Tichys Einblick
Keine gute Idee

Scholz beim Bauern: „Das ist großartig, ich wechsle den Beruf “

Olaf Scholz gab sich bei einem Besuch besonders begeistert von der Arbeit der Bauern und stellte scherzhaft einen Berufswechsel in Aussicht. Das wäre keine gute Idee.

Olaf Scholz, 21.08.2022

IMAGO / Christian Spicker

Nach seinem schmachvollen Auftritt in Hamburg vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss benötigte Kanzler Scholz vor seinem Trip nach Kanada womöglich noch ein schönes Erlebnis, geeignet zur Besänftigung der Gemüter. Was könnte noch schnell passen? Irgendwas mit Bauern, Landwirtschaft; also besichtigte er die Agrargenossenschaft AGT Trebbin. Vorteil: Die liegt nicht weit von seinem Wohnort Potsdam, um die Ecke in Brandenburg, also noch schnell erreichbar.

Die großen Landmaschinen hätten es dem Kanzler angetan, konnten die staatstragenden Medien vermelden. »Das ist großartig, ich wechsle den Beruf«, zitiert die dpa Scholzens warme Worte, als er auf einem Trecker saß. Bei näherer Betrachtung ist das allerdings keine so gute Idee – der Landmann muss sich sehr genau erinnern können an die Ernten der vergangenen Jahre zum Beispiel. Kaum ein Boden gleicht dem anderen, ja sogar auf großen Flächen unterscheiden sich die Eigenschaften bereits auf wenigen Hektar. Eher schlecht, da etwas zu verwechseln oder sich nicht erinnern zu können.

Äußerst misslich auch, wenn der Landwirt vergisst, welche Eigenschaften jene 2.200 Sorten Mais haben, aus denen er die passende Sorte wählen muss, die er auf seinem Acker anbauen will. Einmal vor der Aussaat die für die Eigenschaften seines Ackers falsche Sorte gewählt – schon sind Ertrag und damit Gewinn dahin.

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Er könnte den zahlreichen Kolleginnen in seinen Koalitionsfraktionen von seinem Traktorerlebnis erzählen und sie auffordern, den Maschinenbauingenieuren in der Landmaschinentechnik gegenüber dankbar zu sein. Denn erst die Mechanisierung der Landwirtschaft hat dazu geführt, dass ein Landmann mit seiner Arbeit heute um die 140 Menschen mit Lebensmitteln versorgen kann. Um 1900 waren es nur drei. Noch in den 1950er Jahren hätten sie kräftig auf dem Acker mithelfen müssen, anstelle politischen Unsinn daherzureden; im Frühjahr bei Feldbestellung und Unkraut zupfen, im Mai und Juni beim Käfer einsammeln, die die Frucht wegzufressen drohen, und später bei der Ernte und beim Kartoffel klauben. In sengender Sonne – die gab’s auch früher – eine harte Arbeit.

Die nehmen heute jene Landmaschinen-Hightechmonster ab, die GPS-gesteuert präzise ihre Bahnen über die Äcker ziehen, dabei nur noch so viel Saatgut und Dünger beispielsweise verwenden, wie der Boden an den verschiedenen Stellen tatsächlich verträgt. Grundlage sind Daten, die der Mähdrescher liefert. Sensoren in der Maschine messen kontinuierlich, wie viel geerntet wird, das GPS-System speichert den genauen Ort. Ertragskartierung nennen das die Techniker. Hier würde Technik dem mangelnden Erinnerungsvermögen von Scholz helfen.

Mit Sicherheit würde er sich jedoch nicht mehr an die große Kulturleistung der Vorfahren erinnern, das Land urbar gemacht und hochwertige Ackerflächen aufgebaut zu haben. Die wird gerade durch grüne Landwirtschaftspolitik gründlich zerstört. Vor allem eine EU unter dem linksradikalen Kommissar Timmermans will zudem, dass die Anbauflächen immer weniger und damit Lebensmittel verknappt werden. Das in einem Europa, das zu den weltweiten Standorten zählt, in denen gute Anbaubedingungen vorherrschen. Auch das kann man leicht vergessen.

Alzheimer-Erscheinungen sind auch eher eine ungünstige Eigenschaft für Tierhalter. Wenn der Bauer in seinen Kuhstall geht, sieht er es einem Tier sofort an, ob es sich wohl fühlt und ob es gesund ist. Denn nur dann gibt die Kuh Milch.

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Es ist auch nicht damit getan, den Stall mit Robotern technisch hochzurüsten, die die Kühe automatisch melken und die sogar die Bewegungen der Tiere aufzeichnen, damit der Landwirt an deren Gangmustern etwa erkennen kann, ob alles in Ordnung ist. Entscheidend ist die Anwesenheit des Menschen im Stall. Würde sich ein Scholz auch nicht mehr an die Tiere erinnern können, so tun es umgekehrt die Tiere sehr wohl. Die Anwesenheit von vertrauten Menschen lässt die Kühe auch eine merkbar bessere Milchqualität liefern.

Ganz schlecht erscheint der Satz von Scholz »ich wechsle den Beruf« auch im Hinblick auf die Dokumentationspflichten, die ein Landwirt heute zu erfüllen hat. Die Vielzahl an Dokumentationsvorschriften, mit denen ein wildgewordener Staat die Bauern traktiert, sind mittlerweile existenzgefährdend. Olaf Scholz würde mehr Zeit hinter dem Computer als auf dem Traktorsitz verbringen, um auf die Kommastelle genau aufzuschreiben, welche Düngemengen oder Pflanzenschutzmittel wohin ausgebracht wurden. Aber dazu müsste er sich erst einmal erinnern können, was er denn tagsüber getan hat.


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