Krankenkassen sind alles andere als Krawallschachteln. Ihre Mitarbeiter entscheiden sich für einen sicheren Berufsweg und entsprechend agieren sie auf diesem. Desto mehr ist der Hilfeschrei ernst zu nehmen, den die DAK-Gesundheit in Form ihres jährlichen „Kinder- und Jugendreports“ veröffentlicht hat: „Die Pandemie hat massive Folgen für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“, heißt es in dem Report. Die politisch Verantwortlichen hätten über zwei Jahre lang die Bedürfnisse und Bedarfe der jungen Generation „schlichtweg ignoriert“.
Unter „emotionale Störungen“ fallen insbesondere Ängste: Phobien, soziale Ängstlichkeit oder Trennungsangst. Davon sind durch die Pandemie vor allem Kinder zwischen 10 und 14 Jahren betroffen. Bei den Depressionen und den Essstörungen sind die Zuwächse vergleichbar mit denen bei den Jugendlichen. Doch mit 25 Prozent sind in dieser Gruppe die Angststörungen außergewöhnlich stark gestiegen. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2021. Was die chice Schlagzeilenjagd (un)verantwortlicher Minister mit „Absoluten Killervarianten“ aus psychisch kranken Kindern macht, ist da folglich noch nicht untersucht.
Schon die Kleinsten leiden unter der Pandemie-Politik: 36 Prozent mehr Kinder im Alter zwischen fünf und neun Jahren wurden 2021 aufgrund von Störungen sozialer Funktionen in Kliniken behandelt, berichtet die DAK. Die Entwicklungsstörungen hätten um 11 Prozent zugenommen. In dieser Gruppe sind die Jungen stärker betroffen als die Mädchen: Sie kamen doppelt so oft wegen der Störung sozialer Funktionen in Behandlung, dreimal so oft wegen Entwicklungsstörungen.
„Es ist zu erwarten, dass die Zahl psychischer Erkrankungen und Problemfelder auch in Zukunft weiter steigen wird“, sagt Professor Wieland Kiess, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig. Diese Tendenz habe es vor Corona zwar auch schon gegeben. „Die Daten belegen aber auch, dass sich das Gesundheitswesen durch die Veränderungen in Krisenzeiten, wie einer Pandemie, reorganisiert und die Organisationsformen dringend überdacht werden sollten.“ Kiess schlägt vor, ambulante und stationäre Behandlung weniger strikt zu trennen. Sie müssten so aufeinander abgestimmt werden, dass es den Interessen der Jugendlichen entspreche.
Die Jungs leiden unter der Pandemie-Politik. Die Mädchen sind noch schlimmer betroffen: Sie wurden 32-mal so häufig wegen Essstörungen behandelt wie Jungen aus der Gruppe der 15- bis 17-Jährigen. Die Zahl von jungen Frauen mit Essstörungen hat laut DAK um 25 Prozent zugenommen im Vergleich zu 2020. Zudem kamen sie fünfmal öfter wegen Depressionen, dreimal häufiger wegen Angststörungen und zweieinhalb mal öfter aufgrund von emotionalen Störungen in deutsche Kliniken als Jungen.
Für den Report untersuchten Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld anonymisierte Abrechnungsdaten von rund 800.000 Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2019 bis 2021. Mit 5,5 Millionen Versicherten ist die DAK die drittgrößte Krankenkasse in Deutschland.
Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.