Tichys Einblick
Zwischen den Fronten des Nahost-Konflikts

Pro-Palästina-Aktivisten rächen sich an großen Marken

In Filialen ausgesetzte Ratten und Mäuse, Pöbeleien und Boykotte: Pro-Palästina-Anhänger und angeschlossene Aktivisten bestrafen sämtliche Statements und Aktionen von Unternehmen zum Krieg in Gaza. Manche dieser Racheakte wirken sich auf die Verkaufszahlen der Unternehmen aus. Aber nicht unbedingt ins Negative.

Pro-Palästina-Demo vor Starbucks-Filiale in Toulouse, Frankreich, am 13. Januar 2024

IMAGO / ABACAPRESS

Aktivisten werfen Mäuse in Geschäfte, bespucken und beschimpfen Kunden, und rufen zum Boykott bestimmter Marken auf: Unternehmen, die sich auf die eine oder die andere Seite im Nahost-Konflikt schlagen, erhalten einen „Shitstorm“ von den „Aktivisten“ der Gegenseite. Und dieser Shitstorm breitet sich rasant aus. Die sozialen Medien wie TikTok und Instagram sind voll mit Hashtags wie #FreePalestine oder #StandWithIsrael. Diese landen unter Beiträgen, die sogenannte „Content-Creator“ veröffentlichen, also Leute, die Inhalte in den sozialen Medien erstellen.

In ihren Beiträgen erklären sie anderen TikTok-Nutzern, welche Marken sie noch kaufen dürfen und welche sie boykottieren sollen. Wer die Beiträge sieht, entscheidet bei TikTok ein Algorithmus: Beiträge, die viel gesehen und auf die viel reagiert wurde, werden bei mehr Nutzern angezeigt. Vor allem drei große Unternehmen stehen im Mittelpunkt: Starbucks, Coca-Cola und McDonald’s. Dabei ernten sie Kritik, egal auf welche Seite sie sich schlagen: Pro-Israel oder Pro-Palästina. Teilweise wirkt sich diese Kritik in schlechten Zahlen für das Unternehmen aus.

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So ist zum Beispiel der Wert von Starbucks-Aktien seit Mitte November um rund 14 Prozent gesunken und fällt weiter. Wie Blick berichtet, hat die Gewerkschaft „Workers United“, die Tausende von Starbucks-Angestellten vertritt, Mitte Oktober einen pro-palästinensischen Tweet gepostet. In diesem sympathisiert die Gewerkschaft mit der „Jewish Voice for Peace“, einer Organisation, die sich gegen den „Völkermord“ in Gaza ausspricht, auch wenn sie die Taten der Hamas verurteilt. Nach eigener Aussage verfolgt die Organisation das Ziel, dass Palästinenser und Israelis in Freiheit und Gleichberechtigung leben können.

Die Kommentare zu dem Tweet der Starbucks-Gewerkschaft gehen diametral auseinander: Die einen – hauptsächlich Muslime – applaudieren dem Tweet der Starbucks-Gewerkschaft; andere kritisieren den Post und verweisen darauf, dass es Hamas-Terroristen gewesen seien, die am 7. Oktober in Israel einen „Genozid“ veranstaltet haben. Sie meinen, die Starbucks-Angestellten würden mit diesem Tweet zeigen, dass sie mit Mördern und Vergewaltigern sympathisierten. In den Kommentaren kündigten einige Twitter-Nutzer folglich dankbar an, keine Produkte von Starbucks mehr kaufen zu wollen.

Auf diesen Tweet seiner Angestellten reagierte Starbucks „empört“, wie Blick berichtet. Das Unternehmen versucht demnach klarzustellen, dass es nicht mit den Äußerungen von „Workers United“ übereinstimme und Terror- sowie Gewaltakte verurteile. Starbucks habe die Gewerkschaft sogar wegen Markenrechtsverletzung angeklagt, wie das Manager Magazin berichtet.

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Allerdings sind wiederum Pro-Palästina-Aktivisten der Meinung, dass Starbucks den „Genozid“ in Gaza unterstütze, und rufen wiederum zum Boykott der Kaffeehaus-Kette auf. Entsprechend wird Starbucks in den letzten Monaten von Unterstützern beider Parteien kritisiert und boykottiert. Das aber nicht nur in den USA, in denen „Workers United“ einflussreich ist, sondern auch in Deutschland: Wie das Manager Magazin berichtet, haben Teilnehmer einer Pro-Palästina-Demonstration im November Kunden vor einer Starbucks-Filiale in Berlin „angepöbelt und bespuckt“ (dazu ein TikTok-Video).

Neben Starbucks boykottieren Pro-Palästina-Aktivisten auch McDonald’s. Die Fastfood-Kette habe tausende Mahlzeiten an israelische Soldaten und israelisches Gesundheitspersonal gespendet und gebe den Soldaten zudem Rabatt auf ihre Produkte, wie Blick und Business Insider berichten. Die Aktivisten rächten sich für diese Spenden-Aktionen: Sie haben laut Focus kastenweise Mäuse und Ratten in britische McDonald’s-Filialen geworfen. Dass McDonald’s ein Franchise-Unternehmen ist und die Aktion des Franchisers in Israel unabhängig von britischen McDonald’s-Filialen ist, scheint die Aktivisten nicht zu kümmern.

Ebenfalls fällt Coca-Cola unter deren Kritik: Diese Marke arbeite auf „gestohlenem palästinensischen Land“, wie es in einigen TikTok-Videos heißt (siehe hier). Es handelt sich um einen Industrie-Park in Atarot, einer aktuell israelischen Siedlung im Norden Jerusalems, die nah an der Grenze zum Gaza-Streifen liegt. Aber die Aktivisten meinen, Atarot gehöre zu Palästina und Coca-Cola ignoriere das internationale Recht, indem sie in diesem Ort produzieren. Somit wollen sie auch diese Marke boykottieren. Aber dieser Boykott scheint weniger erfolgreich zu sein: Der Konzern konnte seine Verkaufszahlen in den letzten Monaten sogar erhöhen, obwohl die Softdrinks – abgesehen von den Boykottaufrufen – teurer geworden sind, wie „wallstreet online“ berichtet.

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Für manche Marken geben die Pro-Palästina-Anhänger zumindest Gründe für den Boykott an. Andere Marken, wie H&M und Mango nennen sie in ihren TikToks ohne Begründung und lassen somit ihre Community spekulieren, weshalb sie diese Modemarken ebenfalls nicht mehr kaufen sollen: Einige vermuten, es liege daran, dass diese Unternehmen ihre Geschäfte in Israel nicht schließen wollen. Für diese TikTok-Nutzer ist das offenbar ein Grund, dass sich ein Unternehmen auf die israelische Seite im Nahost-Konflikt schlage. Bei dem Modegiganten Zara wurde eine Kampagne, die noch vor dem 7. Oktober 23 geplant wurde und entstand, aber eben später on air ging, aufgrund zahlreicher Proteste zurückgezogen: Die Bilder der Kampagne erinnerten die Pressure Groups teilweise an Body Bags mit getöteten Kindern und stellten insgesamt eine Verherrlichung von Kriegsgreuel dar. Zara entschuldigte sich.

Ebenfalls vermischen die Unterstützer Palästinas Sport und Politik: So fordert zum Beispiel ein TikTok-Creator, dass Puma boykottiert werden solle, weil diese Marke die israelische Nationalmannschaft und die „Israel Football Association“ (IFA) sponsere (siehe TikTok-Video).

Insgesamt dienen sämtliche Statements und Verbindungen zwischen Israel und einer Marke, wie zum Beispiel ein Geschäft in dem Land zu führen, als Gründe für die pro-palästinensischen Aktivisten, diese zu boykottieren. Unter dem Hashtag #21dayschallenge verbreiten sich diese Videos wie ein Lauffeuer. Und das nicht nur unter Muslimen oder Pro-Palästinensern, sondern verschiedensten TikTok-Nutzern. Allerdings gewinnt die Pro-Palästinenser-Seite in den sozialen Medien überhand, während die Pro-Israel-Seite eher untergeht.

Die Tagesschau hat dazu Benjamin Gust, einen Professor der Technischen Hochschule Mittelhessen, interviewt. Der meint, der Algorithmus kenne kein „journalistisches Gatekeeping“ und achte nicht auf Ausgewogenheit. Stattdessen sorgten die „nackten Zahlen“ dafür, dass sich die Videos der pro-palästinensischen Aktivisten schnell verbreiteten. Immerhin stehen Schätzungen zufolge den weltweit rund 15 Millionen Juden mehr als zwei Milliarden Muslime entgegen, wie die Tagesschau angibt (siehe TikTok-Video).

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