Dass seit Corona die Grundrechte nicht mehr viel wert sind, wissen wir inzwischen. Dass die Polizei in der Pandemie entstandene Regeln dazu nutzt, um Antisemiten zu schützen und Israel-Unterstützer juristisch zu verfolgen, ist neu, wie die Siegener Zeitung nun berichtet.
Sonntag, in der Stadtmitte von Siegen, am Platz vor dem Theater: Zwei Ehepaare – die sich bis zu diesem Moment gar nicht kannten – laufen sich am Rande einer Pro-Hamas-Demonstration zufällig über den Weg. Ein gemeinsamer Bekannter bringt sie miteinander ins Gespräch.
Jetzt haben sie eine Strafanzeige am Hals.
Möglich machen das die Segnungen des Versammlungsgesetzes von Nordrhein-Westfalen (VersG NRW). Da steht in § 10: „Wer eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel veranstalten will, hat dies der zuständigen Behörde spätestens 48 Stunden vor der Einladung zu der Versammlung anzuzeigen.“
Das VersG NRW wurde im Corona-Dezember 2021 eingeführt. Es war eine der berüchtigten Einschränkungen des Demonstrationsrechts, die Politik und Polizei während der Pandemie nach und nach vor allem dazu nutzten, um regierungskritische Kundgebungen von Gegnern der Corona-Maßnahmen zu unterbinden.
Und jetzt also auch, um Israel-Unterstützern den Staatsanwalt auf den Hals zu hetzen.
Mirjam und Jens Kemper waren mit ihren Kindern am 7. Oktober – dem Tag des palästinensischen Massakers an mehr als 1.400 Israelis – mit ihren Kindern in Tel Aviv. Mit viel Eigeninitiative gelang es der Familie, schnell wieder zurück nach Deutschland zu kommen.
Als sie davon hören, dass jetzt 500 Sympathisanten der Hamas in der Siegener Innenstadt gegen Israel demonstrieren, entschließen sie sich spontan, ein Zeichen zu setzen: Mit selbstgemalten kleinen Schildern „Hamas = Mörder“ stellen sie sich an den Rand der Kundgebung.
Zur selben Zeit sehen sich Jürgen und Dawn Kleinloh die Pro-Hamas-Demo von außen an. Die beiden Rentner sind gläubige Christen und oft in Bethlehem, da machen sie am Gartengrab Jesu sogar Touristenführungen. Jürgen ist 82 Jahre alt und hat Israel-Flaggen an seinem Auto montiert. Die sind schon mehrmals abgebrochen worden.
Die Polizei hat die Kundgebung der Palästinenser-Freunde abgeriegelt, alle Passanten müssen am Rand stehen. Da treffen sich die beiden Paare – und auch noch ein gemeinsamer Bekannter. Man tut, was zivilisierte Menschen in so einer Situation halt tun: Man stellt sich gegenseitig vor und beginnt zu reden.
Das tut man heutzutage aber nicht mehr ungestraft. Jedenfalls nicht in Nordrhein-Westfalen.
Ein Polizist spricht die Fünfer-Gruppe an und fragt, wer die Versammlungsleitung habe. Mirjam Kemper hält das für einen Scherz und antwortet, ebenso scherzhaft und spontan: „Ich.“ Das hätte sie nicht tun soll.
Denn jetzt flattert ihr eine Strafanzeige ins Haus – wegen „unangemeldeter Versammlung“. Das VersG NRW definiert als „Versammlung“ eine Gruppe von mehr als drei Menschen. Wir rechnen: Die beiden Ehepaare und ihr Bekannter waren insgesamt zu fünft. Die Polizei hat Mirjam Kemper als angebliche „Versammlungsleiterin“ angezeigt.
Während gegen die fünf Israel-Freunde jetzt also ermittelt wird, konnten die 500 Unterstützer des Hamas-Terrors völlig unbehelligt von der Polizei ihren Judenhass durch Siegen schreien. Mehrfach deutlich zu hören war die Parole „From the river to the sea“. Der fordert für die Palästinenser einen Staat vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer. Israel käme dann auf der Landkarte nicht mehr vor.
Selbst die nun wirklich nicht als muslimfeindlich bekannte Berliner Staatsanwaltschaft wertet die Parole als strafbar, weil dadurch das Existenzrecht Israels infrage gestellt wird. Die Polizei in Siegen ließ das vor Ort während der Demonstration durchgehen.
Vermutlich waren die Beamten dort zu beschäftigt damit, Strafanzeigen gegen Israel-Unterstützer zu schreiben.