Die SPD leistet in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin einen Offenbarungseid nach dem anderen. Erst inszenierten sich die SPD-Kandidatinnen Franziska Giffey und Manuela Schwesig als regional verwurzelte Pragmatiker, jetzt wollen beide mit der Linkspartei koalieren. Die Berliner hofften auf eine bürgernahe, seriöse Bürgermeisterin und bekommen ein dreistes Weiter-So einer Landesregierung, die Berlin zum deutschlandweiten Negativbeispiel machte. Franziska Giffey hätte wahrscheinlich auch lieber mit der CDU regiert, sie kann es aber gar nicht. Die SPD-Basis ist mittlerweile aber so eindeutig nach Linksaußen ausgerichtet, dass es ohnehin einem Wunder gleicht, dass sie Giffey überhaupt antreten ließ. Die SPD tut das was sie zuletzt immer tat: Wann immer sie konnte, regierte sie mit der Linken.
Und dennoch gaben die Parteispitzen am Freitagmittag bekannt, in Koalitionsverhandlungen einsteigen zu wollen. Die Eckpunkte der bisherigen Einigung: Volle Klimaagenda, 12 Euro Mindestlohn, dafür keine Steuererhöhungen und kein Tempolimit. Jedenfalls an der Oberfläche. Die FDP steuert mit ihrer Einwilligung auf ein neues 2013.
Denn die Einstellung der SPD ist spätestens seit der Wahl von Esken und Walter-Borjans als Parteivorsitzenden klar. Ein unbekanntes, uncharismatische Duo konnte sich durchsetzen – einfach weil der innerparteiliche Widerstand gegen den nicht ausreichend revolutionären Kampfgeist zeigenden Bundesminister Scholz an erster Stelle kam. Die SPD zog Scholz, Giffey & Co. dann lediglich als Wahlkampf-Giveaways aus dem roten Jutebeutel.
Habeck und Scholz sitzen beide auf einem Pulverfass. Sie halten sich nur mit Müh und Not auf dem Sattel von Parteien, die kaum noch im Zaum zu halten sind. Es ist insofern auch nicht zielführend, allzu sehr über beide Rodeo-Cowboys und darüber zu sinnieren, was sie vielleicht meinen und denken – sie können gar nicht anders als den radikalen Sehnsüchten der Basis nachzugeben. Und das dürfte der FDP zum Verhängnis werden.
Rot und Grün können in der Welle der Wahl und der Hoffnung auf einen neuen „Klimakanzler“ Koalitionsverhandlungen mit der FDP schmieden und einige oberflächliche, einfache Zugeständnisse machen – offenbar verzichten die Grünen jetzt etwa auf das Tempolimit. Koalitionsverträge haben ohnehin keine wirkliche Geltungskraft, dieser dürfte dann aber nicht mal das Papier wert sein, auf dem er geschrieben steht.
Bei den kleinsten Kratzern und Krisen, bei den kleinsten Wahlverlusten, bei der nächsten Umweltkatastrophe, die natürlich sofort zur Folge des Klimawandels erklärt werden wird: Sofort haben Scholz und Habeck die Basis im Nacken.
Im Schatten des Ramelow
Aktuell sind 18 von 69 Sitzen im Bundesrat mit Vertretern von Landesregierungen besetzt, in denen die CDU nicht mitregiert. Entscheidet Rot-Grün die nächsten Wahlen für sich, kann man eine Mehrheit im Bundesrat ohne die Union bilden. Und auch wenn es nicht für die Mehrheit reicht: Da die Verhandlung über die Positionen im Bundesrat in jeder Regierung individuell geführt werden, kann die Union ohnehin nicht flächendeckend eine Blockade durchsetzen. Zunehmend vieles hängt mit abnehmendem Einfluss der Union dann an der Linkspartei. An vier der Regierungen ohne die Union wäre die Partei dann beteiligt (inklusive Mecklenburg-Vorpommern und Berlin).
Dann wird die Ampel-Koalition endgültig zur Tortur für die FDP. Ständig wird nachverhandelt, allerdings nicht mit der Führung der CDU, sondern mit Ramelow und Lederer – SPD und Grüne können ihre linken Anliegen dann durchsetzen mit Verweis auf die Forderungen der Linkspartei. Und dann wird man sich leider nicht an den Koalitionsvertrag halten können. Sorry, liebe FDP, uns sind die Hände gebunden.
Für größere Reformprojekte der FDP ist in dieser Gemengelage kein Platz. 49 Jusos sitzen in der neuen SPD-Fraktion, die Partei ist deutlich jünger und linker geworden. Bei „neoliberalen Kompromissen“ werden viele ohnehin nicht mitziehen und aus der Koalitionsdisziplin ausbrechen. Die Jusos alleine könnten jede Ampel-Mehrheit aufheben.
Die FDP kann in einer solchen Koalition nie aktiv werden, denn all ihre Projekte werden in diesem Spießrutenlauf aus Parteilinken von SPD und Grünen, unkontrollierbaren Fraktionen, Linkspartei und Union im Bundesrat zusammenbrechen. Die FDP wird lediglich selbst als Bremse wirken können, die ihrerseits linke Projekte aufhalten kann. Höhere Erwartungen stellt die Partei ja ohnehin nicht. Die einzigen substanziellen Bedingungen, die Lindner stellt, sind: keine Steuererhöhungen, kein Aufweichen der Schuldenbremse.
Regieren um des Blockierens Willen ist allerdings ein widersinniges Konzept. Denn blockiert sind die Projekte von Rot-Grün ohnehin mangels Bundestagsmehrheit. Dafür braucht die FDP nicht in eine Regierung einzutreten.
Die FDP wäre bei einer Ampel gar nicht wirklich Teil der Koalition, sondern eher ein mit Ministerposten eingekaufter Stimmenbeschaffer. An der inhaltlichen Vision wird die Partei abseits von Nonsens-Themen wie „Digitalisierung“ oder Cannabis-Legalisierung nicht beteiligt werden. Selbst wenn Scholz es wollte – er kann nicht. Die Linkspartei wird stattdessen Schattenkoalitionspartner und Bande im doppelten Spiel von Rot-Grün.
Ob die FDP tatsächlich diesen verhängnisvollen Schritt zur Ampel gehen wird, bleibt offen, sie hat oft genug bewiesen, dass sie zu so etwas fähig ist. Ihr Schicksal würde sich wiederholen. Es wäre eine Selbstvernichtung im Einklang mit der Parteitradition, ritueller Selbstmord einer Splitterpartei. Und Lindner würde den letzten Beweis erbringen: Die neue FDP ist die alte nur in Pink.