Tichys Einblick
Selbstporträt in der „Zeit“

Ricarda Lang – und die Klasse der hochbezahlten Mimosen

Mit einer bemerkenswerten Mischung aus Weltfremdheit und Weinerlichkeit erklärt die scheidende Vorsitzende der Grünen ihre Vorstellungen von Politik und vom normalen Leben. In einer als Interview deklarierten Huldigung in der „Zeit“ zeigt sie sich ganz als Teil einer egozentrischen Klasse, die außerhalb der Politik kaum überleben könnte.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Ricarda Lang hat im doppelten Sinn nichts gelernt. Zum einen formal: Nach dem Abitur hat die heute 30-Jährige keinen weiteren berufsqualifizierenden Abschluss gemacht. Studium? Abgebrochen. Lehre? Fehlanzeige. Zum anderen praktisch: Das Dasein kann ja genauso gut einem Menschen ohne Diplom etwas beibringen. Diesen Erkenntnisgewinn des Alltags muss man dann aber auch zulassen. Ricarda Lang dagegen hat auf beides verzichtet: auf Bildungsabschlüsse – und darauf, Lehren aus dem Leben zu ziehen.

Trotzdem hat unser politisches System mit seinem mitunter recht eigenartigen Humor sie in den Deutschen Bundestag, zu einem garantierten Monatseinkommen von 11.227,20 Euro und an die Spitze ihrer Partei gespült. Das kann schon mal die realistische Selbsteinschätzung und den nüchternen Blick auf die Welt trüben.

Ricarda Lang hat keine klare Sicht, nicht auf sich und nicht auf die Welt. Besonders deutlich wird das in einem Gespräch, das „Die Zeit“ zwar Interview nennt – in dem aber keine echten Fragen gestellt, sondern nur wohlwollende Stichworte zur ungehinderten Selbstinszenierung der Grünen gegeben werden.

Lang oszilliert in ihren Stellungnahmen zwischen Weltfremdheit und Weinerlichkeit, bei der Lektüre ist man wechselweise amüsiert und ungläubig: Spricht da wirklich ein erwachsener Mensch? Und kann eine Volksvertreterin wirklich so weit weg sein vom realen Leben des Volkes, das sie vertreten soll? Das fängt mit einem dreisten Arroganz-Anfall an. Ihr Ende als Parteivorsitzende kommentiert sie so: „Vielleicht sind es ausgerechnet die, die etwas verändern wollten, die mehr an sich heranlassen wollten, die dann zurücktreten. Und nicht diejenigen, die sich eh schon damit abgefunden haben, dass alles so bleibt, wie es ist.“

Da überhöht jemand das eigene Scheitern als Ausdruck von Gestaltungswillen und besonderer Sensibilität. Und im selben Atemzug werden all jene herabgewürdigt, die nicht scheitern. Erfolg könnten demnach nur diejenigen haben, denen sowieso alles egal ist.

Es ist nicht die einzige logische Lücke, die Ricarda Lang hinterlässt.

Die Gescheiterte bedauert rückwirkend, dass sie in TV-Interviews Fragen beantwortet hat, die ihr nicht gefielen. Da fällt einem erstens Helmut Kohl ein, der grundsätzlich alle Fragen zuließ und dann sagte: „Sie fragen, was Sie interessiert. Und ich antworte, was mich interessiert.“ Zweitens kommt einem noch ein anderer Gedanke: Gehört es nicht zur Arbeitsplatzbeschreibung eines Berufspolitikers, Journalisten Auskunft zu geben? Und gehört es nicht zur Arbeitsplatzbeschreibung eines Journalisten, Fragen zu stellen – auch wenn die dem befragten Politiker nicht gefallen?

Lang zeigt an vielen Stellen, dass sie ihren Platz im politischen System im Kern gar nicht verstanden hat. Sie betont den Anspruch, „dass Parteien nicht nur Stimmungen abbilden, sondern es auch ihre Aufgabe ist, sie zu prägen“. Genau das sieht unser Grundgesetz aber nicht vor. Parteien sollen nur an der Willensbildung des Volkes teilnehmen. Langs Anspruch an Parteien, diesen Willen zu prägen, ist eine Anmaßung. Dabei hat sie doch nur die besten Absichten: „Ich habe mir einen politischen Betrieb gewünscht, der (…) weniger um sich selbst kreist und mehr um die Menschen, für die er eigentlich da sein sollte.“

Doch in etwa vier Fünfteln des „Interviews“ kreist die gebürtige Filderstädterin dann – um sich selbst. Sie berichtet darüber, wie es ihr ging und wie es ihr geht, was sie hier fühlte und was sie dort empfindet. Sie zeigt sich ganz als Teil einer egozentrischen Klasse, die außerhalb der Politik kaum überleben könnte. Auch über ihren Rücktritt spricht sie nicht politisch, sondern wie in einer Therapiesitzung:

„So richtig emotional umgehauen hat es mich erst eine Woche darauf, als Kevin Kühnert zurückgetreten ist. Ich saß vor meinem Handy und habe geweint. Ein bisschen war es so, als ob in dem Moment ein Teil meines Rücktritts für mich selbst überhaupt erst klar geworden ist.“

Hier redet eine 30-Jährige mit fünfstelligem Monatsgehalt, die weder gefeuert wurde noch einen Todesfall in der Familie zu beklagen hat, sondern einfach nur ein Parteiamt verlassen musste – weil die Partei nach sieben krachenden Wahlniederlagen festgestellt hatte, dass Lang den Job einfach nicht kann.

„Wem es in der Küche zu heiß ist, der soll nicht kochen“, pflegte Wolfgang Schäuble immer zu sagen. Das Leben ist kein Ponyhof, Wahlämter sind immer Ämter auf Zeit, und Personalwechsel sind für unser politisches System überlebensnotwendig. Doch das kommt hier noch nicht einmal als entfernter Gedanke vor. Durch das ganze Gespräch zieht sich der Eindruck, Lang betrachte Berufspolitik nicht nur als Berufung, sondern sich selbst auch als Berufene.

„Gerade wird meine Partei wieder stärker als Elitenprojekt wahrgenommen – bei der sozialen Frage, aber auch kulturell und habituell. Dass die CDU ‚Grillen muss erlaubt bleiben‘ auf ein Wahlplakat drucken kann und so ein Plakat überhaupt eine gesellschaftliche Resonanz hat, das ist für uns ein ziemlich tragischer Befund.“

Über ihren eigenen Anteil an diesem von ihr beklagten Zustand sagt Lang nichts. Dass ihre zuweilen penetrante Eigenwerbung als „erste offen bisexuelle Abgeordnete im Bundestag“ in der von ihr selbst gebetsmühlenhaft beschworenen „Mitte der Gesellschaft“ möglicherweise wenig Anknüpfungspunkte bietet, kommt ihr nicht in den Sinn.

Die Tochter einer Sozialarbeiterin und eines Bildhauers merkt offenbar tatsächlich nicht, dass sie selbst als Person kaum weiter vom normal arbeitenden Durchschnittsbürger entfernt sein könnte: wegen der fehlenden Qualifikationen ohne eigene relevante Bildungserfahrung, wegen des frühen Jobs als Berufspolitikerin ohne eigene relevante Arbeitserfahrung, wegen des jungen Alters ohne eigene relevante Lebenserfahrung.

„Ich glaube, ein Leben ohne Spitzenamt ist gar nicht so schlimm.“

Damit beendet Ricarda Lang ihr (nur von wenigen Pseudo-Fragen unterbrochenes) Selbstporträt. Und da wird dem durchaus erstaunten Leser schlagartig klar, dass die Grüne ein Leben ohne Spitzenamt tatsächlich noch gar nicht kennt – und sich jetzt erstmal eines vorstellen muss.

Womöglich ist ein Leben ohne Spitzenamt sowohl für Ricarda Lang als auch für Deutschland ja eine ganz gute Idee.

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