus Moria und anderen Fällen hat er nun aber auch hier dem Drängen der Kanzlerin und der Führung der SPD nachgegeben und einer Rassismus-Studie zugestimmt. Diese wird der politischen und medialen Asyl- und Migrantenlobby vor allem in der Absicht gefordert, mit ihrer Hilfe für zunehmende Spannungen und gewalttätige Konflikte zwischen Polizeikräften und migrantischen Gruppen die Polizei verantwortlich machen zu können.

Diese Studie soll nun, wie die Neue Züricher Zeitung (NZZ) vom 21.Oktober berichtet, von einer weiteren Studie begleitet werden, die nicht nur die Polizei, sondern die gesamte Bevölkerung ins Visier nimmt. Auch ihr wird seitens selbsternannter Anti-Rassisten in Politik, Hochschulen und Medien seit geraumer Zeit struktureller Rassismus zum Vorwurf gemacht. Dieser kann nach Auffassung einiger Rassismus-Forscher zum Beispiel allein schon darin gründen, daß ein Unternehmen, eine Behörde oder auch ein Verein von Personen ohne Migrationshintergrund dominiert wird. Überall, wo dies der Fall sind, ist rassistische Diskriminierung gegenüber Migranten gleichsam vorprogrammiert. Die Maßstäbe zur Diagnostizierung von Rassismus werden immer mehr nach unten verschoben, da sich nur so der vermeintliche wissenschaftliche Nachweis führen läßt, daß es sich um ein Massenphänomen handele. Als ein Merkmal „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, einer akademischen Umschreibung des politischen Kampfbegriffs Rassismus, gilt heute zum Beispiel schon die Aussage: Es leben zu viele Ausländer in Deutschland. Ohne solche Zuschreibungen hätten die Forscher vermutlich große Mühe, rassistische Einstellungen und rassistisches Verhalten in nennenswertem Umfang nachzuweisen.

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Mit Blick auf die zu erwartenden Ergebnisse der angekündigten Studie wird es daher nicht nur darauf ankommen, was die untersuchten Polizisten den Forschern mitteilen, sondern noch mehr, wie diese deren Aussagen einordnen und werten. Auf Grundlage derselben Rohdaten lassen sich sowohl ein hohes wie auch ein geringes Maß an Rassismus konstruieren, je nachdem, wie man diesen Begriff definiert und methodisch operationalisiert. Die Ergebnisse der Studie werden daher maßgeblich davon abhängen, welche Forscher beauftragt werden und welchen politischen Richtungen sie nahestehen. Das ist bei sozialwissenschaftlichen Forschungsaufträgen grundsätzlich immer so, in diesem Falle aber ganz besonders, geht es den politischen Betreibern einer Rassismus-Studie offenkundig doch nicht darum, mit Hilfe wissenschaftlicher Studien Erkenntnisse für bessere Politikgestaltung zu gewinnen, sondern mit Hilfe der Wissenschaft ihren Generalverdacht gegenüber der Polizei zu legitimieren und so ihre politische Position zu stärken.

Dieses Vorgehen liegt in der Natur der Politik, die ihren strukturellen Regeln nach nicht darauf geeicht ist, Erkenntnisfortschritt zu generieren, sondern politische Ziele zu setzen und, unter anderem unter Zuhilfenahme der Wissenschaft, gegenüber politischen Gegnern durchzusetzen. Politiker, die dieser Vorgabe nicht folgen, sind im System der Politik fehl am Platze und werden von ihm auch schnell ausgestoßen. Die Aufgabe des Erkenntnisfortschritts ist demgegenüber dem Wissenschaftssystem und den dort tätigen Wissenschaftlern vorbehalten, denen es ihrerseits nicht obliegt, die Ziele der Politik zu definieren oder gar für deren Umsetzung zu kämpfen. Leider folgen gerade in den Sozialwissenschaften zu viele Forscher inzwischen jedoch mehr einer politischen Agenda als dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse. Sie degradieren sich so zusehends zu Erfüllungsgehilfen von Politikern.

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Die von Seehofer angekündigte Studie soll laut der NZZ aber nicht nur rassistische Einstellungen bei der Polizei und der gesamten Bevölkerung untersuchen, sondern überdies den Arbeitsalltag und die Belastungen der Polizeibeamten beleuchten. Letzteres ist wohl einer Forderung der Gewerkschaft der Polizei geschuldet, die offenkundig davon ausgeht, daß die Stimmung der Polizisten gegenüber Migranten zunehmend darunter leidet, daß sie an vorderster Front die Fehler einer gescheiterten Migrations- und Integrationspolitik auszubaden haben. Wer als Polizist tagtäglich mit dem von der Politik importierten, kriminellen und teils äußerst aggressiven und gewalttätigen Fehlverhalten nicht nur junger (Asyl-)Zuwanderer konfrontiert ist, muß, wie wir spätestens seit den Publikationen der Polizistin Tania Kambouri wissen, schon besonders fremdenfreundlich gepolt sein oder sich im wahrsten Sinne des Wortes eine dicke Haut zulegen, um durch seine Arbeit nicht fremdenfeindlich zu werden.

Hier liegt womöglich tatsächlich eine strukturelle Ursache für eine Zunahme ablehnender Einstellungen gegenüber Migranten unter Polizisten, die sich in den Polizeibehörden im Laufe der Zeit zu fremdenfeindlichen Einstellungsmustern gegenüber Migranten ausweiten und verfestigen können. Die Wurzel des Übels läge dann aber nicht bei den Polizeibehörden, sondern bei der Bundesregierung, die an ihrer verfehlten Migrations- und Integrationspolitik stur festhält und von den Polizisten erwartet, den von ihr angerichteten Schlamassel weiter auszubaden und dabei gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Dass ihnen dafür obendrein noch das Label des Rassismus verpasst wird, wird wohl immer schwerer zu verhindern sein, nachdem Seehofer seinen Widerstand gegen die Durchführung einer Rassismus-Studie aufgegeben hat, um im Gegenzug, wie die NZZ zusätzlich berichtet, vom Koalitionspartner SPD die Zustimmung zu einem „Bundestrojaner“ zu erhalten, mit dem verdächtigen Straftätern Überwachungssoftware auf ihr Handy gespielt werden kann. Ob die Stimmung von Polizisten gegenüber Migranten sich in Zukunft verbessert, wenn sie die Gespräche/Chat-Protokolle arabischer Clan-Krimineller über Polizisten live mitverfolgen dürfen, muss man freilich erst noch abwarten.

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