Tichys Einblick
Gedanken zum christlichen Hochfest Ostern

Warum Ersatzreligionen um sich greifen

Früher konnte man sagen, dass Religion entsteht, wenn die Grenzen menschlichen Handelns erreicht sind. Jetzt will man keinerlei Grenzen des Machbaren mehr anerkennen. Schwierige Fragen und komplexe Sachverhalte lässt sich der Mensch mit Dogmen einfach und griffig beantworten.

IMAGO/K. Hessland

Deutschland befindet sich inmitten einer fortschreitenden Säkularisierung. Die Kirchenaustritte mehren sich – nicht nur wegen des Missbrauchsskandals. Die Gottesdienste werden leerer – nicht nur wegen Corona. Christliche Symbole verschwinden: Weihnachtsmärkte werden zu Lichtermärkten, Martinsumzüge zu Laternenumzügen, das Osterfest zum Hasenfest. Immer mehr Kirchenfürsten biedern sich dem politischen Mainstream an, sodass die Kirchen manchmal wie moralisierende NGOs daherkommen. Man braucht sich nur die Programme mancher evangelischer, zunehmend auch katholischer Kirchentage anschauen.

Wird Deutschland a-religiös? Nein, es gibt ja Ersatzreligionen

„Wenn man den Deutschen keine Religion gibt, so machen sie sich eine.“ Diesen Satz hat Friedrich von Schlegel 1828 in seiner „Philosophie der Geschichte in achtzehn Vorlesungen“ einige „fromm erleuchtete Geistliche“ sagen lassen. Ähnlich markant mahnte Novalis zuvor, 1799, in seinem Aufsatz „Die Christenheit oder Europa“: „Wo keine Götter sind, walten Gespenster.“ Im gleichen Sinne viel später, 1934, Ernst Jünger: „Die verlassenen Altäre sind von Dämonen bewohnt.“

Diese Sätze von Schlegel, Novalis und Jünger kommen einem in den Sinn, wenn man die neuen „Ismen“ betrachtet: Antifaschismus, Antirassismus, Kosmopolitismus, Multikulturalismus, Genderismus, Ökologismus und so weiter. All dies sind neuheidnische Ersatz- und Zivilreligionen. Wie alle totalitären Ideologien haben sie ihre Wurzeln in einem politischen Messianismus. Die Götzen heißen jetzt „die Gesellschaft“, „das Soziale“, „das Diverse“, „das Klima“ … Unter dem Strich bleibt die Summe aller Glaubenssätze damit gleich. Denn der Bedarf an Vergewisserungen bleibt ungestillt. Die Frage ist dann nur noch, mit welcher Lüge man am besten lebt.

Ist der christliche Glaube also „out“? Ist Religion „out“? Es scheint auf den ersten Blick so. Denn der Mensch kommt ohne Religion und ohne Glauben nicht klar. Egal, wie man das Wort „Religion“ herleitet: Es geht um einen Hunger nach Gewissheiten. Immerhin – siehe die Weisheit der Sprache! – gründet „religio“ auf dem Verbum „religari“ (sich gebunden wissen). Das heißt: Der Mensch benötigt ideelle oder ideologische „Rückbindung“. Der Mensch will hoffen können.

Vor allem eine „gerechte“ Politik (angeblich „gerecht“, weil egalisierend) wird zum Credo, zur neuen Sozial- und Zivilreligion. Was der Schöpfer am Jüngsten Tag vollziehen kann, nämlich eine absolute Gerechtigkeit, das will der Reformer qua Gesellschaftspolitik schon im Diesseits installieren. Ernst Bloch (1885 – 1977), für den Stalin eine „Lichtgestalt“ war, meinte gar: „Ubi Lenin, ibi Jerusalem.“ In seinem Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ von 1954 entwickelt er schließlich eine Vision von einem klassenlosen Paradies.

Der Mensch will es eben intellektuell einfach haben. Er will Simplifizierungen; Ismen bieten sie ihm. Der Mensch ist auch kein rationales Wesen, sondern ein rationalisierendes (Leon Festinger). Weil er sich ungern im Zustand kognitiver Dissonanz befindet, ummantelt er sein Pathos gerne pseudo-rational (rationalisierend), quasi-logisch, also ideologisierend. Dabei gilt: „Von allen politischen Ideen ist der Wunsch, die Menschen vollkommen und glücklich zu machen, vielleicht am gefährlichsten. Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produzierte stets die Hölle“ (Karl Popper 1971 in einem ARD-Streitgespräch mit Herbert Marcuse).

In seinem großen Werk „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ hatte Popper bereits 1945 einen „moralischen Futurismus“ beklagt, mit dem Gefühle und Leidenschaften über Denken und Erfahrung dominierten. Solch glückverheißender Moralismus ist überhaupt der Versuch, Wissenschaft und Realität durch Moralisieren unschädlich zu machen. Es ist dies der Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft und damit Realitäts- und Wissenschaftsfeindlichkeit.

Und die Lage heute? Erneut verfasst man in unserer ach so aufgeklärten Zeit Katechismen, Dekaloge, Evangelien (wörtlich: frohe Botschaften), Dysangelien (schlimme Botschaften). Man prophezeit (Klima-)Apokalypsen. Hier liegt Joachim Fest richtig: „Die vom Sozialismus gebundenen Bedürfnisse nach einem Glauben und einer Daseinsbotschaft sind mit dessen Ende ziellos geworden und werden nicht lange damit warten, neue Uniformen anzulegen und unter neuen Fahnen zu neuen Phantasiereichen aufzubrechen.“

Aufbruch zu neuen Phantasiereichen

Man will im ewigen HIC ET NUNC leben. Man verspricht Paradiese, hat neue Propheten, praktiziert unter Beteiligung von Spitzen des Staates Lichterketten, (Reinigungs-)Rituale, (Kinder-)Kreuzzüge. Man prangert „Todsünden“ an. Man geht gegen „Ungläubige“ und Häretiker mittels Exorzismus oder Exkommunikation vor. All dies geschieht mit dem Anspruch auf Unfehlbarkeit andächtig, ergriffen, inbrünstig. Man ist „woke“, erleuchtet, hat Erweckungserlebnisse.

In den Worten Émile Durkheims ist all dies „Religion ohne Religion“ – durchsetzt mit einem Adventismus als säkularisierte Version totaler Gerechtigkeit. Religion light! Raymond Aron hat dies in seinem Hauptwerk „Opium für Intellektuelle“ (1955, deutsch 1957) deutlich gemacht. Kommunismus zum Beispiel ist für ihn „säkulare Religion“. Sein Buchtitel „Opium für Intellektuelle“ wurde bewusst in Anlehnung an Marx’ „Religion als Opium des Volkes“ gewählt. Offenbar scheint ein „Heimweh ins Metaphysische“ und damit eine Abkehr vom Rationalen Eigenheit gerade der Deutschen zu sein. Man pflegt „Gerngläubigkeit“ (Begriff von Willy Hellpach, 1939).

Warum bilden sich Menschen solche Glaubenskonstrukte? Weil Religiosität eine anthropologische Grunddimension ist. Der Mensch ist darauf angelegt, dass er nach dem Sinn des Lebens forscht und dass er sein Ich transzendieren will. Sobald sich Menschen aber von herkömmlichen „Jenseitsreligionen“ emanzipieren oder in ein metaphysisches Vakuum geraten, brechen sie zu neuen kryptotheologischen Glaubenssystemen und zu neuen ideologischen Bindungen auf. Am liebsten ist es ihnen, wenn sie mit ihren Wünschen nach Heil und Erlösung nicht auf ein Jenseits vertröstet werden, sondern ihre Wünsche schon auf Erden erfüllt werden.

Man hält sich an „weltliche Utopien“ (Joachim Fest 1991), die umso überzeugender wirken, je mehr sie (vermeintlich) wissenschaftlich begründet werden. „Zu der religiös-moralischen Legitimierung kommt der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und zugleich Aufhebung aller Widersprüche durch die Zauberformel der Dialektik. Aus der Idee, im Besitz der endgültigen Wahrheit zu sein, folgt am Ende nicht nur die Berechtigung, sondern die Notwendigkeit von Selbsttäuschung und Lüge, Verfolgung und Terror, um jene endgültig umzusetzen“ (Karl Dietrich Bracher, 1982).

Staat und Gesellschaft als Götzen

Die Trennung von Staat und Religion war eine der großen Errungenschaften der Moderne. Diese Säkularisierung des Staates droht mittlerweile in dessen neuerliche Sakralisierung einzumünden. Mehr und mehr werden an den Staat Wünsche herangetragen (bzw. von diesem als Versprechungen gar angeboten), die wie Glücks- und Heilserwartung anmuten. Ein solchermaßen allmächtiger Staat (der als Opfergabe immer mehr Steuern einfordert) beginnt Züge eines Religionsersatzes anzunehmen. Auf diese Weise wird der Ungehorsam gegen den Staat zur Sünde, die Abwahl eines Regenten oder einer Regentin zum Deizid.

Helmut Schelsky kommt angesichts solcher Verirrungen zu einem vernichtenden Urteil: „Die Reprimitivisierung des Erkenntnisvermögens ist ein sicheres Zeichen des Entstehens einer neuen missionarischen Religiosität und Glaubensverfolgung.“ Im Kern – so Schelsky – läuft jede Ersatzreligion auf eine „Heilsvergottung der Gesellschaft als Basis für einen dereinst vollkommenen sozialen und individuellen Zustand“ hinaus. Dem Menschen werde weisgemacht, er sei nicht einem göttlichen Plan oder dem Schicksal unterworfen, sondern der Gesellschaft ausgeliefert. Die Linken seien dabei die Wissenden, die die beherrschte Klasse befreien müssten (Helmut Schlesky, 1975, spricht von einer neuen Priesterherrschaft). Von den drei Arten des Wissens, wie sie Max Scheler 1926 unterscheidet („Herrschafts- oder Leistungswissen“, „Bildungswissen“ sowie „Erlösungs- oder Heilswissen“), liegt der Schwerpunkt dann vor allem auf Letzterem – dem „Erlösungs- oder Heilswissen“.

Früher konnte man sagen, Religion entsteht dann, wenn die Grenzen menschlichen Handelns erreicht sind. Jetzt will man keinerlei Grenzen des Machbaren mehr anerkennen. Der „bigger, better, faster“-Mensch braucht keinen Lenker der Geschichte mehr. Ob solche Auto-(Selbst-)Vergötzung des Menschen Ausdruck höchster Intellektualität und Rationalität ist? Es könnte auch Ergebnis eines kindlichen Animismus sein, der die Welt für magisch steuerbar hält. Denn Kontingenzen, Unwägbarkeiten, Unzulänglichkeiten kann der Mensch kaum ertragen. Einfacher und griffiger lässt sich der Mensch schwierige Fragen und komplexe Sachverhalte mit Dogmen beantworten.

Man will die „schlechte“ Welt des Schöpfers ummontieren in die gute Welt. Solche „Heilsvergottung“ stammt aus dem Marxismus („Der neue Mensch wird gemacht“), der russischen Reflexologie (Pawlow und seine Hunde) und dem US-amerikanischen Behaviorismus („Der neue Mensch ist konditionierbar“). Gemeinsam ist allen drei Richtungen die Hybris, die Gesellschaft, der Mensch könnte grenzenlos konditioniert werden (womit etwa die Pädagogik auf den Pawlowschen Hund gekommen ist) und zu allem „begabt“ werden. Man will damit gegen die „irrende“ Natur vorgehen. Siehe den Versuch der Emanzipation von der Natur durch die „Gender“-Ideologie!

Dass gerade die moderne Staatslehre eine Art Theologie ist, hatte Carl Schmitt 1922 festgestellt: „Alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre sind säkularisierte theologische Begriffe. Nicht nur ihrer historischen Entwicklung nach, weil sie aus der Theologie auf die Staatslehre übertragen wurden, indem zum Beispiel der allmächtige Gott zum omnipotenten Gesetzgeber wurde, sondern auch in ihrer systematischen Struktur …“

Eric Voegelin brachte es 1938 in seinem Buch „Die politischen Religionen“ auf den Punkt. Mit Blick auf Nationalsozialismus und Bolschewismus wollte Voegelin den religiösen Wesenskern dieser kollektivistischen, vermeintlich säkularisierten Bewegungen freilegen, mit denen religiöse Fragen zwar zum Tabu wurden, aber „sakral durchblutet“ bei Vergöttlichung der irdischen Herrschaftsordnung und gleichzeitiger „Dekapitierung des überweltlichen Gottes“ erneut auftauchten. Wörtlich schreibt Voegelin: „… das göttliche Haupt wird abgeschlagen und an die Stelle des welttranszendenten Gottes tritt der Staat als die letzte Bedingung und der Ursprung seines eigenen Seins“. Vorweggenommen hatte dieses Verständnis bereits Hegel, für den sich im Staat die Vernunft der Welt auslebe.

Eric Voegelin sah solchermaßen in der Moderne eine Wiederkehr der Gnosis, also einer quasi-göttlichen Erkenntnis. Gnosis – eine Déjà-vu-Erfahrung? Diese Gnosis würde sich nach Voegelin durch folgende Merkmale auszeichnen: Glaube an die Schlechtigkeit der Welt; Ablehnung des Glaubens von der Unzulänglichkeit des Menschen; Glaube an die Möglichkeit der Erlösung der Welt vom Übel; Glaube an erlösende Taten des Menschen. Hier kommt Voegelins Begriff „Egophanie“ ins Spiel. Egophanie meint eine quasi-religiöse Selbstbezogenheit als Vergöttlichung des Ichs. Jeder ist sozusagen ein Demiurg, ein Weltenschöpfer, jeder ist sein eigener Priester.

„Verkappte“ Religionen und neue Ikonen

Seit 1925 gibt es den Begriff der „verkappten“ Religionen. Dieser Begriff stammt von keinem geringeren als dem späteren und ersten Bundespräsidenten. Theodor Heuss hatte am 16. Mai 1925 als Abgeordneter vor dem Reichstag in einem belanglosen Zusammenhang von einer „verkappten Religion“ gesprochen. Es hatte eine Debatte um ein bestimmtes Stenographiesystem gegeben; Heuss hat die Kurzschrift eine „verkappte Religion“ genannt.

Aufgegriffen hat den Begriff Carl Christian Bry (eigentlich “Carl Decke”, 1893 – 1926). 1924 veröffentlichte er ein bald vergessenes und doch hellsichtiges Buch mit dem Titel „Verkappte Religionen. Kritik des kollektiven Wahns“. Bry führt darin aus, dass verkappte Religionen ein Grundmerkmal haben: Sie sind monomanisch geprägt von der „Elephantiasis“ eines einzigen Motivs (eben Gerechtigkeit). Mit anderen Worten: totalitär. „Hinterweltler“ nennt Bry solche Menschen, weil ihnen alle Dinge nur zur Bestätigung ihrer Monomanie dienen. Bry sieht als Todsünde aller Ideologien, besserwisserisch, arrogant-überheblich totale Welterklärung garantieren zu wollen.

Interessanterweise rechnet Bry zu den verkappten Religionen: Kommunismus, Sozialismus, Faschismus, Astrologie, Zahlenmystik, Abstinenz, Yoga, Wünschelrute, Vegetarismus, Esperanto, Eurhythmie, Anthroposophie, Theosophie, Psychoanalyse, vor allem deren Traumdeutung, Pazifismus, Antialkoholismus, Nacktkultur, Naturgläubigkeit, Okkultismus, Phrenologie, Graphologie. Bry spricht von einer „Inflation der Ismen“. Zugleich meint Bry: „Alle verkappten Religionen sind Lebensverneinung.“

Mit „verkappten“ Religionen ist man freilich schnell bei Sekten angekommen. Hier geht es um politisierende Sekten, die so ziemlich alle Merkmale tragen, die Sekten ausmachen: autoritär-missionarischer Anspruch, Sendungsbewusstsein, Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und deren Diskreditierung, Überlegenheitsgefühl, Absolutheitsanspruch, Endzeitphantasien, Totalitarismus im Sinne von Regelwerken für alle Bereiche des Lebens, Gedanken- und Gefühlskontrolle durch Erzeugung eines schlechten Gewissens.

Und: An der Spitze stehen guruhafte Erleuchtete. Wenn es denn sein muss, beeindruckt eine autistisch auffällige, heranwachsende, die Schule schwänzende Schwedin die Mächtigen der Welt. Man hört heraus: „Kinder an die Macht!“ … Das Kind als Majestät hatten wir freilich bereits in Ellen Keys Schrift „Das Jahrhundert des Kindes“ (1902). Sie sprach von der „Majestät des Kindes“, angesichts der die Eltern ihr Haupt in den Staub zu beugen hätten.

Relativismus als Nihilismus

Der Westen, Deutschland voran, ist gefährdet durch solche Substitute, vor allem durch seinen Relativismus, für den alles gleich gültig, also gleichgültig ist und der eigentlich Nihilismus heißen müsste: Denn wenn alles gilt, gilt nichts mehr. Diesen Relativismus geißelte übrigens Noch-Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere, soeben als „Papst emeritus“ 95 Jahre alt gewordene Benedikt XVI., anlässlich der Predigt, die er am 18. April 2005 zum Konklave hielt. Er sprach von einer „Diktatur des Relativismus“. Wörtlich: „Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt.“

Wir müssen uns jedenfalls wieder darauf besinnen, was wir vor lauter Relativierung verlieren bzw. schon verloren haben. „Verlust des Verlustes“ – ja, es ist ein widersprüchliches Wort, einem Buch von Roger Scruton aus dem Jahr 2014 entnommen. Der Titel lautet „Von der Idee, konservativ zu sein“. Darin schreibt Roger Scruton: Wer keinen Verlust mehr empfinden könne, der sei auch unfähig zu trauern. Zugleich fragt Scruton mit Blick auf die Institution Kirche: „Wie können wir spirituellen Trost von einer Institution empfangen, die so sehr von dieser Welt ist?“ Und noch ein Satz von Scruton: „Wir studieren die Vergangenheit nicht einfach, wir erben sie. Und eine Erbschaft bringt nicht nur Eigentumsrecht mit sich, sondern auch Pflichten der Treuhänderschaft … als Eigentum jener, die noch nicht geboren sind.“

Und eines dürfte auch klar sein, selbst wenn es die Protagonisten säkularer Weltanschauungen (Atheisten, Agnostiker, Freidenker, Humanisten, Scientisten, selbst „wokies“) nicht wahrhaben wollen: Gott verschwindet nicht, wenn man nicht mehr an seine Existenz glaubt. Selbst Nietzsches „Gott-ist-tot“-Philosophie gäbe es ohne christliche Hintergründe nicht. Und auch die Kritik am Christentum, näherhin eigentlich an der Kirche, rekurriert gewollt oder ungewollt auf Werte, die christlich sind. Selbst mit dem Austritt aus einer der christlichen Kirchen verschwinden nicht die christlichen Werte. Schließlich leiten sich gerade die in säkularen Zeiten gerne bemühten Werte der Würde und Autonomie des Menschen aus der Bibel ab. Denn nach der Schöpfungsgeschichte schuf Gott den Menschen nach seinem Ebenbild. Humanismus und Aufklärung rekurrierten quasi-epigonal nur auf dieses Bild.


Dieser Essay ist eine Zusammenfassung eines längeren Kapitels aus dem Buch von Josef Kraus „Der deutsche Untertan. Vom Denken entwöhnt“. Erschienen 2021 mit vier Auflagen. Dort finden sich auch die detaillierten Literaturquellen, die hier der besseren Lesbarkeit wegen verkürzt zitiert wurden.

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