Tichys Einblick
Nur bedingt Wechselstimmung

Sahra Wagenknecht ist in den Mühen der Ebenen angelangt

Die Wagenknecht-Partei BSW schließt eine Zusammenarbeit mit den Grünen aus. Der Aufbau einer neuen Partei zeigt sich indes schwerer als erwartet, zumal das große Überlaufen von Abgeordneten in den Landtagen bisher ausbleibt.

IMAGO / Rainer Unkel

Eine schöne Frage für „Wer wird Millionär?“ oder „Wer weiß denn sowas?“: Was sind Archistasia, Philosophelli, ozde_lala und biohazard_saarland? Es sind weder Codes noch Technobands oder Softdrink-Marken, sondern Nutzer, die Sahra Wagenknecht online Fragen gestellt haben. In ihrem YouTube-Format „Bessere Zeiten / Wagenknechts Wochenschau“ ging die Parteigründerin auf deren Fragen ein.

Die ersten ausgesuchten Fragen handelten davon, ob ihre Unterstützer Wagenknecht schon Geld spenden können? Die gute Nachricht: Sie können, dürfen, ja, sie sollen regelrecht geben, denn Wagenknechts neue Partei braucht das Geld. Deswegen hat sie bequeme Zahlungswege einrichten lassen. Etwa über Paypal. Zumindest, wenn es um das eigene Parteikonto geht, scheint die einstige Chefin der Kommunistischen Plattform mit dem Kapitalismus versöhnt zu sein.

Parteigründung
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Mit der Parteigründung ist Wagenknecht in den Mühen der Ebenen angelangt. Das beginnt schon mit der Namenssuche: Den Vorgängerverein gegründet haben Freunde als „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit“. Dann outete sich Wagenknecht als eigentliche Gründerin. Das Kürzel BSW stehe für Bündnis Sahra Wagenknecht. Der Name solle den Wählern klarmachen, wen sie da wählen sollen.

Nun sucht die Namensgeberin nach eigenen Angaben einen neuen zweiten Namensteil hinter dem „BSW“. Beide Teile sollen dann eine Zeit lang zusammen für die neue Partei stehen. Irgendwann soll aber auch BSW als Teil des Namens ganz wegfallen. Dann trägt die Partei den noch zu suchenden Namen. Vier Namensänderungen stehen schon fest, da ist die Partei noch nicht einmal gegründet. Das ist selbst für linke Verhältnisse viel. Wagenknecht gründet zwar eine neue Partei – doch alles ganz neu machen, wie es sich ihre Anhänger versprochen haben, schafft die Frau von Oskar Lafontaine dann doch nicht.

Entsprechend kühlen auch die Umfragewerte für BSW ab. So hat die „Forschungsgruppe Wahlen“ Bürger für das ZDF-Politbarometer befragt, ob sie die Wagenknecht-Partei wählen wollen. Drei Prozent sagten laut ZDF „auf jeden Fall“ und zehn Prozent, sie wollten die Partei „wahrscheinlich“ wählen. 22 Prozent sagen „wahrscheinlich nicht“ und 57 Prozent „auf keinen Fall“. Das heißt: BSW kann sich demnach auf einen harten Kern von drei Prozent verlassen und nach einer idealen Mobilisierung Ergebnisse zwischen 10 und 15 Prozent erreichen. Strukturell steht das BSW im Parteiensystem also dort, wo sich auch ihre alte Partei „Die Linke“ bewegt hat. Nur dass BSW derzeit noch Rückenwind genießt, während die Linke vor aller Augen zerfällt.

Bundestag
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Nach den Ergebnissen der Forschungsgruppe Wahlen rekrutiert Wagenknecht ihre Wähler am stärksten aus dem Umfeld ihrer alten Partei, der Linken, und erst dann aus dem Umfeld der AfD. Immun gegenüber Wagenknecht sind demnach die Wähler der Union und der Grünen. Einerseits dürfte das nicht verwundern, erklärt Wagenknecht doch die Grünen zur „derzeit gefährlichsten“ Partei. Andererseits mag die Gründerin auf Friedensbewegte gehofft haben, die in Folge des Ukraine-Kriegs den Grünen den Rücken zukehren.

Eine Umfrage der Bertelsmann-Tochter RTL dürfte Wagenknecht noch weniger gefallen haben. Demzufolge trauen mehr als die Hälfte der Befragten dem BSW nicht zu, sich dauerhaft zu etablieren. Wobei ihr eher die Ostdeutschen eine längere Zukunft zutrauen. 72 Prozent der Befragten trauen laut RTL Wagenknecht nicht zu, „mit den vielfältigen Problemen in Deutschland fertig zu werden“.

Eine Fluchtwelle von linken Mandatsträgern zum BSW ist bisher auch nicht zu erkennen. Wie die Schweriner und die Leipziger Volkszeitung berichteten, sind in den Landtagen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen bisher keine Abgeordneten übergetreten. Auch in Brandenburg gebe es keine entsprechenden Bewegungen, meldet die Märkische Allgemeine. Laut Leipziger Volkszeitung habe es bisher in Zwickau lediglich Wechsel auf Stadtebene gegeben. Derzeit gibt es also lediglich im Bundestag eine größere Gruppe erfahrener Politiker, die für Wagenknecht antreten.

Lim- und Lauterbach
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Entsprechend anstrengend dürfte für das BSW die Gründung von Landesverbänden werden. Das werde schrittweise passieren, kündigt Wagenknecht auf YouTube an. Wobei zuerst diejenigen Länder drankommen, in denen es im nächsten Jahr Wahlen gibt: Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Die Gründerin deutet an, dass es nicht einfach sei, ausreichend Personal für die verschiedenen Posten in den Landesverbänden zu finden – zumindest, wenn es qualifiziertes Personal sein soll. Auch bei der Aufnahme einfacher Mitglieder kündigt Wagenknecht an, dass der Eintritt zwar grundsätzlich offenstehe. Die neue Partei aber erst einmal prüfen wolle, ob die Antragssteller auch wirklich hinter den Zielen des BSW stünden.

Interessant würde es, wenn die Wagenknecht-Partei in Thüringen in den Landtag einzieht. Dort findet die Linke mit SPD und Grünen zusammen schon keine Mehrheit, ist auf die Unterstützung der linken Regierung durch die CDU angewiesen. Mit der Wagenknecht-Partei würde es noch komplizierter. Denn deren Namensgeberin will nicht mit den Grünen zusammengehen: „So wie die Grünen heute Politik machen, ist eine Koalition ausgeschlossen.“

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