Bundesinnenminister Horst Seehofer hat dem Land unabsichtlich einen großen Dienst erwiesen. Der CSU-Politiker kündigte wohl etwas naiv und juristisch fragwürdig an, Strafanzeige gegen die Taz-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah wegen „Enthemmung der Worte“ stellen zu wollen, weil damit eine „Enthemmung der Taten“ drohe. Seehofer reagierte auf eine satirisch gedeutete Kolumne, in der mit unsäglicher Verachtung und Entmenschlichung kurzerhand 260.000 deutschen Polizisten zu entsorgendem Müll erklärt wurden.
Seehofer löste damit eine erregte Debatte über die Meinungs- und Pressefreiheit aus und lenkte zudem den Blick auf das Verhältnis der Gesellschaft zur Polizei. Beide Themen werden von Politik und Medien in Deutschland meistens nur dann aufgegriffen, wenn es um den „Kampf gegen Rechts“ und gegen „Rassismus“ geht. Der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken gelang es jüngst sogar, beides zusammenzuführen und vom „latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte“ zu sprechen.
Seehofers Reaktion auf die Taz-Kolumne löste fast quer durch alle Lager Empörung aus, obwohl viele Medien und Politiker den Artikel scharf kritisiert hatten. Fast alle Kommentare aber werteten die Absicht des Innenministers als einen Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit.
Wer allerdings die Freiheit der Taz verteidigt, auch üble Texte und schrille Sichtweisen zu veröffentlichen, der muss sich fragen lassen, wieso das offensichtlich für andere Bereiche nicht gelten soll. Schließlich wird in Universitäten und Institutionen, vor allem aber in Medien und auf sozialen Plattformen ein erbitterter, unduldsamer Kampf gegen sprachlichen „Rassismus“ und „Diskriminierung“ sowie angebliche „fake news“ geführt.
Die massiven Reglementierungen, angefangen vom Gendern der Sprache, der Verbannung von Begriffen wie Flüchtlinge, Asylanten oder Rasse, bis hin zu der Durchsetzung von „Political Correctness“ in allen Bereichen, den massiven Angriffen auf unliebsame Wissenschaftler und Intellektuelle und letztendlich die folgenschwere und oft lächerlich begründete Diffamierung von Personen, Gruppen und Medien als „rechts“, „islamophob“ oder „fremdenfeindlich“ belegt eine radikale Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen.
Seehofer hat aber auch ein zweites wichtiges Thema in die Schlagzeilen gerückt, über das die Medien seit Jahren mit nicht zu übersehender Tendenz und Einseitigkeit berichten. Der oberste Dienstherr der inneren Sicherheit stellte sich demonstrativ vor die Polizisten, deren Situation von Jahr zu Jahr prekärer wird. Zum einen stehen sie für viele Medien und Politiker bei Ausschreitungen und Tumulten oft als erste in der Kritik, wird schnell von einem „unverhältnismäßigem Einsatz“ gesprochen – obwohl die Beamten angesichts der von der Politik durchgesetzten „De-Eskalations-Strategien“ ohnehin auf äußerste Zurückhaltung getrimmt sind und sich oft genug von aggressiven Vermummten verspotten lassen müssen.
Die tiefe, emotionale Ablehnung der Polizei in Deutschland, die keineswegs nur in linken und grünen Kreisen verbreitet ist, führt dazu, dass im Spiegel – ohne jeden Anlass in unserem Land – die Polizei insgesamt unter Generalverdacht gestellt wird: „Gewalt und Rassismus in der Polizei ist keine Angelegenheit einzelner ‚schwarzer Schafe‘, sondern ein Problem, das systemisch zur hochmoralischen Organisation Polizei gehört“, schriebt jüngst im Spiegel der Polizeiexperte Rafael Behr.
Während die Gewaltbereitschaft und Krawalllust von Linksextremen, Autonomen und der großen Zahl nicht integrierter, aggressiver junger Migranten von Deutschlands Medien gerne relativiert, heruntergespielt und verharmlost werden – wie jüngst in Stuttgart –, sind die brennenden Probleme der Polizei kaum ein Thema. Die rasant gestiegene Zahl von gewalttätigen Angriffen auf Polizisten, aber auch auf Feuerwehrleute, Ärzte und Rettungskräfte belegen eine grundlegend veränderte Stimmung in vielen Orten Deutschlands. Es drohen auch bei uns mancherorts Zustände wie in manchen Vierteln von Paris, Brüssel oder Malmö, wo sich Polizisten nur noch in Mannschaftstärke hintrauen.
Seehofer darf es sich als Verdienst anrechnen, dass seine unerwartete Reaktion auf den Taz-Artikel zwei heikle, wichtige Themen in den Vordergrund gerückt hat. Die „Satire” in der Taz ist im Vergleich dazu kaum der Rede wert. Ausgerechnet der Welt-Autor Deniz Yücel, der selbst schon mit befremdlichen Formulierungen über das Aussterben der Deutschen und üblen Beleidigungen von Thilo Sarrazin in seinen Kolumnen auffiel, ordnete den Taz-Beitrag treffend ein. Yücel kritisiert „antirassistische und queerfeministische“ Autoren, die die „Überhöhung der rassistischen Ressentiments“ zur trickreichen Geschäftsgrundlage gemacht hätten. „Mit einer superradikalen Malcolm-X-Attitude auftreten, wo man sich auf die Anerkennung des linksliberalen Kulturestablishments verlassen kann. Ein Kolumnenplatz, ein Buchvertrag, ein paar Fördergelder, irgendwas wird dabei schon rausspringen.“
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