In den USA läuft das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump – ein einmaliger Vorgang: nur sechs Tage vor seinem regulären Ausscheiden als Präsident gestartet. Im Repräsentantenhaus wurde das Verfahren eröffnet, nicht nur mit den Stimmen sämtlicher Democrats, sondern auch denen von 10 Republicans. Gerüchten zu Folge soll sogar der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, die Amtsenthebung nicht mehr kategorisch ablehnen. Über all diese Entwicklung haben wir mit George Weinberg gesprochen.
Er ist Unternehmer und deutscher Executive Director sowie Worldwide Advisor der Republicans Overseas, der Organisation der republikanischen Partei für die 8 Mio. Amerikaner im Ausland. Als solcher ist er einer der prominentesten Stimmen zur US-Politik in Deutschland und regelmäßiger Gast in Talkshows.
Tichys Einblick: Die Democrats preschen jetzt vor mit einem neuen Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump. Wie bewerten Sie das?
George Weinberg: Also ich persönlich und die Republikaner im Allgemeinen sind wütend, dass überhaupt so ein Verfahren in die Wege geleitet wird. Schon das letzte Verfahren, das die Demokraten initiiert haben, war ein Witz. Und jetzt, wo der Präsident in sieben Tagen das Weiße Haus verlassen wird … Das ist eine klare Vendetta gegen Donald Trump. Man will seine politische Zukunft zerstören. Scheinbar hat man doch Angst, dass Trump in vier Jahren zurückkommen könnte. Um das Amtsenthebungsverfahren zu Ende zu bringen, bräuchte man eine Zweidrittel-Mehrheit im Senat. Die Demokraten haben die nicht, und deshalb werden sie scheitern. Aber man will den politischen Gegner auf die Weise mundtot machen – genau wie mit der Twitter-Sperrung.
Dieser Rachefeldzug ist ein Schlag ins Gesicht der 75 Millionen Amerikaner, die Trump gewählt haben. Und da frage ich mich: Wo ist der Wille zur Einigung, den Biden immer predigt?
Jetzt ganz unabhängig von ihrer persönlichen Bewertung. Ein Impeachment-Verfahren ist zwar kein Gerichtsverfahren, bedarf also nicht unbedingt einer zwingenden juristischen Begründung, dennoch ist es ein Verfahren, das bisher nur bei wirklichen Verbrechen eingeleitet wurde, wie bei Watergate – in der Geschichte der Vereinigten Staaten wurde nie ein Präsident seines Amtes enthoben. Sind die Vorwürfe jetzt erheblich genug für ein solches Verfahren? Ist das noch im Sinne der Gründerväter?
Die Frage ist doch: Was kann man Trump konkret an Fehlverhalten vorwerfen? Hat er zum Sturm des Kapitols aufgerufen? Nein. Das war eine mehr oder minder spontane Aktion eines durchgedrehten Teils unter seinen Anhängern.
Hier plädiere ich wirklich dafür, sich genau anzuhören, was Trump gesagt hat, nämlich: Geht jetzt in Richtung Kapitol und cheert den Republikanischen Senatoren. Was heißt das? Wir kennen ja Cheer Leader vom Football. In Amerika bedeutet das: jubelt jemandem zu, unterstützt ihn und macht Freude.
Übrigens: die Chaoten werden jetzt natürlich alle strafrechtlich verfolgt – vom FBI. Und das ist auch ein Werk von Trump. Als vor Monaten Black Lives Matter & Co. ganze Städte in Brand setzt, hat Trump einen Erlass verabschiedet hinsichtlich der Bestrafung von Angriffen auf Federal Properties. Teilweise 10 Jahre Gefängnis stehen jetzt darauf. Die Strafen für die Capitol Rioters werden also dank Trump nicht milde sein.
Was kann man ihm konkret vorwerfen, das ein Impeachment rechtfertigen würde? Ich habe noch nichts Plausibles gehört.
Nun musste Trump unabhängig von der rechtlichen Ebene viel Kritik einstecken – auch viel aus seiner eigenen Partei. Was hat Trump sich da vorzuwerfen? Trägt er nicht auch eine indirekte Mitschuld?
Ich finde, er hat sich nichts vorzuwerfen. Alle Republikaner haben, wir als Republicans Overseas auch, diese Exzesse am Kapitol mit aller Energie und aller Deutlichkeit verurteilt – wie jeder vernünftige Mensch. Da gibt es keine Diskussion. Nur den Präsidenten dafür verantwortlich zu machen – das ist Nonsens.
In deutschen Medien wird ja jetzt häufig kolportiert, die republikanische Partei würde sich von Trump abwenden. Ist das der Fall? Stehen die Republikaner noch hinter dem Präsidenten?
Ich würde sagen, die Mehrheit der Republikaner steht hinter Trump; die Partei hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wir sind jünger geworden, wir sind bunter geworden, wir sind weiblicher geworden. Und wir haben sehr gute Leute in der Partei. Junge Leute, neue Leute. Trump hat viel Begeisterung ausgelöst, viele neue Leute mobilisiert. Die Mehrheit der Partei will Trump jedenfalls nicht verlieren. Wir werden es abwarten müssen.
Nun gibt es ja einige Republikaner, die bereits angekündigt haben, ein Impeachment-Verfahren zu unterstützen. Manche Medienberichte sagen sogar, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, würde das unterstützen. Trump ist in sechs Tagen aus dem Amt, die Hauptkonsequenz eines Impeachments wäre, dass Trump 2024 nicht mehr antreten könnte. Und das würde ja vielen in der Partei in die Hände spielen. Gibt es Kräfte bei den Republikanern, die das Impeachment-Verfahren jetzt für innerparteiliche Machtkämpfe missbrauchen?
Das ist reine Spekulation. Ich persönlich glaube das nicht. Und wenn es solche Überlegungen geben sollte oder einzelne republikanische Senatoren das so sehen, müssen sie natürlich vorsichtig sein. 75 Millionen haben Trump gewählt. In den Midterm Elections vor zwei Jahren sind viele Senatoren nur deswegen gewählt worden, weil Trump sie unterstützt hat. Also, wenn sie in dieser Situation dem Präsidenten in den Rücken fallen würden – das würden sich die Wähler schon merken. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass Mitt Romney nochmal in den Senat gewählt wird.
Was viele ja an Trump kritisieren, sind seine anhaltenden Vorwürfe und Anschuldigungen, dass die Wahl gefälscht wurde. Es gab sicherlich viele Unregelmäßigkeiten, den letzten Beweis konnte er aber nie vortragen. Sind Trumps Vorwürfe letztendlich aus der Luft gegriffen? Oder ist da was dran? Müsste er jetzt einlenken?
In mehren Bundesstaaten wurden im Vorfeld Wahlregeln verändert – und zwar nicht wie gesetzlich vorgesehen von den Parlamenten, sondern von den Regierungen. Das war ein wichtiger Punkt der Trump-Klage: weil das in diesen Staaten nicht rechtmäßig gelaufen ist, verliere die Wahl im Ganzen an Legitimation. Aber letzten Endes: das hätten die Gerichte feststellen müssen. Das ist nicht geschehen.
Vorwerfen kann man Trump den Protest allerdings nicht. Lärm ist völlig normal nach jeder Wahl in Amerika. Die Parteien, die Kandidaten, die verloren haben, rufen die Gerichte an. Das war bei Gore gegen Bush so, das war auch in Georgia bei den Senatswahlen so. Hilllary Clinton meint bis heute, dass sie eigentlich die legitime Präsidentin wäre, und so weiter. Dass man gegen die Wahl auf legalem Wege ankämpft, ist normal und zulässig.
Die ganze Welle der Entrüstung über Trump beflügelt zunächst die Amtszeit von Biden, insbesondere der Sieg in Georgia, der ja bedeutet, dass Biden mit beiden Kongresskammern durchregieren kann. Der Ball liegt jetzt bei ihm. Was wird Ihrer Einschätzung nach passieren? Wird er vom radikalen Flügel der Democrats vor sich hergetrieben? Kommt jetzt die Rückkehr des alten Establishments? Die Republikaner haben auf Bundesebene ja nur noch begrenzte Mögglichkeiten, gegen die Entscheidungen der Demokraten anzukämpfen.
Das ist in der Tat ein Riesenproblem. Davor haben die Republikaner immer wieder gewarnt. Nun muss man zunächst sagen: die immer prognostizierte blaue Welle ist ausgeblieben. Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner deutlich Sitze dazu gewonnen. Im Senat ist die demokratische Mehrheit hauchdünn. Aber Mehrheit ist Mehrheit und die Mehrheit entscheidet.
Wenn man diese hauchdünnen Mehrheiten jetzt aber bis an die Grenze ausspielt, wird das die Spaltung der USA nur weiter verstärken. 75 Millionen Trump-Wähler werden nicht über Nacht verschwinden.
Biden ist 78 Jahre alt und nicht mehr der Fitteste. Ich will nicht über Demenz etc. spekulieren. Damit hat ja schon der Spiegel plötzlich angefangen – eine Woche nach der Wahl haben die auf einmal gemerkt, dass es da gewisse Probleme gibt.
Der Spiegel muss das Feindbild alter weißer Amerikaner eben um jeden Preis aufrecht erhalten …
Ja, das ist natürlich lächerlich. Aber wie lange er noch gesundheitlich durchhält, ist schon die entscheidende Frage. Denn dann wird Harris kommen und mit ihr wohl der radikale Flügel. Aber: in zwei Jahren gibt es Zwischenwahlen. Und wenn die Demokraten den Bogen überspannen, kann ich mir vorstellen, dass das an den Wahlurnen Konsequenzen haben wird.
Bisher hat man aber nicht das Gefühl, dass die Democrats sich mäßigen würden. Es sieht eher so aus, als wolle man die Ära Trump jetzt richtig ausradieren, quasi rückgängig machen, wie es deutsche Spitzenpolitiker formulieren würden. Was meinen Sie, was haben die jetzigen Geschehnisse und Reaktionen darauf für langfristige Konsequenzen? Wie verändert das die Vereinigten Staaten?
Und es kann doch nicht sein, dass irgendwelche Milliardäre, die gerade 30 Jahre alt geworden sind, und mächtige Institutionen wie Facebook, Twitter, Google und Amazon darüber entscheiden, ob diese 75 Millionen eine Stimme haben oder nicht, als ob man einfach den Stecker des Mikrofons ziehen würde. Das ist eine sehr große Gefahr. Und sogar die Frau Merkel, die Bundeskanzlerin, die auch nicht gerade zu den Fans von Donald Trump gehört …
…Nein, sie ist wahrlich kein Fan…
Nein, nicht gerade. Aber selbst sie hat ein meines Erachtens nach sehr gutes Statement abgegeben, dass sie diese Abschaltung des Präsidenten bei Twitter für sehr bedenklich hält.
Vielleicht eine abschließende Frage, über Donald Trumps Verfehlungen wurde hinlänglich debattiert. Jetzt tritt er in jedem Fall ab, und da ist es eigentlich üblich, eine weitere Perspektive einzunehmen, innezuhalten und Resümee zu ziehen. Was würden Sie also sagen, ist seine Bilanz, sein Vermächtnis? Was ist seine, sagen wir mal, zeitgeschichtliche Bedeutung?
Er hat Historisches im nahen Osten geleistet, er hat die Wirtschaft entschieden voran gebracht. Und ich denke, er hat für viele wichtige Themen sensibilisiert, viel in Bewegung gesetzt. Gerade auf internationaler Ebene, was auch Deutschland indirekt betrifft. Er hat die Ungerechtigkeiten in der NATO angeprangert, deutlich gemacht: das, was die Chinesen da veranstalten, das ist nicht in Ordnung – weder in der Frage des fairen Handels noch in der Frage der Menschenrechte. Eine gute Kommunikation hat er nie gehabt. Aber die Politik, die er umgesetzt hat, die Energie, die Ergebnisse – das wird Amerika prägen.
Danke für das Interview!