Tichys Einblick
Südkorea als potenter Mitbewerber

Die vormalige deutsche Panzerschmiede gerät außer Tritt

Bis zum Überfall Russlands auf die Ukraine galt Rüstungsindustrie in Deutschland als ein NO GO. Nun, wo deutsche Rüstungsindustrie wieder wichtig wäre, ist es nicht leicht, Kapazitäten aufzustocken, um anspruchsvoll und flott liefern zu können.

Bundeskanzler Olaf Scholz vor einem Kampfpanzer Leopard 2 auf dem Truppenübungsplatz Bergen, 17.10.2022

IMAGO / Björn Trotzki

Seit Russlands Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 ist in Deutschland „Zeitenwende“ angesagt. Damit ist gemeint: Deutschland muss sich wieder auf die Landesverteidigung konzentrieren und die dahinsiechende Bundeswehr für die vier Kriegsebenen aufrüsten: zu Wasser, zu Lande, in der Luft und im Cyberraum. Panzer spielen dabei nach wie vor eine große Rolle, wie ja der Krieg in der Ukraine zeigt.

Nun war Deutschland die Panzerschmiede schlechthin: Im Zweiten Weltkrieg ohnehin, dann auch im Kalten Krieg. Vom Kampfpanzer Leopard 1 waren von 1964 bis 1984 4700 Exemplare gebaut worden. Davon 2.437 für die Bundeswehr. Vom Leopard 2 mit seinen 15 Varianten sind von 1978 bis heute rund 3600 hergestellt worden – davon 2.125 für die Bundeswehr. Zuletzt hatte das deutsche Heer noch ganze 328 davon – ein Drittel davon ständig in Reparatur.

Das sollte und musste anders werden: in Kooperation mit Nato-Partnern. Noch am 10. Juli 2023 konnte man vernehmen: Es wird einen neuen deutsch-französischen Kampfpanzer geben. Sein Name – weder deutsch, noch französisch: Main Ground Combat System (MGCS). Er soll den deutschen „Leo 2“ sowie den französischen „Leclerc“ ablösen. Bestehende Differenzen seien ausgeräumt, sagten Lecornu, Frankreichs Verteidigungsminister, und sein deutscher Kollege Pistorius damals. Bis Weihnachten 2023 solle die Planung stehen. Die ersten MGCS sollen 2040 fertig sein. Zu diesem Zwecke fusionierten übrigens bereits 2015 der Münchner Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und die staatliche französische Nexter Systems zur KMW+Nexter Defense Systems (KNDS). Eine nicht unproblematische Dreiecksbeziehung, bei der nicht ganz klar ist, wer Koch und wer Kellner ist. So wie Frankreich die Führung beim gemeinsamen Kampfjet der Zukunft FCAS hat, übernimmt Deutschland die Führung beim Panzer. Heißt es.

Dass man diesen schönen Vereinbarungen nicht trauen konnte, war allerdings früh erkennbar. Die Franzosen favorisieren eine 140-Milimeter-Kanone. Deutschland setzt auf die neu entwickelte 130-Millimeter-Kanone von Rheinmetall. Unklar ist auch, wer die Wanne liefert und wer den Zuschlag für die Panzerung erhält.

Dann eine andere Panzerwende – oder nur eine Drohgebärde?

Und dann gibt es Anfang September 2023 wieder eine andere Art von Wende – oder eine Drohgebärde: Pistorius kündigt einen neuen Anlauf an – ohne Paris: Deutschland wolle gemeinsam mit Italien, Spanien und Schweden einen Kampfpanzer entwickeln: einen Leopard-2-Nachfolgepanzer, und zwar unter Anleitung von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall. Die beteiligten Staaten inkl. Nato-Mitglied in spe Schweden hätten Anfang September 2023 entsprechende Verträge unterzeichnet, heißt es. Basis könnte ein Kampfpanzer KF51-Panther sein. Diesen hatte Rheinmetall im Juni 2022 bereits im Modell präsentiert.

Doch nun schaut alles wieder anders aus: Siehe. Laut Agence France-Presse (AFP) gibt es beim MGCS, der offenbar nicht auf Eis gelegt ist, Probleme, weil Politik und Industrie unterschiedliche Interessen verfolgen. Dies dürfte Thema beim Treffen von Pistorius und Lecornu am 21. September in Evreux gewesen sein. Vor allem scheint es so, dass es Frankreich ist, dass trotz der deutschen Führung beim MGCS-Panzerprojekt den größten Teil an Wertschöpfung hat. Dabei profitiert Frankreich schon zum größeren Teil beim FCAS-Kampfjet, für den Deutschland zugleich viel Forschungsgelder ausgibt. Die deutsche Rüstungsindustrie könnte das Nachsehen haben. Das befürchtet der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall. Die Chefin des Panzergetriebe-Herstellers Renk, Susanne Wiegand, kritisierte im Juli 2023 im Münchner Club Wirtschaftspresse zudem: „Ich glaube, dass da nicht viel Geld übrig bleibt für die deutsche Industrie.“

Es geht auch anders – in Südkorea

Dass es anders geht, beweisen Polen und Südkorea. Das südkoreanische Rüstungsunternehmen Hanwha Defense hat bei einem milliardenschweren Einkauf aus Australien den deutschen Konzern Rheinmetall aus dem Feld geschlagen. Australien kauft nun den südkoreanischen Schützenpanzer „AS21 Redback“. Ausschlaggebend dürfte gewesen sein, dass die Südkoreaner früher als die Deutschen liefern können.

Überhaupt sind die Deutschen wieder einmal zu langsam. Ungarn etwa hat im Jahr 2018 44 Leopard-Panzer bestellt, von denen bisher noch keiner geliefert wurde. Das könnte auch bei den Rüstungseinkäufen Polens in Südkorea eine Rolle gespielt haben. Bereits 2022 hatte Polen für rund 13 Milliarden-Euro Rüstungsverträge mit Südkorea abgeschlossen. Der polnische Einkauf betrifft unter anderem 980 Panzer. Am 5. Dezember 2022 sind im polnischen Gdingen schon die ersten Exemplare per Schiff angelandet: darunter der Kampfpanzer K2.

Übrigens: Auch Nato-Länder kaufen immer häufiger in Südkorea ein. Die südkoreanische Rüstungsfirma lässt Anfang Juni 2023 den SPIEGEL wissen: „Die Tschechische Republik, Rumänien, die Slowakei, Finnland, Estland, Lettland, Litauen kauften früher Rüstungsgüter nur in Europa. Aber inzwischen ist bekannter, dass man sie auch von südkoreanischen Unternehmen zu einem niedrigen Preis kaufen – und schnell liefern lassen kann.“

Diese Deals zeigen zweierlei: Erstens mischt Südkorea als Fahrzeugbauer (siehe Hyundai, Kia, Daewoo) nun auch den Rüstungsmarkt auf. Im Jahr 2022 exportierte Südkorea 2,3 Millionen PKWs im Wert von 34 Milliarden Euro. Zweitens: Südkorea, das wegen seiner Frontlage zu Nordkorea hochgerüstet ist, schickt sich an, in die Spitzengruppe der fünf Länder zu gelangen, die weltweit die meisten Rüstungsexporte verzeichnen. Südkorea liegt hier derzeit auf Platz 8, Deutschland auf Platz 5 (hinter den USA, Russland, Frankreich und China). Es ist zu vermuten, dass Südkorea Deutschland bald hinter sich lassen könnte.

Dass die deutsche Rüstungsindustrie oft ins Hintertreffen gerät, hat aus der Vergangenheit politische und gesellschaftlich Gründe. Bis zum Überfall Russlands auf die Ukraine galt Rüstungsindustrie in Deutschland als ein NO GO. Nun, wo deutsche Rüstungsindustrie wieder wichtig wäre, ist es nicht leicht, Kapazitäten aufzustocken, um anspruchsvoll und flott liefern zu können.

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