Tichys Einblick
Politik und Staat versagen:

Mietendeckel, EU-Aufbaufonds, Ausgangssperren – immer öfter zeigen Gerichte die rote Karte

Anstelle von Leidenschaft und Empathie ist die Work/Live-Balance getreten. Anstelle von Verantwortungsbereitschaft, gerade in der Führung, ist ein allgemeines Verschwimmen der Zuständigkeiten getreten. Anstelle von Absprachefähigkeit und Zuverlässigkeit spielerisches Einerlei.

imago Images/Steinach

Gleich zwei mal hintereinander hat die Politik von der dritten Gewalt die rote Karte gezeigt bekommen. Das Gesetz über den mit 750 Milliarden Euro zu bestückenden EU-Fond, zum Heilen der Mitgliedsstaaten von den Wunden der Corona-Pandemie, lag schon auf dem Schreibtisch des Bundespräsidenten im noblen Berliner Schloß Bellevue. So ganz nebenbei hatte man wohl vergessen, dass noch eine Verfassungsklage gegen diesen Mammut-Blankoscheck beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist.

Da aber auch dieses Projekt, wie heute so vieles als alternativlos bei Merkel und Scholz gilt, glaubte man auch dann noch darüber hinweggehen zu können, als aus Karlsruhe die leise vorgetragene Bitte kam, das bereits im Bundestag verabschiedete Gesetz bis zum Abschluss der Prüfung durch Deutschlands oberstes Gericht, nicht durch den Bundespräsidenten abzeichnen zu lassen. Doch Berlin machte die Rechnung ohne den Wirt. Zum allgemeinen Entsetzen des offiziellen Berlin untersagten die Frauen und Männer in roten Roben schlicht diesen an sich formalen Akt. Es bleibt dem Betrachter überlassen, ob es sich beim Verhalten von Kanzler- und Präsidialamt um Chuzpe oder schlichte Schludrigkeit handelte. Fakt ist: Die Bundesregierung steht blamiert da, das Projekt für ganz EU-Europa liegt vorerst auf Eis. Merkwürdig, wie still die großen Meinungsführer des Landes bei ARD, ZDF, aber auch bei den großen Zeitungen darüber hinweg gegangen sind.

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Kurz danach kam die zweite Ohrfeige aus Karlsruhe, die diesmal der rot-dunkelrot-grünen Koalition in Berlin galt. Allen Gesetzmäßigkeiten einer Marktwirtschaft zuwider, glaubte man, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch einen gesetzlich verordneten Mietendeckel zu beheben. Auch dagegen wurde, diesmal durch die Berliner CDU, beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Aber was ist schon das Recht im Vergleich zu sozialistischer Ideologie und dem Hass auf Eigentümer von Wohnraum. Also entfaltete das Gesetz im November vergangen Jahres seine Wirkung.

Vorsichtshalber wies der Senat die Begünstigten daraufhin, dass der von ihrer bisherigen Miete abzuziehende Betrag, im Falle eines ablehnenden Bescheides des Verfassungsgerichts, nachgezahlt werden müsse. Aber da ja der Durchschnittsbürger seinen Politikern ob ihrer Klugheit vertraut, dürften die wenigsten die Differenz auf die hohe Kante gelegt haben. Jetzt hat Karlsruhe Nein gesagt und der Katzenjammer ist groß. Die Linkspartei wußte aber sofort Rat. Sie regte einen Sonderfond des Senats an, aus dem die aufgelaufene Mietschuld bezahlt werden solle. Von wem ist ja wohl klar: Der Steuerzahler soll für die grandiose Fehlleistung des Gesetzgebers büßen.

Wie wäre es denn, wenn die Verantwortlichen in Landesregierung und Parlament, aber auch die dazugehörigen Parteien für den von ihnen verursachten Schaden aufkommen würden? Die sich heute Linkspartei nennende SED dürfte damit ja keine Probleme haben. Nur ein Bruchteil der verschobenen SED-Gelder würde dafür schon ausreichen. Aber wir wollen ja nicht kleinlich sein, zumal in diesen schlimmen Corona-Zeiten.

Auch sonst hat man zunehmend das Gefühl, ohne Justitia, die vielbeschworene dritte Instanz, zur Kontrolle von Exekutive und Legislative sähe es um den demokratischen Rechtsstaat nicht gut aus. In Hannover und Frankfurt, und das sind nur zwei Beispiele von vielen, hoben Verwaltungsgerichte bereits verfügte Ausgangssperren auf. Geht es nach Merkel & Co, wird es solche ungehörigen Urteile schon bald nicht mehr geben. Wie geht denn so was, wird sich jetzt so mancher fragen, der die Bedeutung der Gewaltenteilung noch aus dem Schulunterricht dunkel in Erinnerung hat. Ganz einfach – das mittlerweile schon 4. Infektionsschutzgesetz, das da gerade durchgepeitscht werden soll, macht den Klageweg in solchen Fällen unmöglich. Vermutlich denkt sich heimlich auch so Mancher, wären die alten Säcke und Schachteln in Karlsruhe mit ihrem gestrigen Rechtsbewusstsein doch endlich weg.

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Übrigens, in Sachen Berliner Mietendeckel musste das Verfassungsgericht gar nicht in die Tiefe gehen. Die eifrige Berliner Links-Koalition hatte vor klassenkämpferischem Eifer ganz vergessen, dass sie gar nicht zuständig ist, sondern ausschließlich der Bund regelt das Mietrecht. Wie sagte doch so schön der Schriftsteller Gottfried Benn: Nichts ist schlimmer als der Unterschied zwischen gut und gut gemeint. Wenn es nur so wäre, doch auch hier nur Fehlanzeige. Die Zahl zur Vermietung angebotener Wohnungen ist seit Inkrafttreten des Gesetzes um die Hälfte gesunken. Investitionen in Millionenhöhe wurden zurückgezogen und Sanierungsvorhaben abgebrochen. Dabei kann doch fast jeder wissen, dass Mangelerscheinungen nur durch Wettbewerb und Investitionen beseitigt werden können. Der Staat selbst hängt seinen eigenen Vorgaben im kommunalen Bereich Lichtjahre hinterher. Doch was soll’s, Hauptsache die Ideologie stimmt.

Langsam kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, all die Pannen – vom Impfschlamasssel über die Tragödie BER, die jämmerliche Verfassung der Bundeswehr, der beschämende Zustand der Schulen, der schon lange vor Corona bekannte Pflegenotstand, u.v.m. – haben ihre Ursache in einer, im Vergleich zu den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik, veränderten Mentalität gerade der Entscheidungsträger. Anstelle von Leidenschaft und Empathie ist die Work/Live-Balance getreten. Anstelle von Verantwortungsbereitschaft, gerade in der Führung, ist ein allgemeines Verschwimmen der Zuständigkeiten getreten. Anstelle von Absprachefähigkeit und Zuverlässigkeit spielerisches Einerlei. Hauptsache die Kasse stimmt, wenn’s sein muss auch mit gepumptem Geld. Es lohnt mal wieder, die Geschichte der großen Reiche der Vergangenheit und ihres Untergangs zu studieren – Parallelen wären nicht rein zufällig!

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