Plötzlich prominent: Anderthalb Jahre nach Koalitionsbeginn liegt die Personalie Patrick Graichen auf der Zunge. Robert Habecks rechte Hand aus der Denkfabrik „Agora Energiewende“ war nie ein Unbekannter. Doch nun, nachdem die Nation enthaust werden soll, fragt man umso deutlicher, wer die Hinterleute des Plans sind, der die Deutschen zum Heizungsaustausch zwingt.
TE-Leser wissen, wie dieses Magazin seit Jahren über die Agora Energiewende berichtet und insbesondere dessen jahrelangen Direktor Patrick Graichen. Auf der Ebene des Bundestags hat der unabhängige Abgeordnete Mario Mieruch jahrelang die Verstrickungen dieses Netzwerks hinterfragt. Holger Douglas und Frank Hennig haben schon vor Jahren auf TE auf den Think-Tank hingewiesen.
Seit Amtsantritt der Ampel hat TE ausführlich über die Hintergründe berichtet. Etwa, dass Graichen nur die Speerspitze eines viel weit gespannteren Netzwerks aus grünen Lobbygruppen ist. Graichen ist der Erbe von Rainer Baake, dem eigentlichen Gründer der Agora und Pate der „Energiewende“. Er war einst die rechte Hand von Joschka Fischer. Vernetzungen aus der rot-grünen Regierungszeit, die damals entstanden, bestehen heute fort. Mit Angehörigen, Bekannten und Erben.
Zu diesem Netzwerk gehört etwa der ehemalige NABU-Präsident und Staatssekretär Jochen Flasbarth, der als Vertreter der Agora Verkehrswende schon 2016 das Ende des Verbrennungsmotors ab dem Jahr 2030 prognostizierte. Eine damals undenkbare Entscheidung. Am letzten Dienstag hat die EU das Verbrenner-Aus ab 2035 beschlossen. Flasbarth gehörte als Staatssekretär im Umweltministerium nicht nur zum Eckpfeiler der Agora, sondern besitzt auch einen direkten Draht zur Deutschen Umwelthilfe. Dort war Rainer Baake einst als Geschäftsführer tätig.
Heute sitzt Flasbarth im Entwicklungsministerium als Staatssekretär. Er ist nicht der einzige Vertreter des Agora Netzwerks. Personen, die in der Exekutive im Umfeld der Agora stehen, sind bzw. waren:
• Cem Özdemir (Grüne), Bundesminister für Landwirtschaft;
• Stefan Tidow (Grüne), Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt;
• Johann Saathoff (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren;
• Michael Theurer (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr;
• Jochen Flasbarth (SPD), Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung;
• früher: Andreas Feicht (CDU), Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft (2019-2021); und
• Norbert Barthle (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft (2018-2021);
• dazu der mehrfache Staatssekretär Rainer Baake (Grüne), der Gründer der Agora und Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), der zuletzt im Bundesministerium für Wirtschaft (2014-2018) war.
Neben diesem Agora-Netzwerk unterhält Graichen auch noch ein persönliches Netzwerk. Es handelt sich dabei um eine Clan-Struktur, die TE schon im Januar 2022 thematisiert hat. Als Parlamentarischer Staatssekretär fungiert im Bundeswirtschaftsministerium Michael Kellner. Er ist mit Verena Graichen, der Schwester von Patrick Graichen, verheiratet. Verena Graichen ist stellvertretende Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie „Senior Researcher“ am Öko-Institut für Energie und Klimaschutz – dessen Finanzierung sich größtenteils aus staatlichen Zuwendungen speist. Am Öko-Institut sitzt auch ein weiterer „Senior Researcher“ für Energie und Klimaschutz, nämlich Jakob Graichen. Er ist der Dritte im Bunde der Geschwister Graichen.
Graichen hat bei seinem Wechseln ins BMWK seinen Posten als Direktor geräumt. Dass die Ideen der Agora im Ministerium weiterleben, hat TE bereits in einem anderen Fall gezeigt. Der Rückbau des Gasnetzes, den Graichen im letzten Jahr angekündigt hat, gab es als Plan schon vor dem Ukraine-Krieg in der Agora. Graichen setzt diesen Plan nur um, völlig losgelöst von außenpolitischen Ereignissen. Dass Graichen zudem zu den Hauptverantwortlichen bei der Hintertreibung einer längeren Laufzeit von Atomkraftwerken steht, ist mittlerweile allseits bekannt.
Habecks Staatssekretär steht nun im Rampenlicht, weil die BILD-Zeitung am Wochenende eine CDU-Anfrage verbreitet hat, bei der rauskam, dass das BMWK mehrere Beamtenstellen ohne Ausschreibung vergab. Die Vermutung, dass es sich um Persönlichkeiten aus dem Umfeld von grünen NGOs handelt, liegt nahe. Zugleich warf ein Focus-Kolumnist ein Licht auf den vermeintlichen Schattenmann Graichen, der aber in Wirklichkeit bekannt wie ein bunter Hund ist.
Was bisher fehlte: der neuerliche Einfluss der Agora. Denn die „Heizungswende“ steht bereits seit Sommer 2022 auf dem Programm der Denkfabrik. Zum selben Zeitpunkt machte Habeck bekannt, auf den Umbau von Wärmepumpen setzen zu wollen. Bereits im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien beschlossen, dass zum 1. Januar 2025 „jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden“ soll. Die konkrete Umsetzung dieser Ziele stand jedoch im Detail nicht fest.
Von erzwungenem Heizungsaustausch war dazumal noch keine Rede. Anders als Politik und Medien erklärte die Agora jedoch ganz genau, was eine 65-Prozent-Klausel bedeutete, nämlich das Ende von Öl- und Gasheizungen, wie wir es kennen. Nicht der Neueinbau, sondern bereits die Vorgabe würde die „fossile Heizung“ verbieten. Am 13. Juli 2022 hieß es auf der Webseite der Agora:
„Die 65-Prozent-Regel besiegelt faktisch das Aus von Öl- und Gasheizungen. Eine schlichte Ergänzung eines herkömmlichen Heizkessels, zum Beispiel mit solarem Warmwasser, reicht nämlich nicht aus, um die Anforderung von 65 Prozent Erneuerbarer Energie für den Betrieb von Heizungen zu erfüllen. Mit dem Abschied aus der fossilen Heizwelt muss die Hauptrolle in der Wärmeversorgung neu besetzt werden: Ins Zentrum rücken nun Wärmepumpen und grüne Wärmenetze.“
Im November stellte die Agora eine Studie zum Thema „Durchbruch für die Wärmepumpe“ vor. Zwei Autoren sind vom Öko-Institut, mit dem die Agora zusammenarbeitet. Eine entscheidende Passage:
„Zum Erreichen der Klimaziele müssen wir die Wärmewende hin zu klimaneutralen Gebäuden massiv beschleunigen. Ein entscheidender Schritt zur Lösung dieser doppelten Herausforderung ist die Vorgabe im Sofortprogramm Gebäude: Ab 2024 müssen neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Damit steht fest, dass neben Wärmenetzen künftig vor allem Wärmepumpen zum Einsatz kommen. Eine ambitionierte Ausgestaltung und schnelle gesetzliche Verankerung der 65%-Regel kann ihnen zum Durchbruch verhelfen – hier ist jetzt politisches Handeln erforderlich.“
Auf einer Tagung am 12. 12. 2022 macht die Agora klar, dass die Wärmepumpe im Wettbewerb gegen fossile Heizungen nicht gewinnen kann. Es muss also ein Gesetz („starker ordnungspolitischer Impuls“) her:
„Selbst die sehr gute Wärmpumpen-Förderung konnte die Dominanz fossiler Heizanlagen nicht brechen. Notwendig ist ein starker ordnungspolitischer Impuls wie die geplante 65-Prozent-Anforderung.“
Praktisch, dass die Agora nicht nur das Regierungshandeln flankiert, sondern es teilweise sogar vorgibt und auch schon die passenden Handlungsanweisungen parat hat. Mit Sicherheit nur Zufälle und Überschneidungen. Dass der ehemalige Think-Tank des heutigen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium so häufig so richtig liegt, ist mit Sicherheit nur auf den richtigen Instinkt zurückzuführen. Dahinter steht kein größeres Projekt, das länger zurückreicht, als der Ampel-Vertrag. Oder doch?
Das „Logbuch Wärmepumpe“ kennt ein Kurzinterview mit Patrick Graichen aus dem November 2020; die Datierung erfolgt aus der Angabe der Seite, dass diese zur Installation der millionsten Wärmepumpe in Deutschland online ging. Damals war Graichen noch Direktor der Agora Energiewende. Graichen setzt dabei nicht nur die Installation von 400.000 Wärmepumpen pro Jahr voraus, die stark an die 500.000 Wärmepumpen von Robert Habeck erinnern. Bei der Förderung der Wärmepumpe sagt er ganz klar:
„Das Heizen mit Ölkesseln muss im Gebäudebestand verboten werden. Und mit ein paar Jahren Verzögerung auch Gaskessel.“
Kein Markt, kein Wettbewerb, wie die Agora immer behauptet. Sondern Verbote von oben. Dass die Wärmepumpe allein keine Chance hätte, hat die Agora noch im Dezember 2022 festgestellt. Bereits 2021 hatte die Bundesregierung für den Einbau von Ölheizungen neue Vorschriften erteilt. Nun, „mit ein paar Jahren Verzögerung“ ,droht der Gasheizung Ähnliches. Womöglich sollte man statt Politikerprogramme häufiger die Publikationen der Agora lesen. Dann weiß man wenigstens, was einem bevorsteht.