Es ist eine wohlfeile Übung, der Politik – zu Recht – ein Versagen vorzuwerfen, wenn es um Gestaltung, Erhalt und Sicherung der freien und sozialen Marktwirtschaft geht, dem ökonomischen Grundpfeiler auf dem unsere politische Freiheit und demokratische Grundordnung seit 1948 ruht. Die Eliten befinden sich in einem Strudel an bürokratischer Anmaßung des Wissens von der Geldpolitik über die Energiewende, die Bankenregulierung bis zum Gestrüpp des Steuerrechtes und der Gesetzesflut aus Brüssel.
Es lohnt sich aber, über den politischen Tellerrand zu blicken und die Frage zu stellen, ob wir in Deutschland und Europa nicht ein viel breiteres Elitenversagen beobachten müssen, das diesem Abgrund an Planwirtschaft und Wegbereitung in die Knechtschaft erst Raum gegeben hat. Und leider ist es da tatsächlich so, dass die Werteerosion in den Führungsetagen der Konzerne sich als die Planierraupe betätigt, die es der mit der Anmaßung nicht vorhandenen Wissens befallenen Bürokratie überhaupt erst ermöglicht, ihre freiheitsfeindlichen Konzepte, Normen und Verirrungen durchzusetzen.
Aus kleinen Verfehlungen werden dann langsam immer größere, bis sich das Übel seinen Weg an die Oberfläche bahnt und ein wirtschaftliches Desaster erzeugt.
Dann kommen erst eine Phase des Leugnens durch das Management, ein ambivalentes Changieren der Politik und schließlich der Moment, in dem die Feinde der marktwirtschaftlichen Ordnung Ihre Chance erkennen, den jakobinischen Furor als Chefankläger des „Systems“ zu entfesseln. Die Politik flüchtet sich in eine „rette-sich-wer-kann“ Haltung und findet in der freien Wirtschaft im Allgemeinen und der betroffenen Industrie im Besonderen den Sündenbock ihrer Wahl.
Verhängnisvolle Staatsanreize
Das ist der Augenblick, in dem eine „Wende“ verkündet wird (davon verstehen wir etwas in Deutschland) und schuldbewusst dreinschauende Manager in Talkshows antreten, um sich dem Ritual stalinistisch-maoistischer Selbstbezichtigung zu unterwerfen. Es ist dieser Minsky-Moment der Kaufmannsethik, der dann dem Desaster der Planwirtschaft den Weg bereitet. Denn ab hier ist das desavouierte Management nur noch Statist bei der Umsetzung der ideologisierten Ziele links-grüner Bauart, die ihre staatsplanwirtschaftlichen Richtungsvorgaben auch noch ungestraft und allen Ernstes als marktwirtschaftlichen „Strukturwandel“ unters Volk bringen dürfen.
Das konnte man bei der Finanzkrise mustergültig beobachten. Statements der Unterwürfigkeit unter den Primat der Politik in Verbindung mit der Beobachtung, dass „sich kein Politiker mehr mit uns Bankvorständen vor der Kamera zeigen möchte“ werden garniert mit dem Schweigen von Managern, die sehr wohl um das Desaster wissen, in dessen Vorbereitung sie eingebunden sind.
Das Vorbereitungsmuster entsprach übrigens genau dem, was wir jetzt in der Autoindustrie sehen können. Erst schaffte der Staat Anreize zur Selbstbereicherung. Basis dafür ist das Aktienrecht, bei dem man in nachgerade unfassbare Weise die Eigentumsrechte von den Eigentümern abgetrennt und an eine Kaste sich selbst optimierender Manager abgetreten hat. Diese Ursünde wider den Geist der Marktwirtschaft, die sich im Grunde vor allem aus den Rechten am Eigentum definiert und erhebt, ist sozusagen der Mord am Schleusenwärter.
68er Philosophie der Beliebigkeit
Was treibt diese Handlungsweise an? Ich wage die These, dass es eine Werteerosion ist, die sich durch unsere gesamte Führungselite hindurchzieht und die die Manifestation der 68er Philosophie der Beliebigkeit („erlaubt ist was gefällt“) in Verbindung mit der Zielerreichung des Marschs durch die Institutionen (Dutschke) ist. Wo früher Kaufmannsehre, in christlich-jüdischem und aufklärerischem Weltbild wurzelnde Moral und ein Ethos des Dienens und des leistungsgerechten Verdienens herrschte, regiert heute im Namen des vergötzten Ich die ungebremste Gier, die sich von der Leistung emanzipiert hat. Dass die Grenze der eigenen Freiheit in dem Respekt vor dem Rechten der Anderen liegt, wird von dieser Art quasireligiöser Individualismus-Anbetung ausgeblendet. Auch der Umstand, dass dieses Verhalten zum Totengräber der Freiheit wird, findet keine Kenntnisnahme. Wer braucht Freiheit, wenn er reich sein kann und das ohne eigene Leistung und eigenes Risiko?
Die Hochglanzprospekte der „Corporate Social Responsibility“, kurz CSR, sind eben nicht in der Lage, Rückgrat zu ersetzen, wo keines da ist. Die Ethik-Kurse im Rahmen der MBA-Programme nehmen diese Wertebeliebigkeit als gegeben an und hin. Ergebnis: Sie bringen ihren Empfängern wohl eher bei, wie weit sie gehen können, und ab wo sie sich besser nicht mehr erwischen lassen sollten und verschwenden wertvolle Lernkapazität mit Gender Gleichheitsgrundsätzen und feministischen Quotenregeln, die im Multiple Choice Verfahren solange angeklickt werden müssen, bis die politisch korrekte Antwort über den gesunden Menschenverstand gesiegt hat.
Ehrbarer Kaufmann statt Korporatismus
Marktwirtschaft braucht tradierte Werte. Und man kann es nicht oft genug betonen: Das sind die Werte des ehrbaren Kaufmanns, dessen Handschlag etwas gilt, es sind die Werte des Dienens und Verdienens, und es sind die Werte des verfassungspatriotischen Staatsbürgers, der bei aller Selbstoptimierung nicht das Gemeinwohl aus dem Blick verliert. Dieses Gemeinwohl besteht nicht primär in Umverteilung und Sozialstaat, sondern vor allem darin, die Marktwirtschaft, die uns die Möglichkeit gibt, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, vor Missbrauch und Erosion zu schützen. Dann hat Marktwirtschaft auch die Kraft, sozial zu sein.
Man kann jedem Menschen die Freiheit zugestehen, sich seine Werte selbst auszusuchen, aber nicht jeder Wertekanon macht auch eine Gesellschaft erfolgreich. Die Beliebigkeit der Werte kann das nicht. Eine Gesellschaft hat daher nicht die Freiheit, sich ihre Werte beliebig auszusuchen, wenn sie Erfolg und Bestand haben will. Falsche Werte werden vom evolutionären Prozess, dem auch die Gesellschaften unterliegen, aussortiert.
Ergebnis der Verirrung in dieser Beliebigkeit: Manager, die Weltkonzerne führen sollen, stehen wie die begossenen Pudel bei Weltmeisterschaften fürs dumm Rumstehen vor der Kamera, bar jeder Glaubwürdigkeit und haben nicht mehr den Mut, der sich abzeichnenden Planwirtschaft, die als „Wende“ verkauft wird, aber eine sozialistische Halse ist, mehr entgegenzusetzen als ein „Mea Culpa“ und ein „wir bessern uns“. Defectum de ducibus. Folgen statt Führung.
Wer das ändern will, muss die Wertedebatte führen, gegen den 68er Konsens, gegen die politische Korrektheit, gegen die Beliebigkeit. Dienen, statt unverdiente oder durch Risikoabwälzung erschlichene Boni, Pflicht, statt Partydemokratie ist die Devise. MEGA: Make Europe Great Again.