In Grundgesetz Art. 115 ist mit Wirkung ab 2011 festgehalten: Die Schuldenbremse ist eine verbindliche Vorgabe gegen das Ausufern von Haushaltsdefiziten. Damit wird die „strukturelle“, also von der Konjunktur unabhängige, staatliche Neuverschuldung für die Länder verboten und für den Bund auf maximal 0,35 Prozent des nominellen gesamten Wirtschaftsvolumens (BIP) beschränkt. Ausnahmen bei Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen sind möglich.
Kritiker vor allem aus den linken Lagern – die üblichen Schuldenmacher eben – benennen die Schuldenbremse denn auch als „Zukunftsbremse“, weil Investitionen etwa in den Erhalt und die Transformation der Infrastruktur verhindert würden. Befürworter der Schuldenbremse vor allem der CDU, früher auch der FDP, halten die Schuldenbremse im Interesse der Stabilität deutscher und europäischer Finanzen für notwendig.
In seinem Urteil zur Schuldenbremse vom 15. November 2023 hat übrigens „Karlsruhe“ einer Umgehung der Schuldenbremse durch Fonds, Sondervermögen und Umschichtungen Grenzen gesetzt und das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 zum Bundeshaushalt mit dem Grundgesetz für unvereinbar und nichtig erklärt. Folge dieses Urteils, das aufgrund einer Klage der CDU/CSU-Fraktion zustande kam, war, dass 60 Milliarden Euro, die für „Corona“ nicht gebraucht wurden, nicht in den Klima- und Transformationsfonds (KTS) geschaufelt werden durften.
Eine schwarz-rot-grüne Länder-Intrige gegen Merz?
Nun wollen mehrere CDU-regierte Bundesländer gegen die Schuldenbremse vorgehen. Namentlich sind es die CDU-Regierungschefs Daniel Günther (Schleswig-Holstein in schwarz-grüner Koalition), Boris Rhein (Hessen in schwarz-roter Koalition), Kai Wegner (Berlin in schwarz-roter Koalition) sowie Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt in schwarz-rot-gelber Koalition). Nicht nur am Rande: Alle vier CDU-Ministerpräsidenten koalieren mit Ampel-Parteien!
Diese Länder erwägen nun, noch in diesem Jahr im Bundesrat einen gemeinsamen Antrag für eine Reform der Schuldenbremse zu stellen. „Alle CDU-Ministerpräsidenten sind dafür, dass wir die Schuldenbremse in der Verfassung behalten, aber anpassen müssen“, sagte ein Unions-Regierungschef zu „Table.Briefings“. Begründung: „Die notwendigen Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung lassen sich nicht mehr in normalen Haushalten abbilden.“
Aber: Man wolle die Initiative erst nach dem CDU-Bundesparteitag Anfang Mai 2024 starten, um Merz nicht zu beschädigen. Danach schon, oder? Und: Das Festhalten an der bisherigen Schuldenbremse sei im Bundestagswahlkampf nicht durchzuhalten. Mit anderen Worten: Der deutsche Michel soll nun von wohl allen Parteien zum Schuldenmachen an die Wahlurne gelockt werden.
Auch Michael Kretschmer (CDU, Sachsen) und Hendrik Wüst (CDU, NRW) sind angeblich prinzipiell nicht gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse, wollten sich öffentlich aber nicht gegen Merz stellen, hieß es. Eine Option könnte sein, dass drei CDU-Ministerpräsidenten und drei SPD-Regierungschefs gemeinsam einen Antrag im Bundesrat einbringen. Als Koordinator wird Hessens Ministerpräsident Rhein genannt, der in Hessen mit der SPD regiert. Erwogen wird, die kreditfinanzierten Nettoinvestitionen des Staates künftig nicht mehr auf die Kreditobergrenze der Schuldenbremse anzurechnen. Dies ist eine Variation der „Goldenen Regel“, die es in Deutschland vor 2009 schon einmal gab.
Vor einem halben Jahr hatte Merz eine Lockerung noch kategorisch ausgeschlossen
Alles in allem ist diese geplante CDU/SPD-Sechser-Initiative erneut ein Tritt von hinten gegen Merz. Dieser hatte Ende November 2023 eine Lockerung der Schuldenbremse kategorisch ausgeschlossen. „Staatspolitische Verantwortung ist unsere DNA“, nannte er es. Auch Daniel Günther machte noch im Dezember 2023 Schlagzeilen mit seiner Ablehnung:
SPD und Grüne wollen die Schuldenbremse nun ausgerechnet mit CDU-Regierungschefs aushebeln und damit das gigantische Schuldenloch auffüllen. Man braucht dafür ja eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag – also auch die Stimmen der CDU/CSU. Ursprünglich war das eine komfortable Lage für Merz. Er konnte die Ampel und vor allem Kanzler Scholz vor sich hertreiben. Allerdings hatte sich Berlins „Regierender“ Kai Wegner (CDU) schon damals gegen die Schuldenbremse als „investitionshemmend“ ausgesprochen. Merz hatte entgegnet: „Das wird im Bundestag entschieden und nicht im Roten Rathaus in Berlin.“
Auf die Idee, dass gerade das hochverschuldete Berlin einmal anfangen sollte zu sparen, statt Wohltaten unter anderem mit Hilfe des Länderfinanzausgleichs und demnächst mit noch mehr „legalen“ Schulden zu finanzieren, ist man in der Hauptstadt noch nicht gekommen. Da hat sich unter CDU-Regentschaft im Roten Rathaus nichts geändert.