Tichys Einblick
Peter Gauweiler

Einer, der Unverbindlichkeit und Opportunismus nicht kennt

Star-Anwalt Peter Gauweiler - bewundert und gehasst! / Konservativer mit Kampfkraft und Herz / Treues Schlacht-Roß und gewiefter Taktiker als Anwalt und in der Politik / Jurist in der Oberliga seines Berufes, in der Millionenhonorare üblich sind /

picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Einen größeren Gegensatz, ja die Anwesenheit von zwei Welten in einem Raum, kann man sich kaum vorstellen. Gemeint ist der holzgetäfelte Saal eines der obersten bayerischen Gerichte, der Kammer für Wirtschaftsdelikte. Es ist einer der vielen Prozesstage in den 2000er Jahren in der Schadenersatzklage des Münchener Medienunternehmers Leo Kirch gegen den Vorstand der Deutschen Bank. Kirch, einst der im Mediensektor mächtigste Mann Europas – mit 18 TV-Programmen, darunter SAT1, Pro7, Premiere, u.a., einem Netz von eigenen Produktionsfirmen, nahezu 50-Prozent-Anteil an der Axel Springer AG und Besitzer eines der weltgrößten Archive für Filme und Serien, warf Rolf Breuer, dem Vorstandschef des größten deutschen Bankinstituts, vor, durch rufschädigende Äußerungen im amerikanischen Wirtschafts-TV Bloomberg, den Zusammenbruch seines Imperiums verursacht zu haben. Breuer bestritt dies. Schon damals wussten Insider, dass ein Konglomerat aus Politik, vermeintlichen Partnern und Mitbewerbern die Pleite der Kirch-Gruppe aus vorwiegend politischen Motiven organisiert hatten. Immerhin war Kirch für seinen streng konservativen Kurs bekannt, ebenso wie jeder wusste, dass ihn eine enge persönliche Freundschaft mit Bundeskanzler Helmut Kohl verband.

Auf der rechten Seite vom Richtertisch saßen die Vertreter der Star-Anwaltskanzlei Hengelen & Müller aus Düsseldorf, vor ihnen die Top-Manager ihres Mandanten aus Frankfurt. Allesamt in feinste Kiton-Anzüge gekleidet, um die Handgelenke gut sichtbar die Spitzenprodukte der Schweizer Uhrenindustrie, aus den Brusttaschen ihrer Anzüge ragten die feingefalteten Seidentücher – Ton in Ton mit der Krawatte – hervor. Auffällig war nur die ostentative Haltung Rolf Breuers. Mit geradem Oberkörper, den Kopf aufrecht haltend und die Arme die ganze Zeit über der Brust verschränkend, die wulstigen Lippen noch mehr als sonst herausgepresst, schon durch die Mimik seine ganze Verachtung für dieses aus seiner Sicht wohl nicht standesgemäße Gericht und den noch niedrigeren Gegner ausdrückend – kurzum, eine ganze Armada von Kriegern der Rechtszunft war da angetreten.

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Ihnen gegenüber saß ein Mann in Lodenjacke, die Anwaltsrobe um die Schulter gelegt und ab und an eine Prise Schnupftabak genießend, neben ihm ein weiterer Anwalt aus seiner Kanzlei, hinter ihm zwei junge Fräulein, gleichgekleidet mit langem dunkelblauem Rock, weiß-blau gestreiften Stehkragenblüschen, die Haare zum Dutt hochgesteckt, um den Hals jeweils ein goldenes Kettchen mit Kruzifix. Sie hatten die Aufgabe, im Wechsel Protokoll über jedes gesprochene Wort zu führen. Als einer der beisitzenden Richter bemerkte: „Herr Anwalt Dr. Gauweiler, wir haben hier Protokollanten von Amts wegen“, entgegnete der Angesprochene: „Hohes Gericht, doppelt hält besser. Das weiß doch jeder.“ Nicht wenige der anwesenden Beobachter im Gerichtssaal fühlten mit der Zeit eine Mischung aus Bewunderung und Mitleid mit den ohne eine Miene zu verziehenden, lediglich ihre Finger bewegenden jungen Damen.

Wie gesagt, besser kann man entgegengesetzte Welten nicht erleben. Als einige Zeit später einer der Breuer-Anwälte einen Zeugen präsentieren wollte, der ein Kirch belastendes Statement in Englisch vortragen wollte, schoss Gauweilers Arm nach oben. Nachdem der Richter ihm das Wort erteilt hatte, bemerkte der geborene Münchner, es hat sich vielleicht noch nicht bis Frankfurt herumgesprochen, aber die Sprache vor deutschen Gerichten sei immer noch Deutsch. Fassungslose Gesichter auf der Gegenseite als der Richter leicht schmunzelnd beschied: „Der Kollege Gauweiler hat Recht, und bedenken Sie bitte, die Übersetzung bedarf der Beglaubigung durch einen Gutachter.“ Betretene Mienen im Breuer-Flügel.

Apropos Kirch-Prozess. In der Stunde, als die Entscheidung anstand, gegen die mächtige Deutsche Bank zu klagen, fand sich keine einzige der von Kirch über die Jahrzehnte hochgezahlten Anwaltskanzleien der Bundesrepublik bereit, Kirch beizustehen. Offen erklärten ihm selbst „alte Freunde“, dass sie sich nicht mit der Deutschen Bank anlegen könnten. Diese selbst, aber auch viele ihrer sonstigen Mandanten, seien Partner des Geldhauses. In Kirchs verbliebenem Hauptquartier, der Münchner Kardinal-Faulhaber-Straße, überlegte man schon, ob man nicht eine amerikanische Sozietät beauftragen solle. Kirch sträubte sich energisch dagegen und sagte in einer Runde: „Mir fällt nur noch ein Name ein – Peter Gauweiler.“ Eine Stunde später saß der Anwalt vor ihm, und die Schlacht konnte beginnen. Die führenden Kreise der Republik waren sich einig, das wird ein Rohrkrepierer. Kirch, der Pleitier, werde in diesem Prozess ein zweites Mal vernichtet. Doch wie heißt es so schön: „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“. Nach über zehn Jahren voller Teilerfolge und Niederlagen musste der Chefbuchhalter der Deutschen Bank einen Scheck über eine Milliarde Euro austeilen. Erstritten hatte sie durch seine Beharrlichkeit und seinen Kampfgeist Peter Gauweiler. Leo Kirch hat diesen Tag nicht mehr erlebt. Im Juli 2011 hatte ihn der Herrgott abberufen.

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Durch Kampfgeist und Ausdauer, aber auch Unerbittlichkeit hatte Gauweiler schon in vielen Jahren davor, auch als CSU-Politiker, Furore gemacht – immer auf klarem Kurs. Als junger Jurist, mit dem Doktor-Vater Prof. Rupert Scholz promoviert, einem der bis heute international renommiertesten Verfassungsrechtler, erfolgte auch der schnelle Aufstieg auf der Rangleiter der Politik. Unter seinem Mentor Franz Josef Strauß, der schnell zum väterlichen Freund des aufstrebenden Newcomers wurde, avancierte er bis zum Staatssekretär im Bayerischen Innenministerium – hart umstritten wegen seines konsequenten Vorgehens gegen gewaltsame Linksextremisten auf den Straßen und besonders in den Auseinandersetzungen um die geplante Atom-Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf. Auch als er ein Seuchenregister für Aids-Kranke einführen wollte, wurde Gauweiler bundesweit zum Buh-Mann und unterlag im Bundesrat mit 10 zu 1. In München beseitigte er sämtliche Rotlichtviertel und verwies das Gewerbe auf Wohnwagen außerhalb der Stadt. Dann organisierte er eine Kampagne gegen die von Philipp Reemtsma initiierte Ausstellung über die „Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg“. Gauweilers These: „Nur die wenigsten deutschen Soldaten waren Mörder.“

Nach einer Zeit als bayerischer Umweltminister wechselte der fast Berufspolitiker in den Deutschen Bundestag – wie immer direkt gewählt. Dort geriet er mit seinen Ansichten zum Europa-Kurs insbesondere in Fragen des Euro schnell in Konflikt mit seiner Partei. Als er sich gemeinsam mit anderen entschloss, entsprechende Klagen beim Bundesverfassungsgericht einzureichen, legte er sein Mandat im Berliner Reichtstag nieder.

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Auch in anderen Fragen wich er von der offiziellen Parteilinie ab. So zeigte er Verständnis für das russische Vorgehen auf der Krim und lehnte die Kampfeinsätze der Bundeswehr im Kosovo und in Afghanistan ab. Bei all dem agierte Gauweiler aber immer mit offenem Visier und ohne doppelte Spielchen. Das Gleiche gilt für seine persönlichen Freundschaften. Am Sarge seines Ziehvaters Franz Josef Strauß zögerte er nicht, ein Vielen lächerlich vorkommendes „Befehl ausgeführt“ auszurufen. Als ich ihn auf seiner Fahrt zur Trauerfeier für den verstorbenen Alt-Bundeskanzler im Auto anrief, erklärte er mir, dass er auf der Autobahn umgekehrt sei und nun bereits wieder auf dem Weg zurück nach München. Zur Begründung fügte er hinzu: „Bei der Vorstellung, gleich in die vielen unaufrichtigen und scheinheiligen Gesichter blicken zu müssen, überkam mich ein solcher Widerwillen, dass ich beschloss, in Ehrerbietung vor dem Verstorbenen und in seinem Sinne umzukehren.“ Ohne Zweifel, Gauweiler ist einer dieser letzten übrig gebliebenen älteren weißhaarigen Herren, die Unverbindlichkeit und Opportunismus nicht kennen, bei denen das gesprochene Wort gilt, und nicht das gebrochene.

Kein Wunder, dass Gauweilers Kanzlei einen weltweit herausragenden Ruf genießt. Seine Mandanten, über die er niemals spricht, gehören zu den internationalen Führungseliten aus Politik, Wirtschaft und Showbiz. Der Multi-Milliardär Baron von Fink ist nur einer davon und Honorare in auch zweistelliger Millionenhöhe sind in der Oberliga üblich. Nur in Deutschland, dem Land des Neides und der Missgunst, ist man darüber empört. Nur, wer die Gauweilers nicht mehr haben will, muss mit dem Mittelmaß leben. Was dabei herauskommt, kann man derzeit in Berlin erleben.

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