Tichys Einblick
Zwischen allen Stühlen:

Scheitert Michael Kretschmers Wahlkampfstrategie in Sachsen?

Knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl in Sachsen liegt die AfD in der von Insa gemessenen Wählergunst weiter vor der CDU, das BSW kommt auf 15 Prozent. Die Ampel-Parteien stehen an beziehungsweise unter der 5-Prozent-Markierung.

picture alliance/dpa | Robert Michael

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer wirkt im Wahlkampf zuweilen wie ein trauriger Marathonläufer, der einsam seinen Lauf gegen den Rest der Welt bestreitet. Sollte die gerade von Insa erhobene Wahlumfrage sich bestätigen, dann käme, würde jetzt gewählt, die AfD auf 32 Prozent, die CDU auf 29 Prozent der Stimmen. In der letzten Umfrage lag die CDU noch bei 34 Prozent und die AfD bei 30 Prozent. Drittstärkste Kraft wäre nun Sahra Wagenknechts BSW mit 15 Prozent. Grüne und SPD, Kretschmers Koalitionäre, müssten um ihre Landtagsmandate bangen, denn sie erreichen in der Umfrage 5 Prozent, wie übrigens auch die vom BSW pulverisierte Linke. Die Freien Wähler kommen auf 4 Prozent, die FDP nur noch auf 2 Prozent.

Ob das wirklich schon der Weisheit letzter Schluss ist, wird man in gut zwei Wochen wissen. Stimmen aus dem Bundesland meinen, dass sich der Abstand zwischen AfD und CDU noch vergrößern könnte, besonders durch diejenigen, die sich in Umfragen nicht festlegen wollen oder aus der Gründen Vielerlei eine andere Präferenz vorgeben, als sie am Ende wählen. Andere hingegen meinen, dass es Michael Kretschmer noch gedreht bekommt. Seinem grünen Koalitionspartner warf Kretschmer schon mal „ideologische Scheuklappen“ beim Thema Energiewende vor. „Bei den Grünen geht es nicht darum, was vernünftig ist, was ökonomisch richtig ist. Es geht nur ums Parteiprogramm“, sagte er bei einer Debatte der Spitzenkandidaten zur Landtagswahl in Dresden. Die Energiewende sei gescheitert.

Man fragt sich nur, weshalb er dann mit den Grünen nicht nur regiert, sondern ihnen auch wichtige Kompetenzen, wie die für Europa und für die politische Bildung abgetreten hatte. Auch gegen die AfD und das BSW teilt Kretschmer kräftig aus, aber eine Koalition mit dem BSW schließt er nicht aus. Letztlich liegen die Positionen zur Ukraine zwischen CDU und BSW nicht weit auseinander.

Deutschland taumelt nicht mehr, sondern stürzt mittlerweile in eine in großen Teilen selbstverschuldete Krise, die existentielle Züge annimmt. Nötig ist, dass ausgehend von den Interessen der deutschen Bürger wieder eine „Germany first“-Politik betrieben wird, die klug den Veränderungen in der Welt Rechnung trägt und nicht ideologisch definiert und technokratisch exekutiert wird. Es wäre verfehlt, von der Landespolitik zu fordern, was Aufgabe der Bundespolitik ist, doch entscheiden über den Bundesrat und über die Funktionäre in der Partei die Länder doch mit. Es geht nicht um einzelne populäre oder auch populistische Akzente, sondern notwendig ist ein grundsätzlicher Politikwechsel. Die Bürger wollen keine platte Rhetorik, keine wohlfeilen Bekenntnisse und keine kraftmeiernden Beschimpfungen mehr hören, sondern substanzielle Aussagen, wie die Krise zu meistern und der Wohlstand zu sichern ist.

Michael Kretschmer, der häufig so wirkt, als habe er wie Atlas den ganzen Wahlkampf geschultert, droht, sich zu verzetteln, auf der Strecke kurzatmig zu werden. Vor allem scheint er mit seiner eigenen Wahlkampfstrategie zu hadern, wenn er denn eine gehabt hatte und nicht nur eine Ansammlung von Wahlkamptaktiken in der Brotbüchse mit sich führte.

Regieren kann er nach der Insa-Umfrage nur mit der AfD oder mit dem BSW, ob noch eine Handvoll SPD-Abgeordnete die Mehrheit etwas weniger knapp machen, ist ungewiss. Stabile Mehrheiten brächten nur eine AfD-CDU-Koalition oder eine AfD-BSW-Koalition. Bis jetzt noch.

Eine andere Insa-Umfrage hat ergeben, dass womöglich auch die Werteunion die 5-Prozent-Hürde erreicht. Besonders CDU, aber auch FDP und AfD könnten an die Werteunion Stimmen verlieren. In der Pressemittteilung der Werteunion zu dieser Insa-Umfrage heißt es: „Laut INSA lässt sich daraus ableiten, dass sich bei den sächsischen Landtagswahlen mit mindestens 5 Prozent für die WerteUnion rechnen lässt – und somit der Einzug in den Landtag greifbar wird.“ Der Spitzenkandidat der sächsischen Werteunion, Heiko Petzoldt, kommentierte die Umfrage mit den Worten: „Wir stehen dafür, die liberal-konservativen Kräfte im Land gegen den prognostizierten Linksruck aus BSW und CDU zu bündeln. Wir von der WerteUnion kennen keine Brandmauern und würden auch mit der AfD zusammenarbeiten. Mit diesem Bekenntnis zur Offenheit und Demokratie treffen wir offenbar bei einigen Bürgern einen Nerv.“

Die nächsten 14 Tage werden entscheidend sein, vieles ist noch möglich. Gewissheit bringt erst der 1. September 2024. Doch eines steht jetzt schon fest: Das Versagen der Brandmauerparteien nährt den Wunsch nach Veränderung. Nach den Wahlen im Osten wird sich die politische Auseinandersetzung verschärfen. Die Republik nähert sich einer Gesellschaftskrise, die sich zu einer Staatskrise ausweiten kann, wenn sich der Riss zwischen immer mehr Bürgern und den Brandmauerparteien, zwischen Bürgern und dem Establishment, vertieft und verbreitert.

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