„Eklat!“ „Diplomatischer Skandal!“ „Umstrittene Äußerungen!“ „Sorgt für Wirbel!“ „Verharmlost Putins Aggressionspolitik!“ „Außenpolitischer Scherbenhaufen!“ „Treten Sie zurück!“ Die deutsche Presse überschlägt sich immer gerne, wenn ein ranghoher Soldat laut denkt.
Was war geschehen? Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach (56), hat in Indien bei einem “Braintrust“, gekleidet in Uniform und vor offenbar wenigen Zuhörern, laut über sicherheitspolitische Themen nachgedacht. Unter anderem über die Ukraine, Russland und China. Manches von dem, was er sagte, war unbedacht. Das hat er auch unmittelbar danach als Fehler eingeräumt. Einer der Gesprächsteilnehmer hat Schönbachs Äußerungen indes aufgezeichnet und öffentlich gemacht.
Unter anderem hatte Schönbach gesagt: Russland werde die Krim nie mehr an die Ukraine zurückgeben. Putin wolle nicht in die Ukraine einmarschieren, er wolle vom Westen nichts anderes als Respekt. Und China sei alles andere als ein nettes Land. Deshalb müsse der Westen mit Russland zusammen nachdenken, wie man China begegnen könne.
Während China zumindest offiziell bislang nicht reagierte, beschwor die Ukraine über ihren Botschafter in Deutschland und über die Einbestellung der deutschen Botschafterin in Kiew größte diplomatische Verwicklungen herauf. Um freilich zugleich zu bedauern, dass Deutschland der Ukraine keine Waffen liefere.
So weit, so gut? So weit, so schlecht? Manches, was der Vizeadmiral sagte, ist naiv, manches sehr realistisch. Naiv war Schönbach sicher auch, weil er nicht merkte oder nicht wahrnehmen wollte, dass jemand seine Äußerungen mitschnitt. Der Vizeadmiral wurde denn auch umgehend zu Generalinspekteur Zorn, seinem militärischen Vorgesetzten, zum Rapport beordert. Kurze Zeit später erklärte Schönbach öffentlich: „Ich habe soeben die Frau Bundesministerin der Verteidigung gebeten, mich von meinen Aufgaben und Pflichten als Inspekteur der Marine mit sofortiger Wirkung zu entbinden.“
Verteidigungsministerin Lambrecht nahm den Rücktritt Schönbachs denn auch umgehend an. Klar, so wurde ihr eine erste von ihr inszenierte Entlassung erspart. Solche Entlassungen bedürften übrigens nicht einmal einer Begründung. Es reicht, wenn etwa ein Verteidigungsminister, wie wiederholt geschehen, die Entlassung eines Generals, Admirals oder beamteten Staatsekretärs beim Bundespräsidenten beantragt.
Man könnte die Causa „Schönbach“ damit auf sich beruhen lassen. Ein zumindest kommissarischer Nachfolger von Schönbach steht ja mit Konteradmiral Christian Kaack bereits fest. Dennoch zeigt die Causa Schönbach zweierlei:
Erstens will man in Deutschland eine schweigende Generalität. Bloß nicht laut denken, heißt die Vorgabe für die mehr als zweihundert deutschen Generale und Admirale. Dieses Schweigegebot ist – abgesehen von kardinalen Fehlern etwa einer Verteidigungsministerin von der Leyen – mit ein Grund für so manches Desaster der Bundeswehr. Die neue Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), wird mit ihrem Appell denn auch kaum Erfolg haben. Vor wenigen Tagen sagte sie: „Ich persönlich wünsche mir von der Generalität im Ministerium insgesamt deutlich mehr Klarheit und weniger Geschwurbel“, so die FDP-Politikerin im Interview mit der Zeitung Die Welt. Den führenden Offizieren im Bendlerblock warf sie vor, sich im Umgang mit Politikern „Notausgänge offenzuhalten“ und der Führung des Verteidigungsministeriums „nach dem Mund zu reden“.
Zweitens – nur als Frage: Wie kann ein ranghoher deutscher Soldat der Ukraine-Politik der Bundesregierung eigentlich in die Quere kommen oder ihr gar widersprechen, wo eine solche Politik jenseits gewisser Lippenbekenntnisse nahezu nicht erkennbar ist? Ein Vizeadmiral Schönbach dürfte – seine Äußerungen in Indien hin oder her – sicherheitspolitisch und geostrategisch – mehr Ahnung haben als so manche deutsche Außenminister: amtierende und verflossene.