In den letzten Wochen, Monaten und Jahren gab es immer mehr Meldungen über schreckliche Attentate – über Menschen, die andere gezielt mit dem Auto an- oder überfuhren, mit dem Messer oder anderen scharfen Gegenständen attackierten oder um sich schossen. Liest man solche Nachrichten, drängt sich bei vielen sofort der Gedanke auf, dass es sich um einen Terrorakt handelt – wie bei den LKW-Anschlägen in Berlin und Nizza 2016 oder der grauenvollen Anschlagsserie 2015 in Paris. Die meisten Fälle, von denen man in letzter Zeit lesen konnte, entpuppten sich aber schon nach kurzer Zeit eben nicht als Taten von islamistischen, rechtsradikalen oder anderweitig ideologiegetriebenen Attentätern, sondern als Gewalttaten psychisch schwerst gestörter und unbehandelter Psychotiker. Was für manche zunächst wie eine Ausrede klingen mag, ist ein sehr reales, staatlich verantwortetes Problem, das alle Bevölkerungsgruppen betrifft und nicht nur in Deutschland auftritt. Das zeigte sich erst vor kurzem wieder, dieses Mal in Kopenhagen – als ein 22-Jähriger ein Einkaufszentrum betrat und unvermittelt um sich schoss.
Ein Augenzeuge berichtete der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“, dass er auf den Schützen traf, als er gerade nach seiner zweijährigen Tochter suchte. Noah E. trug Jagdkleidung und eine Langwaffe – genauer gesagt eine SIG Sauer 200 STR Match, ein bei skandinavischen Schützen beliebtes Sportgewehr. Als der Täter sah, dass der Augenzeuge ihn filmte, soll er gelacht und gesagt haben, dass das keine echten Schüsse seien. Und auch wenn das in der Welt des – wie später bekannt wurde – psychisch schwerst kranken Mannes so gewesen sein mag, in der Realität waren sie tödlich – kosteten drei Menschen das Leben. Noah E. wurde nur kurze Zeit später festgenommen, wobei man neben dem Gewehr auch ein Messer sicherstellen konnte. Er gestand die Tat noch in der gleichen Nacht. Nach Polizeiangaben sei der Mann „grundsätzlich bekannt“ und in der Vergangenheit in psychiatrischer Behandlung gewesen – er „weise eine entsprechende Vorgeschichte auf“. Zu mehr Details wollte man sich zunächst nicht äußern, es würde nach Ansicht der Polizei aber kein Terror-Angriff vorliegen.
Der Fall erinnert stark an den des 37-jährigen Dänen Espen B. (TE berichtete), der 2021 im skandinavischen Nachbarland Norwegen mit Pfeil und Bogen um sich geschossen hatte und anschließend fünf Menschen mit einem Messer tötete – und an den von Tobias R. in Hanau. Alle drei Täter veröffentlichten vor ihren Taten Videos im Internet, alle drei waren der Polizei und teilweise auch Staatsanwaltschaft bekannt und alle drei hatten Zugang zu Waffen. Während man bei Espen B. zunächst von einem islamistischen Motiv ausging, propagieren unsere Politiker bis heute den vermeintlich rechtsradikalen Terroranschlag von Tobias R. – beide Männer waren aber nur vordergründig ideologiegetrieben, denn sie litten beide an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie, einer Erkrankung, die auch religiösen und politischen Wahn auslösen kann.
Bei solchen Wahnphänomenen handelt es sich um eine inhaltliche Denkstörung, bei der die Betroffenen unbeirrbar von etwas überzeugt sind, das erwiesenermaßen nicht den realen Tatsachen entspricht – die Überzeugung des Betroffenen ist dann rational nicht mehr zugänglich und wird trotz jedwedes gegenteiligen Beleges aufrechterhalten. Wahnvorstellungen können dabei ganz unterschiedliche Formen annehmen – es gibt z.B. den Beeinträchtigungswahn, Verfolgungswahn, Vergiftungswahn, hypochondrischen Wahn, Größenwahn, Verarmungswahn, Versündigungswahn, Eifersuchtswahn, religiösen Wahn, Liebeswahn und die wahnhafte Personenverkennung. Die meisten Betroffenen, die ich selbst erlebt habe, litten unter Verfolgungswahn: Sie dachten, dass sie von der CIA, der Stasi, der Mafia, den Nationalsozialisten, Trump oder dem Satan höchstselbst verfolgt und kontrolliert werden. Erst vor ein paar Tagen versuchte ein 62-jähriger Mann in Hamm plötzlich seinen langjährigen Nachbarn zu erstechen, weil der Teufel es ihm befohlen habe.
Man kann sich den völligen Realitätsverlust solcher Menschen wahrscheinlich kaum vorstellen, wenn man ihn nicht selbst einmal erlebt hat. Das sind Menschen, die in ihrem Kopf quälende, befehlende Stimmen hören, so real wie für uns der Lärm der nächsten Baustelle oder die nervige Musik unserer Nachbarn. Sie haben so irrationale Überzeugungen, dass sie jeglicher Logik entbehren – einem normalen Menschen würden sie nicht einfallen. Oder hätten Sie jemals auch nur daran gedacht, dass jemand wirklich davon überzeugt sein könnte, dass der Kontakt mit Wasser seinem Herz schaden könnte? Dass er sich deshalb über Jahre nicht mehr wäscht? Oder dass jemand sich so krankhaft verunreinigt fühlt, dass er chemische Reiniger trinkt, um sich irgendwie zu behelfen?
Alle genannten Beispiele sind von paranoid Schizophrenen. Auch bei Noah E. liegt die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie nahe – sie ist mit 65 Prozent der Erkrankungsfälle die häufigste Form der Schizophrenie und wird durch Wahnphänomene und Halluzinationen charakterisiert. Eben diese Symptome – die man zur Positiv-Symptomatik zählt, der Symptomatik der akuten psychotischen Krankheitsepisode – stehen in engem Zusammenhang mit Aggressionen sowie der Ausübung von Gewalt-, Straf- und Tötungsdelikten – das ist wissenschaftlich gut untersucht, in unterschiedlichen Ländern und Kulturen. Ein weiterer gut untersuchter Risikofaktor ist Alkohol- und Drogenmissbrauch. Ungefähr 50 Prozent aller Patienten mit Schizophrenie erfüllen gleichzeitig die Kriterien für Substanzmissbrauch oder -abhängigkeit. Patienten mit dieser Doppeldiagnose (wie wohl bei Espen B.) sind häufiger männlich und jünger bei Krankheitsbeginn als solche, die nur die Diagnosekriterien für Schizophrenie erfüllen. Sie zeigen außerdem eine geringere (meist überhaupt keine) Behandlungseinsicht sowie im erhöhten Maß eine allgemein verminderte Lebensqualität (soziale Isolation, Arbeitslosigkeit, Verwahrlosung und Obdachlosigkeit) – beide Faktoren erhöhen für sich ebenfalls das Gewaltrisiko.
Dieser Politik ist es auch zu verdanken, dass, bis überhaupt jemand wegen Eigen- und Fremdgefährdung nach PsychKG (dem Gesetz für Psychisch Kranke) in einer psychiatrischen Klinik untergebracht wird, in der Regel schon etwas wirklich Schlimmes passiert sein muss – so wie bei Tobias R. in Hanau (10 Tote), Jibril A. in Würzburg (3 Tote), Gor H. in Berlin (1 Tote), Markus R. in Hamm (1 Tote), Stefan G. in Mannheim (2 Tote) und vielen mehr, die Liste ist lang. Solange sich an der linken Psychiatrie-Politik nichts ändert, trägt der Staat an jedem einzelnen Toten und Verletzten eine Mitschuld. Und das schließt den Kranken ausdrücklich mit ein. Schizophrene haben ein lebenslanges Suizidrisiko von zehn Prozent. Wenn sie sich getrieben von Stimmen oder anderen Halluzinationen und Wahnvorstellungen nicht selbst umbringen, dann sterben sie nicht selten an offenen, neurotisierten Wunden oder anderen Krankheiten, die sie aufgrund ihres Wahns nicht behandeln lassen. Ganz deutlich ausgedrückt, lässt man sie verwahrlosen und auf der Straße verenden – das soll dann die Freiheit des Kranken sein. Ich nenne das: unterlassene Hilfeleistung.
Die meisten Schizophrenen Gewalttäter (sei es gegenüber sich selbst oder anderen) sind vor ihren Taten immer wieder in psychiatrischer Behandlung und den Behörden aufgrund kleinerer Gewaltausbrüche, durch Delikte wie Körperverletzung, Diebstähle, Vandale oder Anfeindungen anderer bekannt – so auch im aktuellen Fall von Noah E. in Kopenhagen, der vor seiner Tat sogar noch erfolglos versucht haben soll, einen Krisendienst zu erreichen. Hätte man nach den ersten Kontakten mit der Psychiatrie und Behörden, als das Bedrohungspotenzial sichtbar wurde, konsequent gehandelt – den Mann, auch wenn es unschön ist, zwangsmedikamentiert und dafür gesorgt, dass seine Mitgliedschaft in seinem Sportschützenverein beendet wird –, könnten auch in diesem Fall viele Menschen heute noch leben.
Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.