Tichys Einblick
Ein Dorf sagt nein

In Sachsen wollen sie keine Wärmepumpen – noch nicht einmal umsonst

Solaranlagen und Wärmepumpen völlig kostenlos und für alle: So lautet das Angebot an eine kleine Gemeinde ganz in der Nähe von Dresden. Doch die Anwohner lehnen dankend ab. Es ist ein kleines Lehrstück darüber, wie Politiker von einer Energiewende träumen – und an der Realität scheitern.

Symbolbild

picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg

Neukirchen ist einer von neun Ortsteilen der netten Gemeinde Reinsberg. Die liegt etwa 35 Kilometer westlich der Landeshauptstadt Dresden, im Landkreis Mittelsachsen. Etwa 800 Menschen leben hier – mal ein paar mehr, mal ein paar weniger. Es gibt eine alte Kirche aus dem 15. Jahrhundert, eine alte Mühle, eine alte Baumgruppe, ein ehemaliges Rittergut, einen Pferdesportverein.

Ostdeutschlands ländlicher Raum.

In der fernen, großen Metropole Berlin hat die Ampelregierung große Ziele – auch für den ländlichen Raum. Bis zum Jahr 2030 sollen erneuerbare Energieträger 80 Prozent des gesamten Stroms liefern. Dazu sollen im Land jährlich 500.000 Wärmepumpen installiert werden. Bezahlen sollen das die Hauseigentümer.

Die sträuben sich aber immer mehr, weil sich immer mehr herumspricht, dass das sehr teuer ist. Eine Umfrage des Energieversorgers Vattenfall hat 2023 ergeben, dass 58 Prozent der Hauseigentümer definitiv keine Wärmepumpe anschaffen wollen. 69 Prozent von ihnen nannten die hohen Anschaffungskosten als wichtigsten Grund. Wenig verwunderlich, bricht der Absatz an Wärmepumpen ein. Im Mai hat der erste Hersteller für seine Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet. Begründung: „Es fehlt für Wärmepumpen einfach der Markt.“

Auf eine vermeintlich clevere Marketing-Idee sind nach einem Bericht der „Berliner Zeitung“ nun die Landwerke Mittelsachsen gekommen. Hinter denen steckt das Unternehmen „Ansvar 2030“. Dessen Geschäftsmodell besteht laut Selbstauskunft darin, Städten und Kommunen bei der Entwicklung von „handlungsorientierten Klimamasterplänen“ zu helfen. Um nicht gar so grün daherzukommen (was in Mittelsachsen nur begrenzt populär wäre), behauptet die Firma auf ihrer Internetseite forsch: „Wir sind konservativ.“ Begründet wird das dann allerdings mit der Aussage, dass der Klimawandel den Status quo bedrohe und man deshalb entschiedener gegen ihn vorgehen müsse.

Jedenfalls haben die Landwerke Mittelsachsen ein Konzept ersonnen, um Widerstände gegen die Energiewende zu überwinden: In Neukirchen sollen alle Einwohner Wärmepumpen und Solaranlagen einfach kostenlos bekommen. Die Finanzierung sei kein Problem, sagt die Firma, es gebe genug Fördergelder und Investoren.

Das ist der Plan: Alle Neukirchener bekommen auf ihren Ackerflächen und Dächern Solaranlagen und in den Häusern Wärmepumpen – völlig kostenlos, auch Installationskosten fallen für sie nicht an. Den Strom müssen sie natürlich weiter selbst bezahlen. Aber der würde dann billiger, verspricht die Firma. Warum, bleibt einstweilen ihr Geheimnis.

Es ist nicht die einzige offene Frage. Was, zum Beispiel, hat das Unternehmen davon? Für die Firma sei es günstiger, gleich ein ganzes Dorf auszustatten, als jedes Haus einzeln nach und nach umzurüsten, heißt es aus der Zentrale. Langfristig würden die Landwerke Mittelsachsen so neue Stromkunden gewinnen. Es sei eine Art kostenfreies Leasinggeschäft, „um die Energiewende voranzutreiben“. Und das ist ja der politische Code für: „um die Welt zu retten“.

Doch die Neukirchener verspüren so überhaupt keinen Drang, die Welt zu retten.

Nüchtern, wie viele auf dem Land nun einmal sind, hegen die Menschen hier erstens gewisse Zweifel daran, dass Wärmepumpen in Mittelsachsen den Zustand des Planeten irgendwie beeinflussen. Zweitens sind sie sich gar nicht sicher, dass die Welt überhaupt gerettet werden muss. Und drittens hat man hier über viele Jahrhunderte und noch viel mehr Generationen hinweg die Einsicht gewonnen, dass man seine Lebensmittel lieber selbst anbaut, statt Ackerflächen mit Solaranlagen zuzustellen und das Essen dann teuer anderswo einzukaufen.

Zum sogenannten „Bürgerdialog“ mit den Landwerken kamen nur 50 der 800 Einwohner. Die, die kamen, waren allesamt höchst kritisch. Sie hatten Einwände, die man in Berlin kennt, aber beharrlich ignoriert: zum Beispiel, dass durch die Solaranlagen Ackerflächen verschwinden. Auch dem Leasingkonzept können die Menschen im Dorf nichts Gutes abgewinnen. Es bedeutet ja, dass die Wärmepumpen im Keller und die Solaranlage auf dem Dach den Hausbesitzer zwar nichts gekostet haben, ihm aber auch nicht gehören. „Warum genau sollte ich eine fremde Anlage auf mein Haus bauen lassen, über die ich kaum Kontrolle habe?“, fragt ein Betroffener. Wenn er sich mit eigenem Geld eine Anlage selbst kaufe, könnte er hinterher zumindest den überschüssigen Strom auch selbst wieder verkaufen.

Dass ein paar Dörfler so viel Realismus an den Tag legen und dann auch noch rechnen können – das haben die Landwerke Mittelsachsen offenbar gar nicht erwartet. Das verbindet sie mit ihren politischen Schutzpatronen in Berlin.

Die können das auch gar nicht glauben.

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