Am Dienstag dieser Woche haben vermutlich nicht nur bei den amtlichen und ehrenamtlichen Asylhelfern, sondern auch bei den Schlepperorganisationen dieser Welt die Champagner-Korken geknallt, nachdem sie erfahren haben, dass die deutsche Bundesregierung plant, abgelehnten Asylbewerbern ein einklagbares Bleiberecht zu erteilen, sofern sie einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen. Die illegale Zuwanderung in den Arbeitsmarkt via Asyl wird damit nachträglich legalisiert und das Asylrecht endgültig pervertiert. Sollte es bislang dem Zweck dienen, anerkannten politisch Verfolgten und Kriegsflüchtlingen vorübergehenden Schutz zu gewähren, soll es nun legal dafür genutzt werden können, selbst dann ein Bleiberecht zu erhalten, wenn gar keine Asylgründe vorliegen.
Ein Hebel dafür ist schon seit längerem die sogenannte „3+2-Regelung“. Sie sieht vor, dass auf die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber für die Dauer von fünf Jahren verzichtet wird, sofern sie eine Ausbildung begonnen oder eine solche in Aussicht haben. Demnächst soll gleiches oder ähnliches für alle abgelehnten Asylbewerber gelten, sofern sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Die genauen rechtlichen Details der geplanten Neuregelung sind zwar noch nicht publik, zu erwarten ist aber, dass in Zukunft nicht nur anerkannte, sondern auch abgelehnte Asylbewerber nach fünf, unter bestimmten Voraussetzungen sogar schon nach drei Jahren erstmals einen Antrag auf Niederlassung stellen und damit vom Asylrecht in das Aufenthaltsrecht wechseln können. Der von der SPD geforderte „Spurwechsel“ für abgelehnte Asylbewerber vom Asylrecht ins Aufenthaltsrecht soll somit in Deutschland Gesetz werden, auch wenn der Begriff in dem von der Koalition gebilligten Eckpunktepapier auf Wunsch der CSU nicht auftaucht. SPD-Arbeitsminister Heil ist mit der getroffenen Vereinbarung deswegen auch hoch zufrieden, entspricht sie doch weitgehend den Forderungen der SPD.
Um diese zu realisieren, werden bislang geltende rechtliche Kausalketten einfach umgekehrt. Die Anerkennung als Asylbewerber ist nicht mehr Voraussetzung, um ein Bleiberecht und, als Folge hiervon, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten; vielmehr sollen umgekehrt Arbeitserlaubnisse selbst dann zu einem einklagbaren Bleiberecht führen, wenn gar kein Asylanspruch besteht. Das Asylrecht wird so nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich endgültig in ein Einfalltor zur Erwerbsmigration umfunktioniert. Die Behauptung der Koalitionäre: „Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest“ entpuppt sich so als eine reine Beschwichtigungsformel, um die Bürger davon abzulenken, dass sie mit der geplanten Neuregelung den Missbrauch des Asylrechts zur Erwerbsmigration nicht abstellen, sondern endgültig legalisieren wollen. Wer sich als Asylbewerber geriert, wenn er nach Deutschland kommt, soll hier, unabhängig von seiner Asylberechtigung, arbeiten und auf Dauer bleiben dürfen.
Dieses von den maßgeblichen Asylorganisationen und ehrenamtlichen Helfer-Netzwerken schon lange propagierte Prinzip wurde inzwischen nicht nur von der SPD-Führung, sondern, entgegen offizieller Verlautbarungen, auch von der CDU- und der CSU-Führung übernommen. Schützenhilfe bekommen sie seit geraumer Zeit außerdem von einigen Unternehmen und Wirtschaftsverbänden aus dem Mittelstand und dem Handwerk, die sich angesichts einiger Engpässe bei der Arbeitskräfterekrutierung dafür einsetzen, erwerbstätigen abgelehnten Asylbewerbern ein dauerhaftes Bleiberecht zu erteilen. Ihrer Lobbyarbeit ist es wohl zu verdanken, dass in dem Eckpunktepapier der Koalition angekündigt wird, man werde „klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind.“
Angesichts des Scheiterns der von der Regierung noch unlängst angekündigten Offensive zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber in sichere Drittstaaten oder in ihre Heimatländer kommen auch CSU-Innenminister Seehofer derlei Forderungen aus dem Unternehmerlager mehr als nur gelegen. Auf Basis des geplanten Gesetzes muss er zukünftig abgelehnte Asylbewerber, sofern sie arbeiten, nicht mehr ausweisen. Arbeitsverträge hebeln insofern nicht nur das Asylrecht aus, sondern entlasten die Regierung auch von Rückführungen und Abschiebungen. Darüber hinaus werden zusätzliche Anreize geschaffen, auf der Suche nach Arbeit in Deutschland weiterhin den Weg des Asylmissbrauchs und nicht den Weg einer regulären Arbeitsmigration zu wählen, der demnächst mit Hilfe des geplanten Fachkräftezuwanderungsgesetzes erleichtert werden soll. Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander hat daher zurecht darauf hingewiesen: „Wer die ‚Spurwechsel‘-Debatte führt, muss sich bewusst sein, dass er damit faktisch das Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz sabotiert.“ Innenminister Seehofer scheint zu glauben, dies ließe sich dadurch vertuschen, dass in dem Eckpunktepapier zur Zuwanderung das Wort „Spurwechsel“ vermieden wird. In welchem Ausmaß die Wähler, die auf die von Seehofer versprochene Wende in der Asylpolitik warten, der CSU damit auf den Leim gehen, wird man nach dem 14. Oktober genauer wissen.