Tichys Einblick
Zustände beim RBB:

Der Skandal beim RBB geht über die Person Schlesinger weit hinaus

Ein interner Ermittler des öffentlich-rechtlichen Skandalsender RBB gibt in einem Interview einen Einblick in seine Erkenntnisse. Es ging längst nicht nur um die Korruption der Intendantin Patricia Schlesinger.

IMAGO/epd, Future Image / Collage: TE

Der RBB-Investigativjournalist Jo Goll hat der Süddeutschen Zeitung in einem Interview über seine Erkenntnisse zu den skandalösen Zuständen in seinem Sender gegeben. Er ist Teil eines Sender-internen Rechercheteams.

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Der RBB-Mitarbeiter hatte bisher vorwiegend zum Thema „Extremismus“ ermittelt. Er spricht davon, dass seine Entdeckungen beim eigenen Arbeitgeber für ihn „teilweise fremd“ waren. Seine Kritik lässt deutliche Zweifel am Aufklärungswillen der Leitungsgremien aufkommen: „Es kann nicht zum Selbstzweck werden, dass man über Monate gegen den eigenen Sender recherchiert. Die Geschäftsleitung muss ihren Beitrag bei der Aufarbeitung leisten. Gerade habe ich ein bisschen Zweifel, wie das läuft.“ 

Hier einige Schwerpunkte aus dem Gespräch.

Die Intendantin

Im Interview fällt das Wort vom „System Schlesinger“. Über den Luxus-Dienstwagen mit Massagesessel, den teuren Parkettfußboden und die private Party auf Kosten der Gebührenzahler war bisher ausreichend berichtet worden. Der RBB-Journalist stellt dagegen die entscheidende Frage, die es zu klären gilt: „Wie konnte eine Redakteurin des Norddeutschen Rundfunks sehr schnell zur Leiterin der RBB-Intendanz aufsteigen, um dann faktisch als Projektleiterin dieses Multimillionenbaus (Anm.: „Digitales Medienhaus“ für 188 Mio. Euro) zu fungieren?“ Wer hat diese Journalistin ausgesucht und unter welchen Kriterien? Ich bin mir sicher, Sie erahnen die Antwort. 

Das Führungspersonal

Mitglieder der noch amtierenden Geschäftsführung sollen sich bei einer Personalversammlung damit herausgeredet haben, die ehemalige Intendantin sei bei Konflikten „sehr rigide vorgegangen“, Bedenkenträger wären „bloßgestellt und abgebügelt“ worden. Goll fragt: „Warum reden diese gutbezahlten Manager erst jetzt von solchen ungeheuerlichen Vorgängen?“ 

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Was hätten diese riskiert, entsprechend ihren beruflichen Pflichten Patricia Schlesinger bei fachlichen Notwendigkeiten zu widersprechen? Außer dem üblichen Ende der Karriere glattweg nichts. Sie hätten einen goldenen Handschlag erhalten. So wie ein unliebsamer Mitarbeiter der RBB-Media, „der sollte da offenbar weg“. Er wurde fast ein Jahrzehnt vor dem regulären Renteneintritt in den Vorruhestand abkommandiert, die Entschädigung beträgt 100.000 Euro jährlich. Besonders mutig muss man unter den Umständen eines geschaffenen Schlaraffenlandes auf Kosten der Beitragszahler nicht sein. 

Das Rechercheteam findet ausdrücklich nicht, „dass man sämtliche Managementfehler und die gesamte Misswirtschaft im RBB an einer einzigen Person festmachen kann.“ Das mag sein, aber auch diese „Führungskräfte“ muss irgendjemand ausgesucht haben. Das mir dazu bekannte Prinzip lautet „Hans sucht Hänschen“ und es hat eine große Vermehrungsrate. 

Das „Digitale Medienhaus“

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Dieser Protzbau war neben den intransparenten Boni-Zahlungen und außertariflichen Gehältern das größte Projekt in der Verantwortung Schlesingers. Goll spricht bei den Planungen und Finanzierungen der Vorgänge von einem „dicken Brett“. Er sagt, dass es bei einem 188-Millionen-Vorhaben nicht möglich ist, dass nur die Ex-Intendantin davon gewusst haben kann. Von Blazekovic bestätigt, dass die inzwischen freigestellte Leiterin der Intendanz über ihre Anwälte mitteilen ließ, dass die Geschäftsleitung von den Zahlen des Baus gewusst habe. Goll wendet ein, es ändere nichts daran, dass einzelne Personen der Intendanz in der Lage gewesen sein könnten, „einzelne Entscheidungen an den Kontrollmechanismen vorbei zu organisieren“. Das betrifft auch die Beraterverträge, die immer wieder verlängert wurden. Nun ist auch noch zu prüfen, ob gegen das Vergaberecht verstoßen wurde. 
Boni-Zahlungen und der Staatsanwalt

Goll spricht konkret von den illegitimen Boni-Zahlungen, auch für Hauptabteilungsleiter und Abteilungsleiter, und der „Dreistigkeit der RBB-Geschäftsleitung“, die über Jahre die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Gehälter der Intendantin und ihrer vier Direktorinnen getäuscht hat. Falsche Zahlen standen da, die jegliche Transparenz verhindert hätten. Angegeben wurden lediglich die Grundgehälter. Auch die Berliner Staatsanwaltschaft habe verstanden, dass wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder ermittelt werden muss. Goll spricht von „krimineller Energie“.

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Der Journalist fürchtet, dass jetzt wieder Routine einkehrt und empört sich über die vertanen Chancen. So erhalte die nachfolgende Interimsintendantin fast so viel Gehalt wie Schlesinger. Fraglich ist auch, ob man sich weiterhin 40 außertarifliche Verträge gönnen will und ob überhaupt Verträge neu ausgehandelt werden? Den entstandenen Schlamassel will er keinesfalls an einer einzelnen Person festmachen. Andererseits wird der „Journalismus als niedere Tätigkeit im Haus bewertet“. Aber müsste es ums diese in einer Sendeanstalt nicht primär gehen? 

Der Eindruck bleibt: Nun, da die Königin gestürzt ist, zeigen vor allem die Leitungs- und Gremienmitglieder mit dem Finger auf die ehemalige Herrscherin, während sie selbst ihrer eigenen Verantwortung nicht nachgekommen sind. Die im Interview aufgezeigten, sich verselbständigenden „Subkulturen“ funktionieren nur, wenn sich viele bereit erklären, mitzumachen und andere dazu schweigen. Notwendig ist dann auch, dass Kontrollinstanzen ihre Aufsicht verweigern. Deren Motive wären konsequent aufzuklären. Die Spanne kann von Unerfahrenheit, Überforderung, Opportunismus, Arbeitsverweigerung, Kumpanei bis zur Mittäterschaft reichen.

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