Olaf Scholz hat der Zeit ein Interview gegeben. Ein grün-roter Politiker, der sich der Zeit anvertraut – das ist wie ein Schüler. Einer, mit dem keiner auf dem Pausenhof spielt und der sich deshalb zum Lehrer stellt, damit ihm wenigstens einer zuhört. Im Interview gelobte Scholz, die AfD jetzt ernstnehmen zu wollen und sprach über eigene Fehler. Die Bild macht daraus eine „Kommunikations-Kehrtwende“. Tusch. Ein dreifach donnerndes Helau.
„Ganz neue Töne“ hört die Bild sogar bei Scholz raus. Die Zeitung zitiert den Kanzler aus internen Besprechungen: Er werde „jetzt auch draußen klarer und mitfühlender sprechen“. Mit dem Zeit-Interview habe Scholz zum ersten Mal „geliefert“. Wie sieht also die „Kommunikations-Kehrtwende“ aus, der „Befreiungsschlag“? Was hat Olaf Scholz an Mitgefühl geliefert?
„Als Bundeskanzler trage ich die Verantwortung für die Regierung. Punkt. Es wäre also abwegig zu sagen, ich hätte nichts damit zu tun.“ Der Kanzler räumt ein, dass er etwas mit der Regierung zu tun hat. Wow. So offen. So ehrlich. Eine wahre Kommunikations-Kehrtwende, ein „Befreiungsschlag“. Seit Pontius Pilatus hat niemand mehr so überzeugt zu seinen Entscheidungen gestanden wie dieser Kanzler. Er sage nicht, er habe mit seiner Regierung nichts zu tun. Olaf, der Macher.
Ernsthaft: Wer wie die Bild in Scholz‘ Interview eine „Kommunikations-Kehrtwende“ sieht, der hat auch 16 Jahre lang in Angela Merkel (CDU) eine wegweisende Kanzlerin gesehen. Wobei in der Disziplin Bild-Chefredakteurin Marion Horn zwei Dutzend Rekorde und Gold-Medaillen innehat. Scholz‘ Geständnis ist so viel Wert wie das Interview eines 100-Meter-Läufers, der nach einer Stunde ins Ziel kommt und akzeptiert, dass es dafür nur Silber gibt. Das ist kein Sich-Stellen, das ist bestenfalls ein Wegnuscheln: „Es wäre also abwegig zu sagen, ich hätte nichts damit zu tun.“
Auch in seiner Politik bleibt Scholz ein Kurzstrecken-Langläufer. Das Interview mit der Zeit steht weniger für eine Wende – mehr für ein Ende. Denn Scholz‘ „Ich sage nicht, ich hätte nichts damit zu tun“, folgt ein: Ohne mich wären die Verschärfungen bei Migration und Bürgergeld nicht möglich gewesen. Das sind die politischen Erfolge, mit denen sich Scholz in der Zeit brüstet. Ernsthaft.
Das Bürgergeld hat Scholz‘ Regierung innerhalb eines Jahres um 25 Prozent erhöht. Sie hat ebenfalls Prüfungen und Sanktionen für Arbeitsverweigerer abgeschafft. Danach hat die Ampel wieder die deutlich abgemilderte Möglichkeit eingeführt, Arbeitsverweigerer gegebenenfalls doch noch zu sanktionieren. Und das auch nur auf zwei Jahre befristet. Das nennt Scholz eine Verschärfung, die es ohne ihn nicht gegeben hätte. Applaus dem Kanzler. Oder vielleicht doch besser einen Tusch und ein dreifach donnerndes Helau.
Und die Verschärfungen bei der Migration? Der Kanzler, der private Debatten über Remigration zum Anlass nimmt, um gegen Rechts zu demonstrieren. Dessen Innenministerin die Debatte über Remigration zum Anlass nimmt, um den Verfassungsschutz Spenden an rechte Organisationen prüfen zu lassen. Die dann zeitgleich in staatlichen Medien veröffentlicht werden – rein zufällig, natürlich. Dieser Kanzler wirbt jetzt für sich damit, dass es ohne ihn bei der Migration keine Verschärfungen gegeben habe, weil er die Frist für Abschiebehaft verlängert hat. Scholz hat nicht eine Kommunikations-Kehrtwende hingelegt – Scholz schafft sieben Kommunikations-Kehrtwenden pro Sekunde.
Scholz ist der Kanzler der Begriffsverwirrung. Er sagt, er stelle die Weichen, „damit es in 20 und 30 Jahren hier auch noch gute Arbeitsplätze gibt“. Richtig wäre: Unter seiner Regierung drosseln die Unternehmen die Produktion oder stellen sie ganz ein. Scholz vertreibt Unternehmen. Damit schafft er bestenfalls Platz, an dem andere Investoren bauen könnten. Vielleicht. Irgendwann. Aber frühestens, wenn Scholz weg ist. Also in 20 oder 30 Jahren.
Der Kanzler hat in der Zeit noch einen Spruch rausgehauen: „Ich bin ein zäher Kämpfer.“ Damit wirkt er wie ein Dackel, der noch bellt, während ihn der Einbrecher auf den Balkon trägt. Scholz hält sich für einen Langstreckenläufer, nur weil er für 100 Meter eine Stunde braucht. Wenn er beim Gerade-Auslaufen nicht wieder hinfällt. Doch sieht er dann mit Augenklappe immerhin putzig aus. Ein putziger, aber harmloser und vor allem vergesslicher Dackel – mehr Image ist für Olaf Scholz nicht drin. Egal, wie viele Kommunikations-Kehrtwenden er noch hinlegt.