Tichys Einblick

Saarland-Wahl: SPD-Triumph, CDU-Desaster

Es kam, wie es kommen musste. Doch dass es so eindeutig ist, das ist ein absolutes Desaster für die Merz-CDU. Ein Erdrutsch ohne Beispiel.

IMAGO / BeckerBredel

Die Saar-Union bekam nicht nur null Unterstützung aus Berlin. Nein, die Leute (besser: Merkels Altlasten) rund um Merz und die Bundespartei gaben die Wahl bereits Anfang letzter Woche nahezu öffentlich in einer Schaltkonferenz verloren. Die oft verspottete Annegret Kramp-Karrenbauer hatte die schlechten Umfragen 2017 noch kurz vor dem Wahltermin gedreht. Merz und Co haben sich also selbst in der Saar versenkt. Solche Wahl-„Kämpfer“ verdienen nichts anderes. Der Beginn einer Serie?

+++Aktuelle Zahlen+++
Vorläufiges Ergebnis im Saarland: Grüne verpassen Einzug in den Landtag - um 23 Stimmen
Der erste der drei Merkel-Claqueure, die dieses Jahr zur Landtagswahl antreten, wurde in die Wüste geschickt. Für Tobias Hans ist es wohl besonders bitter, denn er kann jetzt, wie die Saarländer seit Wochen spotten, das nach seinem Landsmann benannte Hartz 4 beantragen. Der Mann hat schlichtweg keinen Beruf. Für den ewigen Studenten gibt’s also keine ewige Polit-Karriere, wie es sie „der Oskar“ oder der legendäre einstige CDU-Landesvater Franz Josef Röder hatten. Letzterer war von 1959 bis zu seinem Tod 1979 Ministerpräsident. Das war noch CDU!

Für die Union ist das Ergebnis eine bundesweite Katastrophe. Das Saarland ist zwar klein, stellt jedoch einen idealen Querschnitt der Bevölkerung dar. Ein bodenständiges Flächenland mit weiten Verkehrswegen und höchster deutscher Eigenheimquote. Hier wird das Erbe (Flüchtlinge, Klima, Energiepolitik), das die Merkel-CDU der Ampel hinterlassen hat, als größtmögliche Katastrophe empfunden. Dafür gab’s die Quittung.

„Statt dem Talkshow-Schwätzer dann doch lieber die Kugelstoßerin,“ so ein Taxifahrer am Wochenende, der angab, immer bekennender CDU-Wähler gewesen zu sein. Doch die neue erste Frau an der Saar, Mutter eines Sohnes und katholisch, ist mehr als eine Rekord-Sportlerin, darin hat sich die CDU des Studienabbrechers gründlich geirrt: gestandene Rechtsanwältin und erfolgreiche Wirtschaftsministerin. Die einst beliebten CDU-Minister Altmaier und AKK gelten inzwischen als Versager und Altlasten, „den Heiko von der SPD“ hat hier ohnehin nie jemand groß ernst genommen.

Erdrutsch an der Saar
Saarland: Anke Rehlinger (SPD) löst Merkelianer Tobias Hans (CDU) als Ministerpräsidenten ab
Das Saarland („Hauptsach gudd gess !“) wählt (auch) nach Lebensart, das war das Geheimnis von Oskar Lafontaine in dem Struktur-konservativen Land. Er oder Röder tingelten am Wochenende von Volksfest zu Volksfest und dokumentierten das Motto des Minilandes: „Isch kenn ähner, der ähner kennt“. Im „Reich“, wie die Saarländer alles ost- und nordwärts nennen, heißt das übersetzt: „Ich kenne jemand, der jemanden kennt“. „Et Annegret“ Kramp-Karrenbauer brillierte regelmäßig als „Putzfrau Gretel“ bei der Fastnacht. Einer wie Hans, der auf Volksfesten Cuppuccino mit Hafermilch bestellt, hat da null Chance. Gegen die Sportlerin Rehlinger („Et Anke“) wirkt „der Herr Hans“ wie ein Weichei.

Peinlich seine Verzweiflungs-Auftritte der letzten Tage, mit dem Rücken zur Wand. In den Umfragen bahnte sich bereits die Niederlage unaufhaltsam an. Er betritt eine Bäckerei, erkundigt sich leutselig nach den Sorgen („endlich mehr als drei Leute und ohne Masken-Theater im Laden!“) und merkt dann erst, dass sein Tross im fraglichen Geschäft aus Dutzenden von Leuten besteht. Oder seine populistische Benzinpreis-Wutrede ins eigene Handy an einer Tankstelle, bei der im Hintergrund seine dicken Dienst-Limousinen zu erkennen sind. Tödlich! Laschets Lachen lässt grüßen. CDU und Volk haben sich aus den Augen verloren. Nur in Berlin hat man es noch nicht gemerkt.

Tobias Hans fehlt das Wichtigste, was man im Saarland braucht: Er ist „kähner von uns“. Es reicht nicht, Sohn eines erfolgreichen CDU-Politikers zu sein, wenn man als Hypothek Merkel-Gefolgschaft und Lebens-Fremdheit symbolisiert. Bis ins Lager von Wirtschaft und Handwerk sagten mir in den letzten Tagen quasi hundert Prozent der Befragten: „Erstmals im Leben SPD!“

Und genau das ist auch das Problem der Bundes-CDU: Wo sind die klassischen Berufe, wo die Verankerung der Funktionäre im wahren Leben? Da ist kaum ein Unterschied zu der Sozialdemokratie von Kevin und Nils oder der Lindner-FDP. Anke Rehlinger wirkte im Wahlkampf wie die Amtsinhaberin, Tobias Hans hechelte wie ein abgeschlagener Herausforderer hinterher.

Man darf also gespannt sein auf die nächsten (Ab-)Wahlen in Kiel und Düsseldorf, wo es um die CDU-Ministerpräsidenten geht, die entweder als Merkels Liebling (Günther) oder als Ahrflut- und Autobahnbrücken-Versager (Wüst) gelten. Wie der Saarländer Hans („ich will ein modernes, offenes Saarland“) haben sie ein Hauptproblem: Sie machen eine Politik, um in Berlin zu gefallen. Doch das Volk, dem sie doch angeblich dienen wollen, hat ganz andere Sorgen.

Mit der Großstadt-Ideologie des Adenauer-Hauses können Berufspendler, Familien oder Aldi-Käufer wenig bis nichts anfangen. Insofern ist das Saarland-Desaster ein Weckruf für die ganze Union. Auch Söders CSU ist bekanntlich im Niedergang.

Ach so: Die kleinen Parteien haben sich selbst versenkt. AfD, Grüne und Linke sind heillos zerstritten. Da gewinnt man keinen Blumentopf. Oder schafft eben nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Und ein zentrales Wahlplakat der FDP verkündete in einer Mischung aus Kindergarten und Bildungsnotstand doch tatsächlich: „Ein Land will neu.“ Wer so schreibt, der bleibt nicht! Vor allem nicht an der Saar.

In einer konzertierten Aktion hat man versucht, die Saar-AfD zu ächten, die hier ohnehin nur mit sich selbst beschäftitg war. Das saarländische Monopolblatt brachte noch am Mittwoch ganzseitig, die AfD sei total angeschlagen (Verfassungsschutz, Bundestagsvizepräsident), statt zum Beispiel zu kommentieren, dass es nicht gerade demokratisch, zumindest aber nicht taktisch klug ist, den Blauen wieder keinen Posten im Bundestagspräsidium zu geben.

Eine absolute Mehrheit für Anke Rehlinger und die Saar-SPD, das ist eine politische Sensation, ein Erdrutsch, den so niemand prognostiziert hatte. Zugleich aber eine vernichtende Demütigung für die CDU. Die ersten 100 Tage Friedrich Merz werden von einer Katastrophe „gekrönt“, die alles andere als unverdient ist. Und der Spalter von der Saar, der noch hochmütig in einer seiner zahlreichen Corona-Talkshows meinte, „Ihr Ungeimpften, ihr seid jetzt raus!“ ist nun selber erledigt.

Politik kann auch gerecht sein.


Bestseller-Autor Peter Hahne war von 1972 bis 1985 Mitglied der Chefredaktion des Saarländischen Rundfunks und beobachtete letzte Woche den Wahlkampf-Endspurt

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