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Stand-up-Comedy in Berlin: Der Bundeshaushalt 2025 – Teil 1

Seit Tagen streiten die Ampel-Politiker um den Haushalt. Es gibt Spekulationen, ob der Ampel der Stecker gezogen wird und Neuwahlen anstehen. Die Öffentlichkeit wartet darauf zu erfahren, welche Eckdaten der Haushalt nun hat. Die Frage danach ließ eine Regierungspressekonferenz zur reinen Comedy werden.

Symbolbild

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Wenn aus der Aufstellung des Bundeshaushaltes ein Comedy-Format wird, dann kann man sicher sein, in den Iden der Ampel angekommen zu sein. In tiefer, dunkler Nacht hatte sich das Triumvirat von Olaf „Ich kann mich nicht erinnern“-Scholz, Robert „Ich verspreche mich zu bemühen, meine Versprechen auch zu halten“-Habeck und Christian „Eisberg“-Lindner Anfang Juli getroffen, um den Entwurf abzuschließen. Dreißig Milliarden Euro galt es, ohne zu sparen, durch neue Verrechnungsmethoden, Auflösung der Rücklagen und die Möglichkeit einer höheren Neuverschuldung durch die Annahme eines Wirtschaftswachstums – das nach einigen Mengen gerauchten, zuvor legalisierten Cannabis vor den Augen der kiffenden Hauptdarsteller erschien – einzusparen. Doch 15 Milliarden blieben noch übrig. Olaf Scholzens Mitarbeiter ersannen Ideen, wie die 15 Milliarden in Cannabiswölkchen aufzulösen wären.

Dass einige Ideen schon folkloristischen Charakter besaßen und auch schon einmal vom Bundesverfassungsgericht untersagt worden waren, hatte Olaf „Ich kann mich nicht erinnern“-Scholz bereits – vergessen. Doch was Olaf Scholz die Vergesslichkeit ist, ist Christian Lindner die Erinnerung. Er wollte nicht wieder den dummen August abgeben, gescholten vom Bundesverfassungsgericht, verhöhnt von der SPD – und beschmunzelt von der Grünen-Fraktion. Selbst wenn er beide Augen fest zudrückte und sie sich noch mit einer gelben Binde verbinden ließ, konnte er die Summe nur auf 8 bis 7 Milliarden Euro Fehlbetrag drücken, die restlichen drei Cannabiswölkchen würden als unwirtschaftlich und verfassungswidrig gelten.

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Und wenn Christian „Eisberg“-Lindner nach Sylt flöge und dort auch einen Aperol Spritz und dazu noch einen Hugo tränke, würden immer noch 5 Milliarden Euro Fehlbetrag übrigbleiben. Gutachten hatten ihn gewarnt, wie verfassungswidrig die verfassungswidrige Idee aus dem Bundeskanzleramt sei. Doch der Bundeskanzler hatte ihm aus seinem Urlaub mitgeteilt, dass er die selben Gutachten auch gelesen habe und der gute Christian ganz beruhigt sein könne, denn in den Gutachten stünde, dass man all diese Wege gehen könnte. Dass einer davon verfassungswidrig sei, hatte Olaf „Ich kann mich nicht erinnern“-Scholz schon bei der Lektüre vergessen und dabei die Melodie geträllert: „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht zu ändern ist.“

Seit Tagen streiten die Ampel-Politiker wie die Kesselflicker um den Haushalt. Spekulationen schießen ins Kraut, ob der Ampel der Stecker gezogen wird und Neuwahlen anstehen. Alle warten, die Öffentlichkeit, die Journalisten, die Politiker aller Parteien, wie der Streit beigelegt wird, welche Eckdaten der Haushalt nun hat. Schließlich soll der Bundeshaushalt in der 37. Kalenderwoche, also zwischen dem 9. September und 13. September in den Bundestag eingebracht werden. Zuvor muss er aber vom Bundeskabinett beschlossen und an die Abgeordneten verschickt werden. Zu den Hütchenspielertricks der Ampel – ich nehme das zurück, ich will nicht ehrbare Hütchenspieler beleidigen – gehört, bestimmte Gesetze so spät als möglich in den Bundestag einzubringen, um den Abgeordneten die Möglichkeit zu nehmen, sich seriös mit dem Ampel-Werk zu beschäftigen.

Der Ampel gelang es, die Regierungspressekonferenz vom 14. August zu einer der fernsehpreisverdächtig lustigsten Comedys zu machen, die je zu sehen waren. Nachdem der stellvertretende Regierungssprecher Büchner, im weiteren nur StS Büchner genannt, die SPD-Wahlgeschenke wie Wohngelderhöhung und den „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung“ als Umlaufbeschlüsse vorgestellt hatte – wir zitieren aus dem stenografischen Protokoll –, fragte die Journalistin Vates:

„Herr Büchner, ich wüsste gern, ob zu den Umlaufbeschlüssen auch der Haushalt gehört hat oder im Laufe des Tages noch gehören wird bzw. wann mit einem diesbezüglichen Beschluss zu rechnen ist.“

Da war das böse, rechte Wort Bundeshaushalt plötzlich gefallen. Kämpfend gegen Rechts antwortete StS Büchner:

„Wenn er dazu gehört hätte, hätte ich es jetzt vorgetragen. Da ich es nicht vorgetragen habe, gehört er bisher nicht dazu. Sonst kann ich dazu bislang nichts Neues berichten.“

Niemand in der Ampel kann darüber etwas Neues berichten. Doch Vates kann ihre Neugier nicht beherrschen und schickt Saskia Esken ins Rennen, deren Komik an die von Anke Engelke erinnert:

„Bisheriger Stand war, zumindest von Frau Esken, möglicherweise auch von anderen vorgegeben, dass er bis heute vorliegen sollte. Ist dem so, und ist dem auch nach wie vor so, dass bis Freitag das Ganze beim Bundestag liegen soll? Und was passiert, wenn das nicht so ist?“

Bis heute, Freitag, liegt er nicht vor. Was soll der gute StS Büchner darauf schon antworten?

„Wie Sie wissen, spekulieren wir hier nicht. Ich kann Ihnen berichten, dass es weiterhin gute und vertrauensvolle Gespräche gibt und dass alle Beteiligten optimistisch sind, dass wir im Zeitplan eine gute Lösung vorlegen können.“

Es ist ganz klar, dass auf konkrete Fragen die Ampel-Leute nur mit Spekulationen antworten können, weil sie selbst nichts wissen, aber „wie Sie wissen, spekulieren wir hier nicht“. Beachten sie die Kunst der Ausführung in der Replik, denn wären wir nicht in einer Comedy, hätte Vates’ Frage gelautet: „ist der Entwurf am Freitag im Bundestag?“, und die Antwort von StS Büchner hätte gelautet: „Nein.“

Doch wir sind in einer Comedy, deshalb fragt die Journalistin Dudin geradezu mit feinem, eschatologischem Witz:

„Herr Büchner, ich frage auch noch einmal zum Zeitplan. Wann ist denn die Deadline für den Kabinettsbeschluss, damit er noch planmäßig beim Bundestag ist?“

Wann bricht die Erlösung, wann bricht Gottes Reich an? Und StS Büchner antwortet ebenfalls eschatologisch mit dem Verweis auf Gottes Zuständigkeit:

„Es ist vorgesehen, dass der Haushalt in der 37. Kalenderwoche im Bundestag behandelt wird, und bei dem Zeitplan bleibt es.“

„Zusatzfrage Dudin: Bis wann müssen Sie ihn beschlossen haben, um ihn rechtzeitig übermitteln zu können?“

StS Büchner plötzlich mit großer Klarheit:

„Dann, wenn er fertig ist.“

Man beachte StS Büchners jesuitische Subtilität, die aber Dudin nicht gelten lässt.

„Zuruf Dudin: Das stimmt ja nicht.“

StS Büchner flüchtet sich in Christi Wort: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, wenn er antwortet:

„Ich nenne jetzt keine Uhrzeit und keinen Tag. Die Behandlung im Bundestag ist in dieser Woche vorgesehen.“

Das Reich Gottes kommt, doch fragt nicht nach Uhrzeit, Tag, Monat und Jahr. Doch Dudin lässt Büchners Transzendenz nicht durchgehen und pocht auf Insistenz:

„Im Kabinett? In dieser Woche? Diese Woche geht bis Freitag.“

Doch StS Büchner appelliert an Dudins Gottvertrauen:

„Wir gehen alle davon aus, dass er rechtzeitig fertig wird.“

Auch wenn damit die metaphysisch anmutende Journalistin Dudin aus dem Feld geschlagen ist, lässt die Journalistin Höhne nicht locker:

„Ist es aus Sicht der Bundesregierung möglich, ihn im laufenden Verfahren weiter zu verhandeln? Der Haushaltsentwurf, der vom Kabinett beschlossen wurde, könnte ja in dieser Form überstellt werden, und dann könnten die restlichen Milliarden noch herausverhandelt werden. Das ist ja theoretisch eine Option. Rein praktisch scheint es eher nicht so zu sein. Wie sieht das die Bundesregierung?“

Im Grunde fragt sie, ob die Bundesregierung überhaupt einen Gesetzesentwurf hat und stellt Goliath Büchner eine Falle. Doch Goliath StS Büchner fällt darauf nicht herein und behauptet, dass die Bundesregierung „einen Haushaltsentwurf“ habe. Und nicht nur das, der Haushaltsentwurf „steht ja“. Ach so.

Doch obwohl man ihn hat, muss man ihn „weiter… präzisieren“ und ja natürlich auch „verbessern“. Und präzisieren und verbessern, und verbessern und präzisieren … ad infintum. Und pünktlich zum Sanktnimmerleinstag „geht er in den Deutschen Bundestag“. Ungläubig fragt Höhne:

„Die Bundesregierung hält also in jedem Fall an dieser Präzision fest?“

Worauf StS Büchner antwortet:

„Dass der Haushalt weiter präzisiert werden soll, ist der Plan. Ja.“

Dem ein oder anderen wird die Urkomik aufgrund ihrer Subtilität nicht auffallen. Denn jetzt weiß keiner mehr, weder Höhne, noch Büchner, worüber sie eigentlich reden, über den Haushalt, über die Präzisierung, über die Präzisierung oder über den Haushalt, über die Rolle der Bedeutung oder über die Bedeutung der Rolle.

Doch Klarheit, Klarheit will die Journalistin Vates endlich erreichen:

„Ich muss noch einmal zum Zeitplan fragen. Die 37. KW liegt im September. Ist es, um diesen Termin einzuhalten, nötig, dem Bundestag den Haushalt in dieser Woche vorzulegen?“

Heißt, wenn sie den Haushalt in der 37. KW im Bundestag besprechen wollen, müssen sie ihn jetzt einbringen. Ungewohnt konkret und präzise bekennt StS Büchner Farbe:

„Es ist nötig, dass wir zeitnah fertig werden. Ja. Aber ich lasse mich jetzt nicht auf ein genaues Datum ein.“

Die Journalistin Maurer hat von dem metaphysischen Konzert die Nase voll und will jetzt wissen, wo es hakt, da es doch offensichtlich hakt, denn das ist der Haken der ganzen Diskussion:

„Vielleicht können Sie noch einmal sagen, wo es hakt, warum es also jetzt nicht möglich ist, konkreter zu werden.“

Damit zwingt Maurer den entnervten StS Büchner zum Offenbarungseid:

„Weil es vertrauliche und konstruktive Gespräche gibt, die auch vertraulich bleiben sollen. Den Rahmen haben wir Ihnen schon mehrfach an dieser Stelle hier erläutert. Es geht darum, dass der Haushaltsentwurf eine globale Minderausgabe vorgesehen hat und dass man versuchen will, diese jetzt noch einmal zu reduzieren, indem man bestimmte Maßnahmen findet, mit denen das möglich ist. Über diese Maßnahmen wird diskutiert. Aber um die Gespräche erfolgreich zu Ende zu bringen, ist es gut und sinnvoll, wenn wir hier nicht öffentlich über Details und Maßnahmen und Volumen von Maßnahmen diskutieren und spekulieren.“

Unöffentlich natürlich auch nicht. Das hatte ja schon der Philosoph Ludwig Wittgenstein im Tractatus Logico-Philosophicus gesagt: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“

Globale Minderausgabe heißt, dass der Haushalt immer noch beträchtliche Finanzierungslücken aufweist und die Ampel noch keine Idee hat, wie sie diese schließen kann, zumindest man sich darüber noch nicht einigen konnte. Für Scholz ist die Frage gelöst, denn dass es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gibt, hat Olaf „Ich kann mich nicht erinnern“-Scholz schon vergessen, nicht aber Christian „Eisberg“-Lindner. Für Scholz ist es auch unwichtig, ob es einen Haushalt gibt oder nicht, denn die Bundesregierung handelt ohnehin so, als ob es keinen Haushalt gäbe. Schließlich existiert die Möglichkeit des Nachtrags- und des Nachtragsnachtragshaushalts.

Doch die Journalisten geben sich immer noch nicht zufrieden:

„Ich muss zum Datum nachfragen. War die Information, die bisher von Frau Esken und anderen gegeben wurde – dass es bis zum 14. vorliegen muss –, also falsch?“

Was kann der arme stellvertretende Regierungssprecher Büchner dafür, wenn auch die Ampel-Leute nicht wissen, was in der Ampel geschieht. Sie leuchten eben nur in drei Farben: rot, gelb, grün – auch wenn die Gelbphase verdammt kurz ist.

Vielleicht bringt ja der heutige Tag etwas, zum Beispiel die Anwendung der Rasenmäher-Methode: dass alle Bundesministerien einen bestimmten Mindestprozentsatz, beispielsweise 1,5 Prozent einsparen. So schlimm wäre das nicht, schließlich sieht man das eher symbolisch: Man hatte ja auch schon Annalena Baerbock versichert, dass man zwar ihr Budget kürzen würde, doch bei unvorhergesehenen Situationen gerade mit Blick auf die Menschenrechte es kurzfristige Sonderzuweisungen gäbe. Und was ist bei einer so weitsichtigen Ministerin nicht alles kurzfristig? Und was hat bei der wertegeleiteten Außenpolitik Baerbocks nicht alles mit Menschenrechten zu tun, sogar mittelbare Finanzierungshilfen für die Hamas?

Vorhang zu und alle Fragen offen.


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