Man muss es noch einmal betonen: Vor 500 Jahren begannen in Deutschland die Bauernkriege. Nun sind nicht alle Jubiläen gleichzeitig Parallelen. Aber ein paar feine Übereinstimmungen kann man schon festmachen. So hat die Geschichtswissenschaft in den letzten Jahren vermehrt die Sichtweise übernommen, dass es sich weniger um einen Aufstand der Bauern, denn vielmehr einen Aufstand des „gemeinen Mannes“ gehalten hat. Das heißt: eben jene Schicht, die sich nicht in der Herrschaft vertreten sah. Dazu zählten auch Handwerker und sogar Teile des städtischen Bürgertums.
Dass die Bauernproteste nicht nur von der Sympathie des „Gemeinen Volkes“ getragen werden, sondern mittlerweile genau jene heute dem Mittelstand zuzurechnenden Vertreter mit den Bauern auf die Straße gehen, dürfte den Nachfolgern der damaligen Fürsten womöglich Unbehagen bereiten.
Robert Habeck hat mit seinem jüngsten Video unter Beweis gestellt, dass die Nervosität steigt. Cem Özdemir durfte sich gestern einem Spießroutenlauf unterziehen, dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer kündigten die Bauern lautstark die Treue auf. Zuvor hatte schon Friedrich Merz um die Landwirte auf so spröde Art und Weise geworben, dass er höchstens als verhinderter Bauernführer mit dem Beinamen „Friedrich, der Zahnlose“ in die Geschichte eingehen könnte.
Eine ehrenhafte Erwähnung verdient auch Genossin Saskia Esken, ihres Zeichens SPD-Co-Vorsitzende und damit spirituelle Galionsfigur der Bauern- und Arbeiterbewegung (wenn man letzterer derlei zumuten will). Die beharrte darauf, dass der Agrardiesel wegmuss und stellte die Frage, ob man mit solchen Aktionen wie den Bauernrpotesten eigentlich noch die „Sympathie der Bevölkerung“ besitze.
Kein Witz: Das tut die Frau, die einer Partei vorsteht, die bei 16 Prozent in diesem Land herumkrebst und deren Koalition nicht einmal ein Drittel der Bevölkerung wiederhaben will. Da nimmt sich die Unterstützung für die Bauern in Deutschland doch etwas größer aus.
Nun die nächste Episode. In Cottbus hatte die Presse mit Spannung das mögliche Treffen des Bundeskanzlers mit dem dortigen Bauernprotest erwartet. Olaf Scholz reiste zur Eröffnung eines ICE-Bahnwerks an. Die Medien gingen davon aus, dass es zu einer Begegnung kommen würde. Die Polizei riegelte jedoch das Gelände ab. Der Aufruf der Demonstranten, der Kanzler solle zur Veranstaltung kommen, blieb unerhört. Bauern-Präsident Henrik Wendorff durfte kurz mit Scholz reden, wie er den anderen Landwirten vermeldete. Inhalt: Der Kanzler wolle den Dialog anbieten. Aber wieso dann eigentlich nicht sofort vor Ort? Die Traktoren fuhren ab, der Kanzler ließ sich nicht blicken. Mediävisten würden wohl schreiben: Der König türmte.
Nach Friedrich dem Zahnlosen, Cem dem Getrillerten, Michael dem Ausgebuhten und Saskia der Unverständigen nun also: Olaf der Flüchtige. Fürsten haben wir in Deutschland keine mehr, dafür aber immer noch schicke Beinamen.