Ob Klimaschutz, Gender, Marxismus, Sozial-, Europa- oder Zuwanderungspolitik: es ist auffällig, dass sich die Kirchen in der Öffentlichkeit weniger zu theologischen/spirituellen Fragen zu Wort melden, als zu solchen politischen Themen. Um diese Politisierung feststellen zu können, muss man nicht unbedingt den evangelischen Gottesdienst ausgerechnet eines früheren SPD-Spitzenpolitikers (Steffen Reiche) besuchen, wie es der Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt zu Weihnachten tat. Der anschließend scheinheilig (denn was wird er wohl erwartet haben?) twitterte, er habe sich wie bei den Jusos oder der Grünen Jugend gefühlt. Ob er zu Ostern zur Abwechslung mal den Gottesdienst eines Pastors besucht hat, der den christlichen Glauben nicht zur Vermittlung politischer Ideologie nutzt, hat er nicht kommuniziert. Jedenfalls hätte es vollends genügt, sich Reden und Artikel der führenden Kirchenleute anzusehen, die eher wie Spitzenpolitiker und nicht wie Glaubensvermittler agieren.
Bischof Bedford-Strohm: sein wichtigstes Anliegen: Der Klimawandel
Einer dieser kirchlichen Spitzenpolitiker ist der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Heinrich Bedford-Strohm. Er wurde zu Beginn der Jamaika-Koalitionsverhandlungen Ende Oktober 2017 bei einem Interview gefragt, was ihm besonders wichtig wäre, wenn er bei den Verhandlungen mit am Tisch sitzen würde. Man sollte meinen, seine Antwort würde irgendetwas mit der Vermittlung/Stärkung des christlichen Glaubens zu tun haben. Oder wenn etwas politischer sein darf, eines der folgenden Themen betreffen: Einsatz für die verfolgten Christen im Nahen Osten und Nordafrika, Hilfe für die in den Flüchtlingsunterkünften bedrohten Flüchtlinge, Bekämpfung des zunehmenden Mobbings gegen jüdische/christliche/atheistische Schüler in deutschen Schulen, Verbesserung des Schutzes ungeborenen Lebens, Verbesserung der finanziellen Ausstattung privater (incl. christlicher) Schulen und so weiter und so weiter. Doch Bedford-Strohm war etwas anderes wichtiger, nämlich (und das ist kein Scherz, sondern wörtlich zitiert): „Der Klimawandel“. Ein größeres Armutszeugnis kann sich ein hoher Kirchenfunktionär wohl selbst nicht ausstellen: für ihn ist tatsächlich eine nur auf Prognosen und Modellen aufbauende, nicht verifizierbare Schätzung der künftigen Temperaturentwicklung das wichtigste kirchlich-politische Anliegen. Nur gut, dass Bedford-Strohm nicht als neuer (Umwelt- oder Klimaschutz)minister vorgesehen war und so vorerst die Eidesformel der Klimareligion „So wahr mir das Kyoto-Protokoll helfe“ ungesprochen geblieben ist.
Die evangelischen Kirchen: Klimaschutzkonzepte statt Glaubenskonzepte
Der Stellenwert der Klimareligion in der evangelischen Kirche lässt dabei nicht hoch genug einschätzen. Allein die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg hat ein 172-seitiges Klimaschutzkonzept erstellt, dazu noch ein Umweltkonzept von 129 Seiten (bzw. 189 Seiten mit Anhang). Und nur die offiziellen Klima-Beschlüsse der EKD und der Landeskirchen haben einen Umfang von 50 Seiten (Stand 11/2016), bei einer Aktualisierung würden wohl etliche Seiten dazukommen. Über entsprechende Konzepte und Beschlüsse zu Glaubensverbreitung, Lebensschutz oder dergleichen liest hingegen man nichts.
Die Selbstaufgabe der Evangelischen Kirche im Rheinland
Was die evangelische Kirche mittlerweile selbst von ihrem eigentlichen, sprich christlichen Glauben hält, zeigte kürzlich die Evangelische Kirche im Rheinland. Deren Landessynode beschloss mit überwältigender Mehrheit, Muslime nicht mehr zum christlichen Glauben bekehren zu wollen. Eine solche Kirche, die nicht mehr davon überzeugt ist, dass der eigene christliche Glaube auch für alle anderen Menschen Grundlage der Erlösung ist, die Jesu Auftrag „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern!“ (Mt 28, 19) ad acta gelegt hat, hat sich selbst aufgegeben.
Kardinal Marx: spricht lieber über Romantik als über Gott
Wer jetzt meint, zumindest bei den Katholiken müsse das doch anders sein, kennt noch nicht Bedford-Strohms Pendant, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Ihm gelang es doch tatsächlich, in der halbstündigen Rede am 10.10.2017 beim traditionellen St. Michaelis-Empfang der katholischen Kirche vor vielen hohen politischen Repräsentanten des Staates (wie zum Beispiel dem Bundespräsidenten) Gott/Jesus nahezu auszublenden; nur ein Mal fand Jesus ganz nebenbei Erwähnung, als er über Heimat sprach. Ansonsten redete er im Stile eines Politikers nichtssagend über Globalisierung und Romantik und alles mögliche Andere, nur nicht über religiöse und theologische Fragen. Immerhin trug er diesmal sein Kreuz und hatte es nicht wie auch sein Amtskollege Bedford-Strohm beim Besuch des Tempelbergs in Jerusalem auf Wunsch der Muslime abgelegt und verleugnet.
Auch in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau zur Zukunft der Europäischen Union kam Gott/Jesus nicht vor. Statt dessen drosch Kardinal Marx die typischen Phrasen x-beliebiger Europapolitiker und schrieb beispielsweise von hinderlichen nationalen Egoismen und populistischen Bestrebungen in Ost- und Südeuropa oder forderte die EU auf, Antworten auf die aktuellen politischen Herausforderungen zu geben.
Der Kardinal, der Karl Marx recht gibt
Diese relativierende, ja fast wohlwollende Betrachtung der Marxschen Gesellschaftstheorie ist angesichts der fundamentalen Unterschiede zwischen Christentum und Marxismus und des unendlichen Leides, das die auf dem Marxismus gründenden Ideologien über die Menschen gebracht haben, unverständlich und nicht zu rechtfertigen.
Auch beim Katholikentag: Klimaneutralität statt Gott
Angesichts einer derartigen Politisierung des Klerus verwundert es nicht, wenn auch in den Laien-Organisationen Gott/Jesus nicht mehr sonderlich bedeutsam erscheint. So haben es etwa die katholischen und evangelischen Jugendorganisation BDKJ und aej im letzten Jahr fertiggebracht, in einem gemeinsamen Sozialpapier nicht ein einziges Mal Gott oder Jesus zu erwähnen, dafür aber 22 Mal das Geld.
Und der kommende Deutsche Katholikentag in Münster, veranstaltet vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken, einer Laienorganisation, wirbt auf der Startseite seiner Internetpräsenz groß mit angeblicher Klimaneutralität. Wie es sich gehört, ist da ein zünftiger Ablasshandel mit dabei. Wer dort hinfährt, soll zum Ausgleich für seine CO2-Emissionen für Solarlampen in Indien spenden. Aus Berlin mit dem PKW macht das aufgerundet 4 Euro = 0,2 Solarlampen. Es ist gewiss nur eine persönliche Einschätzung, aber Solarlampen für Indien scheinen nicht wirklich das drängendste Problem auf dieser Welt zu ein. Im übrigen: Gott/Jesus taucht auf der Startseite des Katholikentags nicht auf. Man muss halt Prioritäten setzen.
Die Kirchen: politisieren im Namen der politischen Klasse
Was die Kirchen beziehungsweise deren ranghohen Vertreter aus Klerus und Laienorganisationen zu dieser Politisierung treibt, ist unklar. Möglicherweise wollen sie damit den zunehmenden Bedeutungsschwund in einer immer weniger kirchlich gebundenen Gesellschaft kompensieren, oder sie selbst sind wie viele andere nur noch auf dem Papier Christen und wenden sich lieber weltlichen Surrogaten (wie soziale Gerechtigkeit oder Klimarettung) zu. Vielleicht ziehen sie aus der grundsätzlich zutreffenden Erkenntnis, dass die Botschaft Jesu durchaus auch politisch ist, den unzutreffenden Schluss, sich in die politischen Auseinandersetzungen einmischen zu müssen – nicht begreifend, dass Jesus kein Politiker war, der die Probleme der Welt durch die Politik zu lösen suchte, sondern durch die Verkündigung seiner Botschaft.
Was die Kirchen ignorieren: Jesus sah in der Politik nicht die Lösung für die Probleme der Welt
Damit soll keineswegs der Gleichgültigkeit oder Teilnahmslosigkeit gegenüber politischen Vorgängen das Wort geredet werden. Selbstverständlich dürfen die Kirchen beizeiten der Politik die ethischen Grundlagen des Christentums nahebringen. Aber wenn sie dabei – wie derzeit wieder einmal in Deutschland – vorrangig als Unterstützer der politischen und medialen Kaste agieren und deren Deutungshoheit zu festigen suchen, dann haben sie etwas grundlegend falsch verstanden. Denn Jesus war nicht der Gehilfe der Mächtigen. Insofern hat aus kirchlicher Perspektive gedacht politisches Engagement der Kirchen in der Erkenntnis zu erfolgen, dass nicht das Eintreten für bestimmte politische Lösungen die Welt besser macht, sondern der Glaube an Christus. Denn – und das kann man nicht oft genug wiederholen – Politik ist nicht die Lösung der Probleme, sondern häufig genug deren Verursacher.
In diesem Sinne ist beispielsweise ein designierter Bischof, der gegen Bürger demonstriert (siehe hier), noch dazu Seit´ an Seit´ mit der Antifa (siehe hier), die sich um die eigene Sicherheit und die ihrer Kinder sorgen, genauso fehl am Platze wie ein Bischof, der den Klimawandel als sein wichtigstes Anliegen ansieht.
Denn wie auch immer man das Verhältnis von Kirche zu Politik sieht – als evangelische oder katholische Partei Deutschlands werden die Kirchen ganz sicher nicht gebraucht.