Wenn es darauf ankommt, verstecken kirchliche Würdenträger bisweilen ihr Kreuz – wie der katholische Kardinal Marx und der evangelische Landesbischof Bedford-Strohm kürzlich am Tempelberg in Jerusalem. Und als wollte er seinen Taten Worte folgen lassen, veröffentlichte Kardinal Marx vor wenigen Tagen bei der Frankfurter Rundschau einen EU-Politwerbebeitrag, wie er auch von jedem EU-Propagandisten gleich welcher Partei stammen könnte und in dem Gott oder das Kreuz – oder etwas allgemeiner gesagt: das spezifisch Christliche – nicht vorkommen.
Für ihre verfolgten, teilweise unaussprechliche Grausamkeiten erleidenden Mitchristen in den muslimisch geprägten Staaten Afrikas und Arabiens erheben Kirchenfunktionäre hingegen eher selten die Stimme, und noch seltener setzen sie sich aktiv für diese ein. Wie wohlfeil erscheint es da, wenn die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, zu der die katholische Kirche und die diversen evangelischen Gemeinschaften gehören, sich um so lauter ausgerechnet gegen eine friedliche deutsche Oppositionspartei engagiert und sich dem politischen und zuweilen gewalttätigen Kampf der Regierung und radikaler Organisationen gegen diese Partei anschließt, noch dazu mit dem geschichtsfernen und zugleich denunzierenden Motto „Unser Kreuz hat keine Haken“. Gelegentlich, ist man da beinahe geneigt, mit Bertolt Brechts Worten polemisch zu entgegnen, scheinen sie nur überklebt.
Religiöses Desinteresse bei der Jugend
„An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“, heißt es im Neuen Testament bei Matthäus 7,16. Und so muss man sich bei solchen Würdenträgern nicht wundern, wenn junge Leute meinen, sie bräuchten keine Religion. Das ist nämlich das Fazit einer kürzlich veröffentlichten Jugendstudie zur Generation „What?“. Wobei Jugend relativ ist, geht es in der Studie doch um 18 bis 34jährige.
Der Studie nach spielen Kirche und Religion im Leben junger Europäer kaum noch eine Rolle. Europaweit sagten 85 % der Teilnehmer, dass sie ohne Glauben an Gott glücklich sein können, und 86 % äußerten, dass sie kein oder nur wenig Vertrauen in religiöse Institutionen haben. Für Deutschland sehen die Zahlen nicht viel anders aus. Dafür sind die Deutschen staatsgläubig wie sonst in Europa nur noch die Dänen. Nur 51 % erachten hierzulande die Steuerlast als zu hoch, bei den Italienern zum Beispiel sind es 91 %.
Wenn Religion und Gottesglaube keine große Rolle mehr spielen, man aber in diesem Bereich tätig ist, so muss man sich beizeiten neue Geschäftsfelder suchen – dieser Ansicht sind wohl die kirchlichen Jugendorganisationen BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) und aej (Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend). Und so gründeten sie 2015 eine gemeinsame GmbH, die Faire Kohle GmbH, die mit Grillkohle aus Kokosnuss-Schalen handelt.
Das Geschäftsfeld von BDKJ und aej: Politik
Selbstverständlich ist dieser Kohlehandel nicht das primäre Tätigkeitsfeld der beiden kirchlichen Jugendorganisationen. Doch bringt er gut ihr Selbstverständnis zum Ausdruck. Deren eigentliches Geschäftsfeld ist nicht etwa – wie man meinen sollte – der christliche Glaube, sondern die Politik.
Sieht man sich die Internetseite des BDKJ an, findet man dort unter den aufgelisteten Themen von „Arbeit für alle“ über „fairer Handel“ bis „kritischer Konsum“ alles und nichts, jedenfalls kaum Religiöses. Immerhin taucht das Thema Kreuzweg auf. Ähnlich auf der aej-Internetseite. Auf deren Themenseite gibt es zwölf Themen, eines davon heißt zumindest Glaube und Leben. Doch klickt man darauf, sucht man Worte wie Gott oder Jesus vergeblich, stattdessen findet man Links zu Friedenspädagogik und Kriegsdienst. Sogar im Unter-Themengebiet Jugend und Religion sucht man Gott vergeblich, stattdessen erhält man Links zu irgendwelchen Jugendstudien.
Wenn Gender wichtiger als Jesus ist
Gibt man auf der Internetseite des BDKJ in das Suchfeld den Begriff „Jesus/Jesu“ ein, so erhält man 84 Einträge, beim Begriff Begriff „Gender“ sind es 118. Bei der aej sind es immerhin 392 Einträge für „Jesus/Jesu“, jedoch ist das nichts gegenüber 1.358 Einträgen für „Gender“ und 1.694 Einträgen für „Flüchtlinge“ und 1.492 für „Geflüchtete“. [Stand jeweils 02.05.17] Das nennt man dann wohl Prioritäten setzen.
Der BDKJ Köln hat es auf den Punkt gebracht, indem er als oberstes Leitziel ausgegeben hat, „die Lobby für die Jugendverbandsarbeit zu festigen“ und „durch regelmäßige Kontakte zu Verantwortungstragenden aus Politik, Kirche und Gesellschaft gute Politik zu machen“. Nicht etwa für den christlichen Glauben zu werben und ihn zu vermitteln, ist also Zweck kirchlicher Jugendarbeit, sondern Politik zu machen.
Ökumenisches Sozialwort der Jugend: Sammelsurium sozialistischer Forderungen
Insofern ist es folgerichtig, wenn diese beiden – auch vom Bundesfamilienministerium staatlich geförderten – kirchlichen Jugendorganisationen in dieser Woche ein sogenanntes Ökumenisches Sozialwort der Jugend veröffentlicht haben, mit dem sie sich nach eigener Darstellung „im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 gemeinsam zu aktuellen politischen Fragen positionieren“.
Der Titel „Sozialwort der Jugend“, also nicht etwa „an“ oder „für die Jugend“, erscheint etwas fragwürdig, da die Verantwortlichen bei der aej (Generalsekretär Mike Corsa und Vorsitzender Bernd Wildermuth sind Jahrgang 1956 und 1957) und beim BDKJ (Bundespräses Dirk Bingener und die Vorsitzende Elisabeth Maier sind Jahrgang 1972 und 1984) nicht gerade jugendlich daherkommen.
Inhaltlich ist das Sozialwort der Jugend ein undurchdachtes Sammelsurium zahlreicher Forderungen, wie sie sich in den Programmen vor allem der Linken, SPD und Grünen finden.
- Schaffung eines weltweiten Klimaregimes mit effektiven Sanktionsmöglichkeiten
- sozialökologische Transformation der Gesellschaft gemäß dem Grundsatz der Genügsamkeit
- Einheitsschule
- Wahlrecht für alle Einwohner ab 14 Jahre
- Ausbau der Mietpreisbremse
- bedingungsloses Grundeinkommen für Rentner, Kinder und Jugendliche
- Abschaffung der privaten Krankenversicherung
- 30% Umsatzsteuer auf Luxusgegenstände
- Wertschöpfungsabgabe auf Maschinen
- Reaktivierung der Vermögensteuer
- einschränkungsloses Asylrecht
- freies Niederlassungsrecht für Migranten
- Strategien gegen Rechts unterstützen
- Friedenspädagogik als schulverpflichtend
- gendersensible Sprache in allen Institutionen und Publikationen
- Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare
- Schaffung politisch fördernder Rahmenbedingungen für kritischen Konsum
Sozialwort in einfacher Sprache: Gott nein, Geld ja
Natürlich gibt es das Sozialwort der Jugend auch in einfacher Sprache. Die Sprache ist so einfach, dass „Jesus“, „Gott“ und „Kreuz“ im Text genau null Mal vorkommen, der Mammon „Geld“ aber 22 Mal auf den 21 (sehr übersichtlich gehaltenen) Textseiten. Das erinnert an die Aktion „#Gutmensch“ des Erzbistums Köln mit dem BDKJ, bei der nicht das Kreuz oder „Jesus“ auf die Straßen gesprüht wurde, sondern der Begriff „Gutmensch“. Ganz so, als wollte man sagen: „Unser Kreuz ist unsichtbar.“
Das charakteristisch Christliche sucht man im Ökumenischen Sozialwort der Jugend vergebens. Ein Unterschied zu den sozialpolitischen Thesen eines x-beliebigen Parteiprogramms ist nicht erkennbar. Mit diesem Versuch, Politik zu machen, werden die kirchlichen Politaktivisten schwerlich dem Bedeutungsschwund von Kirchen und kirchlichen Jugendorganisationen entgegenwirken. Es bedarf keiner weiteren Mitspieler auf dem Feld der Politik über die Parteien und zahllosen anderen Vereine, Stiftungen und sonstigen Politorganisationen hinaus. Eher schon wird die weiter zunehmende Politisierung des Glaubens die Kirchen mitsamt deren Jugendorganisationen in die Bedeutungslosigkeit führen.