Tichys Einblick
Grünes Wort zur Fußball-WM

Roth warnt vor „nationaler Selbstbeweihräucherung“

Ginge es nach der grünen Roth, hisste, hielte oder schwenkte alle Welt die Regenbogenfahne. Wobei sie nichts gegen Eigenheiten hat – aber bitte außerhalb unserer Landesgrenzen.

© Axel Schmidt/AFP/Getty Images

Wirft Claudia Roth eigentlich etwas ein, um sich nicht übergeben zu müssen, wenn sie ihren Arbeitsplatz betritt? Schließlich steht über dem Hauptportal auf der Westseite des Reichstags bis heute in großen Lettern „Dem deutschen Volke“. 1916 wurde die Inschrift angebracht von einem jüdischen Unternehmen. Denn die Juden haben sich mit Deutschland identifiziert. Dazu bedurfte es keiner Fußball- Weltmeisterschaft. Die zur Theatralik neigende Dramaturgin Roth, aktuell Bundestags-Vizepräsidentin, warnt vor „nationaler Selbstbeweihräucherung“ in den kommenden Wochen. Wenn es nach der grünen Roth ginge, würde auf der ganzen Welt die Regenbogenfahne gehisst, gehalten oder geschwenkt werden. Wobei sie nichts gegen Eigenheiten hat – aber bitte außerhalb unserer Landesgrenzen.

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Nachbarn von uns hatten mal im Garten eine Fahne wehen mit den Farben schwarz, rot, gold. Ergänzt allerdings durch eine Banane, die im Vordergrund prangte. Ja, Deutschland wird zunehmend zur Bananen- Republik, wenn wir nicht aufpassen mittelfristig sogar zum failed state. Aber nur, wenn diese Art Laissez-faire fortgesetzt wird. Wenn jeder uneingeschränkt tun und lassen kann, was er will, herrscht nicht absolute Freiheit, sondern Anarchie. Die ganze Welt kümmert sich mittlerweile primär um sich, nur wir kümmern uns um die ganze Welt. Dafür wird es nicht den Dank der Geschichte geben, sondern den Spott. Acht Jahre nach dem Sarrazin-Buch, an dem man natürlich das ein oder andere kritisieren konnte, wächst die Zahl der Bürger im Land, die Sorge haben, dass wir uns abschaffen.

Die offene Gesellschaft bleibt nur noch so lange offen, so lange sie sich ihrer selbst sicher sein kann. Ein menschlicher Körper kann im Laufe des Lebens amorph werden, ohne das Eintreten des Todes zu beschleunigen, ein sozialer Organismus wie ein Staat hingegen nicht.


Martin Busch arbeitet seit über 20 Jahren als Redakteur und Moderator für die Hörfunkprogramme von Radio Bremen. Nach seinem Soziologie-, Politik- und Linguistik-Studium an der Universität Hamburg (Schwerpunkt Markensoziologie) promovierte er im Fach Kommunikationswissenschaften. Er ist Autor der Streitschrift “Deutschland, Deutschland ohne alles – warum Europas größte Wirtschaftsmacht ein sozialer Pflegefall ist“.

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