Ein Syrer hat in einem ICE vier Menschen verletzt. Bei seiner Festnahme soll er gegenüber den Polizeibeamten geäußert haben: „Ich bin krank, ich brauche Hilfe“. Das darf er natürlich sagen, aus welchem inneren Antrieb heraus auch immer. Ein Polizeichef wiederholt diesen Satz am nächsten Tag auf der Pressekonferenz, um damit zu begründen, warum der Beschuldigte „psychisch krank“ sein könnte. Ich räume ein, dass ich bei dieser „Begründung“ dachte, meinen Ohren nicht zu trauen. Außerdem wird auf der PK ein (Schnell-) „Gutachten“ angeführt. Dieser Umstand wird von den Medien umgehend aufgenommen und in der Berichterstattung in den Vordergrund gestellt. Ob der Beschuldigte tatsächlich „psychisch erkrankt“ ist oder nicht, soll hier nicht Gegenstand meiner Erläuterung sein, zumal das aus der Ferne ein Stochern im Nebel wäre. Wer bei Nebelschwaden an „Gutachten“ denken muss, liegt nicht immer falsch:
Neben den meisten geräuschlos vonstattengehenden Gutachten, gab und gibt es auch immer wieder tragische und aufsehenerregende Negativbeispiele. Angefangen bei Hochstaplern, über getötete Polizisten, deren Tod vermeidbar gewesen wäre, bis hin zu anderen spektakulären Fällen der Scharlatanerie oder Gefälligkeitsgutachten.
Die erfahrene Psychologin Andrea Jacob berichtet, dass sie 300 Gutachten in den letzten sechs Jahren analysiert habe und kein einziges wäre verwertbar gewesen. Auch eine Studie der Fern-Universität Hagen wertete 116 Gutachten im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm aus:
„Erhebliche handwerkliche Fehler“ bei der Erstellung rechtspsychologischer Gutachten haben Prof. Dr. Christel Salewski und Prof. Dr. Stefan Stürmer dabei ausgemacht. Sie spürten zahlreiche defizitäre psychologische Fundierungen des handwerklichen Vorgehens und den Einsatz fragwürdiger Diagnoseinstrumente auf: „Tatsächlich erfüllt nur eine Minderheit der Gutachten die fachlich geforderten Qualitätsstandards“, so Prof. Salewski. Diese wurden meistens von Diplom- bzw. „Master of Science (M. Sc.)“- Psychologen verfasst. Es geht um schwerwiegende Qualitätsmängel. 35 Prozent der Gutachten hätten methodisch problematische Verfahren und unsystematische Gespräche, ungeplante Beobachtungen, keine oder ungenügende Tests bzw. testähnliche Verfahren verwendet. Die Ergebnisse wären alarmierend (Dokument im Internet inzwischen gelöscht): etwa ein Drittel bis zur Hälfte der Gutachten seien fehlerhaft.
Nachahmungsgefahr
Es erscheint auf den ersten Blick berechtigterweise sehr verwunderlich, dass ein angeblich geistig erkrankter Messerstecher, der soeben vier Männer mit einer acht Zentimeter langen Klinge schwer verletzt hat, diesen rational durchdachten Satz in einem länger andauernden und kräftezehrenden Hochstressszenario noch zu äußern in der Lage ist. Dazu wären die wenigsten Gesunden imstande. Der angeblich erkrankte Syrer konnte diese rationale Denk-und Sprachleistung jedoch vollbringen. Dieser Meinung schließt sich inzwischen auch der Tübinger Gerichtspsychiater Peter Winckler an, der in drei Jahrzehnten 2.500 Gutachten erstellt hat: „Wenn der Tatverdächtige den Polizeibeamten vor der Festnahme zuruft, er sei krank, dann passt das nicht in das charakteristische Bild einer akuten Schizophrenie.“
Es ist keinesfalls so, dass potentielle Attentäter und Terroristen kein TV sehen oder Zeitung lesen. Der permanente Verweis auf eine angeblich „Erkrankung“ und die damit verbundene Kategorisierung „Nicht schuldfähig“ könnten genauso gut als Anreiz verstanden werden, ein solches schweres Verbrechen zu begehen, um in der forensischen Psychiatrie anstatt einem deutschen Knast zu landen und sein restliches Leben oder zumindest die nächsten Jahre somit in Deutschland verbringen zu können. Vor allem wenn eine Ausweisung gedroht hat.
Was mir besondere Sorge bereitet, ist die Tatsache, das seit Jahren Messermänner, Totschläger, Mörder, Attentäter und Terroristen als „psychisch krank“ oder zumindestens „psychisch gestört“ gelten, wenn sie denn nur einen Migrationshintergrund haben. Die mögliche negative Lerngeschichte, an der gebetsmühlenartigen Wiederholung dieses Umstandes, ist ein ausgestellter virtueller „Freifahrtsschein“ für Nachahmungstäter. Denn jede schwere Straftat muss (bzw. sollte) zeitnah konsequent geahndet werden. Es darf nicht sein, dass sich Täter hinter einer angeblichen psychischen Erkrankung verstecken können.
Steffen Meltzer ist Autor von Ratgeber Gefahrenabwehr – So schützen Sie sich vor Kriminalität (Der Beitrag enthält Auszüge von vorangegangenen Artikeln.)