Tichys Einblick
Frust über die Grünen

„Hau ab, Robert Habeck“ – Kommunalwahl im Mai als Stimmungstest

Ein Besuch im heimischen Wedel abgesagt, Flensburg hat Robert Habeck (Grüne) mit „Hau ab“-Rufen begrüßt. Für Angela Merkel waren solche Rufe der Anfang vom politischen Ende. Geraten die Grünen in die Defensive und politische Isolation?

Demonstrantin im Kommunalwahlkampf in Flensburg, 29.04.2023

IMAGO / Willi Schewski

Habeck traut sich nicht mehr nach Schleswig-Holstein: Die Eröffnung der Power-to-Heat-Anlage am Kraftwerk Wedel in seiner Anwesenheit wurde abgesagt. Etwa Angst vor dem Wähler? Mit hm geraten die Grünen ins Abseits – und geraten zunehmend in die Rolle der Linken und heute der AfD: Niemand will mit ihnen. Für die Grünen ist es noch nicht so weit. Aber ein Blick zurück zeigt die Gefahr. Eine Zusammenarbeit mit der Linken war noch 2008 ein Tabu. Zumindest in Westdeutschland. Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti scheiterte daran, ein Bündnis mit der Linken im Landtag schmieden zu wollen. Teil dieses Bündnisses wären seinerzeit die Grünen gewesen. Heute polarisieren sie stärker als die Linken – gelten aber mit Ausnahme der AfD für alle Parteien als potenzieller Koalitionspartner. Am 14. Mai sind Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein – für Habeck und die Grünen ein wichtiger Popularitätstest.

Auf wie viel Gegenwind die Grünen stoßen, ist offen sichtbar. Auf Twitter trenden immer häufiger Hashtags mit eindeutigen Botschaften wie „#GruenenSekte“ oder „#HabeckRuecktritt“. Besagter Robert Habeck muss auf Veranstaltungen wie jüngst zum 1. Mai in Flensburg – in seiner Heimat – mit Pfiffen und „Hau ab“-Rufen leben.

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Solche „Hau ab“-Rufe begleiteten auch Angela Merkel (CDU) in der letzten Phase ihrer Kanzlerschaft. Sie markierten den Anfang vom Ende. Die Kompromiss-Kanzlerin, die für das Versprechen ewigen Stillstands gewählt worden war, hatte ihre Wähler betrogen und stattdessen durch ihre Politik des unkontrollierten Zuzugs das Land so verändert, dass es danach ein anderes sein würde, wie sich die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, freute.

Die Grünen haben ihren Wählern Klimaschutz versprochen. Der ist tatsächlich beliebt, wie eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zeigt: Demnach finden 46 Prozent immer noch, Deutschland tue zu wenig dafür. Allerdings sagen in dieser Umfrage ebenfalls 46 Prozent, dass sie eine starke oder sehr starke finanzielle Belastung durch den Klimaschutz empfinden würden. Die Deutschen wollen also Klimaschutz haben, aber nichts dafür ausgeben. Die Grünen liefern genau das Gegenteil: Schon vor dem Ukraine-Krieg hatte Deutschland die höchsten Energiepreise der Industriestaaten, mit dem Krieg sind sie nochmal emporgeschnellt. Gleichzeitig geht im Energiewendeland der Ausstoß von Kohlendioxid nach oben, weil die Grünen lieber Kohlekraftwerke reaktivieren, als Atomkraftwerke laufen zu lassen.

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Die Antipathie gegen die Grünen ist nicht nur auf den Marktplätzen spürbar, auf denen Robert Habeck ausgepfiffen wird. Sie lässt sich auch in den Zahlen von Insa lesen. Das Institut hat Ende März eine Untersuchung zur „negativen Sonntagsfrage“ veröffentlicht. In dieser antworten die Teilnehmer darauf, welche Partei sie unter keinen Umständen wählen würden. Die meisten Stimmen erhielt die AfD mit 58 Prozent. Aber danach kamen schon die Grünen mit 38 Prozent, noch vor den Linken mit 37 und der FDP mit 30 Prozent. Während die AfD aber für keine der anderen großen Parteien als Koalitionspartner in Frage kommt, sind die Grünen in nahezu jeder Konstellation dabei. Die Grünen nicht zu wollen, aber die Grünen zu bekommen – fast egal, was man wählt –, ist ein Grund für den wachsenden Frust gegenüber der Partei.

Die Moral der Grünen ist ein weiterer Grund. Genauer gesagt: ihr Hang zur Doppelmoral. Sie moralisieren permanent gegen die anderen, um ihre Positionen durchzubringen. So werfen sie anderen vor, den Planeten aufgrund kommerzieller Interessen auszubeuten – machen aber selbst den Klimaschutz zum Familienbetrieb. Wenn ihnen einzelne Aussagen passen, fordern sie dazu auf, auf „die Wissenschaft“ zu hören – ignorieren aber selbst ganze Richtungen wie die Gentechnik, wenn diese nicht in ihre Ideologie passen.

Werden die Grünen kritisiert, ist das für sie immer Hass und Hetze. Mindestens. Sie selber sind aber nicht zimperlich, wenn es ums Austeilen geht. So pöbelte Habeck auf Twitter derart gegen Menschen mit anderer Meinung, dass er sich danach von dem Netzwerk zurückziehen musste. Der von ihnen installierte Bundes-Queer-Beauftragte Sven Lehmann beschimpft Frauen als „TERF“ und wirft ihnen vor, „Transfeinde“ zu sein. Wobei TERF eine Abkürzung für Frauenrechtlerinnen ist. Ein Großteil der grünen Frauen verdankt ihren Platz in den Parlamenten einer Frauenquote, deswegen betonen sie auch gerne ihren Einsatz für den Femminismus – aber gegen Lehmann und die Trans-Lobby wollen sie aus Opportunismus trotzdem nicht angehen. Kurzum: Die Grünen sind die Meister der Doppelmoral.

Dann lässt sich der Frust gegenüber den Grünen noch durch das alte Prinzip „Mitgefangen, mitgehangen“ erklären. Inhaltlich stehen die Grünen auf einer Seite mit der Letzten Generation sowie ARD, ZDF und einem Großteil der privaten Medien. Doch auch gegen die mehrt sich die Ablehnung. Immer mehr Zuschauer sind die Indoktrination in den Medien leid, die sich längst nicht mehr nur auf den politischen Teil beschränkt, sondern auch auf den Tatort übergreift, das Traumschiff, die Familienserien, das Kinderprogramm … Die Aktionen der Letzten Generation lehnen laut der Forschungsgruppe Wahlen mittlerweile sogar 82 Prozent der Befragten ab.

Ein immer teurer werdendes Leben. Die Angst, durch Habecks Heizungsgesetz das Haus nicht mehr halten zu können, während gleichzeitig durch grüne Politik der Kohlendioxid-Ausstoß steigt. Dazu die Doppelmoral, die falschen Freunde der Partei und das Gefühl, immer die Grünen zu kriegen, egal, was man wählt. Der Frust gegen die Grünen mehrt sich. In anderthalb Wochen sind Wahlen in Bremen, im Herbst in Hessen und Bayern. Es wird sich zeigen, ob Robert Habeck angesichts der „Hau ab“-Rufe noch ein Zugpferd der Partei sein kann, oder ob er besser zu Hause bleibt. So wie Angela Merkel in den letzten Jahren ihrer Kanzlerschaft. Als sie den Anfang vom Ende schon hinter sich hatte.

(Ergänzte Fassung vom 4. 5. 2023)

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