Tichys Einblick
Ungewisse Zukunft der Raffinerie in Schwedt

PCK Schwedt: Eine Pressekonferenz, die beruhigen sollte, beunruhigt zutiefst

Der Bund und das Land Brandenburg behaupten, die Öl-Versorgung der größten Raffinerie in den östlichen Bundesländern zu sichern. Doch mit widersprüchlichen Informationen stiftet das Bundeswirtschaftsministerium Verwirrung und befeuert Spekulationen, die letztlich dem Standort Schwedt schaden.

IMAGOO/Steinach

Die Pressekonferenz zur „Task Force Schwedt“ begann mit einer Dreiviertelstunde Verspätung. Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte die Sondersitzung einberufen. Einziger Tagesordnungspunkt sollte „der Bericht der Bundesregierung über die Sicherstellung der Versorgung der PCK Raffinerie mit Rohöl“ sein. Die Pressekonferenz sollte die Öffentlichkeit beruhigen, doch erreichte sie genau das Gegenteil. Es wurde nur allzu deutlich, dass Michael Kellner, Staatssekretär in Robert Habecks Bundeswirtschaftsministerium, offensichtlich nicht weiß, womit er umgeht, und die brandenburgische Landesregierung, die sich leichtsinnigerweise auf Habecks Schwedt-Plan eingelassen hatte, macht nun anscheinend grimmige Miene zum bösen Spiel.

Welcher Plan? Das muss man nach Kellners ungenauen, selten zusammenhängenden Äußerungen fragen. Schwierig ist die Berichterstattung über das PCK Schwedt schon deshalb, weil die Statements von Robert Habeck und Michael Kellner inzwischen eine eigene, wendungsreiche Geschichte abgeben. Mit seiner widersprüchlichen Informationspolitik, die mehr den eigenen Wünschen als der Realität zu entsprechen scheint, stiftet das Bundeswirtschaftsministerium Verwirrung und befeuert Spekulationen, die letztlich dem Standort Schwedt schaden.

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Deshalb zunächst zum Sachstand: Die Raffinerie in Schwedt ist in Schwierigkeiten geraten, weil erstens die Bundesregierung im Gegensatz zur polnischen Regierung den Import russischen Erdöls untersagt hat. Polen bezieht weiter Öl aus Russland. Polen importiert 10 Prozent seines Erdölbedarfs aus Russland, circa 3 Millionen Tonnen.

Zweitens hat die Bundesregierung, um Polen entgegenzukommen, Rosneft Deutschland unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt, um Rosneft letztlich zu enteignen. Um das zu bewerkstelligen, müssen Habeck und Kellner tricksen, sie müssen vom Bundestag einen Paragraphen im Energiesicherungsgesetz bestätigen lassen, der die Enteignung ermöglicht. Ob diese Enteignung vor einem Internationalen Schiedsgericht dann Bestand hat, Paragraph hin oder her, ist höchst zweifelhaft, nicht weniger wackelt die Vorstellung, dass ein neuer Mehrheitsgesellschafter unter zweifelhaften Rechtsverhältnissen in Schwedt einsteigt. Der zweitgrößte Gesellschafter, Shell, dürfte die Chance nutzen, sich aus dem PCK zu verabschieden.

Was Kellner im Wirtschaftsausschuss des Landtages als gute Nachricht verkaufte, ist in Wahrheit ein Desaster. Halten wir fest – und unterstreichen wir diesen Termin dreimal mit Rot: Frühestens im Juni können die konkreten Übernahmeverhandlungen – mit wem auch immer? – beginnen.

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Drittens lässt sich bis zum heutigen Tag nicht erkennen, wie die Raffinerie im notwendigen Maße weiter mit Erdöl versorgt werden soll. Mitte vorigen Jahres hieß es von Habeck und Kellner noch, dass das PCK Schwedt über die Häfen Rostock und Danzig Rohöl bezieht, dann kam plötzlich die Idee hinzu, durch die Pipeline Drushba kasachisches Öl anzuliefern. Was geblieben ist, ist die Versorgung der Schwedter Raffinerie durch den Hafen Rostock über eine Notpipeline, die 1963 in Betrieb ging.

Zur Pressekonferenz wurde Michael Kellner verdächtig still, wenn es um die Lieferungen aus Kasachstan ging. Er sprach auch nur noch von einem Tender, den die kasachische Ölgesellschaft ausgeschrieben haben soll, und der noch dazu klein sei. Ein Tender ist eine Ausschreibung für Öl, die von einem Erdölkonzern zusätzlich zu der Menge, die in Verträgen festliegt, international zur Auktion ausgeschrieben wird. Also nichts Langfristiges, nichts, womit man auf Dauer rechnen kann. Weniger als die berühmte Hand in den Mund.

Stattdessen pries Kellner die Ertüchtigung der alten Pipeline von Rostock nach Schwedt. Allerdings, räumte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach ein, würde das im Idealfall zwei Jahre in Anspruch nehmen – und beginnen könne man ohnehin erst, wenn Brüssel die Finanzierung der Ertüchtigung der Pipeline nicht als verbotene Beihilfe einschätzt. Steinbach betonte, dass man für die Ertüchtigung der Pipeline das Geld aus Brüssel unbedingt benötigen würde und man keinen Plan B in der Tasche habe, wenn das schief ginge. Mit anderen Worten: Es handelt sich um ein Vabanque-Spiel.

Und dann zog Michael Kellner ein wunderliches As aus dem Ärmel: Es sei kein Problem, wenn die Auslastung der Raffinerie in den nächsten Monaten unter 50 Prozent sinken sollte, denn schließlich würde im Mai und Juni ohnehin eine Revision, also eine Wartung der Raffinerie, durchgeführt, die letzte hätte vor 8 Jahren stattgefunden.

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Wirtschaftsstaatsekretär Kellner wurde auch nicht müde zu behaupten, dass diese Revision ja seit vier Jahren schon geplant gewesen sei und man sich dabei gar nichts weiter denken solle, das sei alles ganz normal und wie allzu oft gesagt, schon seit vier Jahren geplant. Wenn aber die Wartung bereits seit vier Jahren fürs Frühjahr geplant ist, weshalb wurde sie weder im September noch im Dezember erwähnt? Nicht einmal im Januar wurde sie erwähnt, wo man laut dpa im Bundeswirtschaftsministerium noch von 70 Prozent Auslastung träumte, während sie doch tatsächlich bei circa 54 Prozent lag und die Frage der Belieferung der Raffinerie mit Rohöl heiß diskutiert wurde. Warum wird in diesem Moment über die Revision gesprochen, nachdem offiziell weder aus der Drushba-Pipeline noch von Danzig ausreichend Rohöl kommt, und allein die alte Pipeline von Rostock das PCK beliefert, die ächzend den Bedarf für eine Auslastung von 50 Prozent schafft? Danach hätte man den Geschäftsführer Ralf Schairer vom PCK gern gefragt. Allein, er durfte nichts auf Podium, sich nicht den Fragen der Journalisten stellen. Hatten die Politiker Angst, dass dem Manager eine unpolitische Äußerung entfahren könnte?

In seinem Eingangsstatement lobte Ministerpräsident Dietmar Woidke die Erfolge in Schwedt, also die Leidensfähigkeit der Beschäftigten, und musste dennoch eingestehen, dass man noch nicht im Zustand der Verlässlichkeit sei, um planbarer arbeiten zu können. Wie bereits angemerkt, man lebt von der berühmten Hand in den noch berühmteren Mund. Ein Teil des Problems sei die Gesellschafterstruktur. Ein Problem, das übrigens Bundes- und Landesregierung erst geschaffen haben – Polen zu Gefallen.

Fassen wir zusammen: Woher das Rohöl für Schwedt kommen soll, weiß man noch nicht – und letztlich muss man das auch nicht wissen, schließlich sei es nicht Aufgabe der Bundes- und der Landesregierung, Rohöl für die Raffinerie zu beschaffen, sondern das wäre nunmal Aufgabe der Gesellschafter. Der großzügige Staatssekretär Kellner hat aber zu erkennen gegeben, dass die Bundesregierung die Gesellschafter dabei gern unterstützen würde. Der vergessliche Herr Kellner allerdings hat sich in diesem Moment nur nicht daran erinnert, dass der Hauptgesellschafter nun mal die Bundesnetzagentur ist, die das PCK treuhänderisch verwaltet.

Wenn man alle Zahlen zusammennimmt, ergibt sich daraus, dass im Mai das PCK enteignet werden könnte. Doch wie lange würde es dauern, bis ein neuer Gesellschafter einsteigen kann und einsteigen will – und vor allem unter welchen Bedingungen? Würde es September, Oktober? Oder würde es, wenn man alle juristischen Akte – idealerweise ohne Störfeuer von Rosneft – bedenkt, bis ins Jahr 2024 dauern? Hinzu kommt: Mindestens zwei Jahre ab Bewilligung der Förderungen würde die „Ertüchtigung“ der alten Pipeline von Rostock nach Schwedt dauern.

Was mit dem kasachischen Rohöl wird, das noch vor kurzem als Rettung gepriesen wurde, weiß man nicht. Michael Kellner ist sich sicher, dass hier keine zusätzlichen Transitkosten anfallen würden, da das russische Unternehmen Transneft von Kasachstan bezahlt werden würde. Normalerweise wird das Öl ab „Werkstor“ gekauft. Der Transport ist Sache des Käufers, da die Ölpreise sich auf der Welt zwar ähneln, doch die Transportkosten höchst unterschiedlich ausfallen.

Doch weder wollen sich die verantwortlichen Politiker in Zukunft mit Prozentzahlen der Auslastung der Raffinerie beschäftigen noch mit dem Bezug von Erdöl. Sie haben zwar im wahrsten Sinne des Wortes Schwedt die Pipeline zugedreht, doch nun ist es am künftigen Hauptgesellschafter, für die Beschaffung des Rohöls zu sorgen. Wer das sein wird und wann er die Anteile von der Treuhand übernimmt, steht noch in den Sternen. Aber man weiß, dass im Sommer die Auslastung höher zu sein hat und belastbare Lieferverträge vorliegen müssen, die zu schließen sein werden – von wem auch immer. Klar ist: Die Regierung hat gehandelt, sie hat nur keinen Plan.

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Wobei, so ganz stimmt das nicht, denn Michael Kellner hat einen Plan für Schwedt, einen schönen, grünen Wasserstoffplan. Dafür will er auch zwei Pipelines für Wassersoff bauen oder umwidmen, schließlich treibt ihn erkennbar nicht die Sorge um die 1200 Beschäftigten des PCK um, sondern die Angst, dass das Alte (das Erdöl?) das Neue (den grünen Wasserstoff) verstopfen würde. Seltsames Bild. Schließlich soll nach Kellners Vorstellung ab 2025 in Schwedt der erste grüne Wasserstoff erzeugt werden. Wozu also sich mit Erdöl-Problemen herumplagen?

Auch Dietmar Woidke stimmte das Hohelied der erneuerbaren Energien an, pries Brandenburg als Vorreiterland für Windenergie. Nur leider musste er hinzufügen, dass Brandenburg nicht nur Spitze beim Aufstellen von Windrädern ist, sondern auch Spitze bei den Strompreisen. Für den forcierten Ausbau erneuerbarer Energien werde Brandenburg „bestraft“ – doch da hörte Michael Kellner schon nicht mehr zu, sondern schwelgte in seinen Wasserstoffträumen.

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