In Sachen Kindesmissbrauch stand in der Vergangenheit vor allem die katholische Kirche im medialen Fokus. Allerdings ist das Problem massenhaften pädosexuellen und pädokriminellen Missbrauchs von Kindern mitnichten ein kirchliches, sondern ein in der Gesellschaft verbreitetes Verbrechen, vom Elternhaus über Schule und Sportverein bis hin zu politischen Gruppierungen, namentlich den Grünen, die im Verlauf ihrer Geschichte der Entkriminalisierung von Pädophilie mindestens aufgeschlossen gegenüberstanden, wenn sie sie nicht aktiv propagierten.
Allerdings ist seit 2010 zumindest Bewegung in die Missbrauchsaufarbeitung gekommen. Vieles wurde aufgedeckt, aber eben nicht alles.
Die Bundesregierung hat im April 2010 einen bis November 2011 tätigen Runden Tisch dazu eingerichtet, dem der Autor dieses Textes übrigens angehörte. Parallel dazu wurde von der Bundesregierung die bis heute tätige Stelle eines/einer Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) etabliert. Die Deutsche Bischofskonferenz legte 2018 einen 388-Seiten-Bericht vor.
Die Partei „Grüne/Bündnis 90“ ließ ihre pädosexuellen Wurzeln der beginnenden 1980er Jahren von dem Göttinger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Franz Walter untersuchen und legte 2014 dazu einen Bericht vor.
Die Evangelische Kirche brauchte bis zum 15. November 2024, um in Buchform die 240-Seiten-Studie mit dem Titel herauszugeben: „Pädophilie im Fokus – Zur Rolle von Hartmut von Hentig, Gerold Becker und Helmut Kentler beim Deutschen Evangelischen Kirchentag“. Es geht dort unter anderem um die Odenwaldschule, deren Leiter Gerold Becker (†2010), Lebensgefährte von Prof. Hartmut von Hartmut von Hentig (99), und um Prof. Helmut Kentler (†2008), die zentrale Figur in pädosexuellen Netzwerken.
„taz“ deckt einen pädokriminellen Antifa-Aktivisten auf
Die „taz“ berichtet am 15. Dezember: Seit 2024 treffen sich rund dreißig „Edelweißpiraten“ – mittlerweile in den Vierzigern – zur Aufarbeitung ihrer traumatischen Vergangenheit als damals 11 bis 15 Jahre alte Opfer des pädokriminellen Berliner Antifa-Aktivisten Andreas Robert K. (heute 63), alias „Pingpong“, „Pipo“, „Paschai“, „Corleone“, heute „Aro“. 1991 hatte „Pipo“ (damals 30) die „Edelweißpiraten“ gegründet, benannt nach der historischen NS-Widerstandsgruppe. 1996 wurde die Gruppe aufgelöst.
Nun haben sechs Männer ihre damaligen Erfahrungen als Heranwachsende mit „Pipo“ schriftlich der „taz“ zur Verfügung gestellt. Sie wollen, dass sich nicht wiederholt, was sie erfahren mussten. Die sechs Männer berichten von gezielter sexualisierter Kontaktanbahnung (Grooming), von psychischer Manipulation, sexueller Belästigung bis zur Vergewaltigung. Einige der Antifa-Kids von damals sind inzwischen tot oder unauffindbar, andere lassen die Vergangenheit wohl lieber ruhen.
Einer der sechs, der unter dem Pseudonym „Manuel Richter“ von seinem Schicksal berichtet, hat einen Aufkleber auf dem Stromkasten vor einer Berliner Schule gesehen: „Mein erster Gedanke war: „Pipo“ versucht es wieder – wie damals. „Erst wurde mir schlecht, dann packte mich der Zorn“, beschreibt der 46-jährige Richter seine Gefühle. Der Text auf dem Sticker brachte ihn aus der Fassung: „Antifaschistische Jugendliche gesucht! Für ein neues Projekt suchen wir Schüler, die Lust haben, sich an antifaschistischen Aktionen zu beteiligen. Gegen Rassismus, Nazis und Antisemitismus.“
Und damals? Im linken Hausprojekt Mehringhof in Kreuzberg hatte Richter, damals 13, „Pipo“ kennengelernt. Zusammen mit Gleichaltrigen bastelte er eine Autonomenzeitung; am Wochenende traf man sich auf Konzerten oder im Umland, um linke Jugendclubs vor Nazis zu schützen. Politisch war die Antifa Jugendfront in ein Netzwerk aus anderen Berliner Antifa-Gruppen eingebettet.
Ein anderer „Ehemaliger“, „Paul Maier“, heute 53, kennt „Pipo“ schon seit den 1980ern aus Berlin-Kreuzberg: „Der Mann ist ein Urgestein der linken Szene und nutzt politische Arbeit als Deckmantel, um an Jungs ranzukommen.“ 1986, bei den Proben seiner Punkband, sprach der damals 25-jährige „Pipo“ den damals 15-Jährigen Maier an und holte ihn zur Antifa Jugendfront. Maier haute wenig später von zu Hause ab. „Pipo“ verhandelte mit den Eltern und dem Jugendamt und meldete den Jungen zum Schein im Rauch-Haus, einem alternativen Wohnprojekt für Jugendliche in Kreuzberg, an. Tatsächlich lebte der 15-Jährige mit „Pipo“ in dessen 1-Zimmer-WG, später noch in zwei anderen Wohnungen in Kreuzberg.
Studie über „pädosexuelle Netzwerke in Berlin“
„Es gibt eine direkte Verbindung von der Kinderrechteszene um die Nürnberger Indianerkommune und anderen Projekten zur Autonomenszene der neunziger Jahre“, sagt Sven Reiß von der Uni Kiel. Der Wissenschaftler hat zum Missbrauch in bündischen Jugendgruppen und bei den Pfadfindern geforscht. 2021 veröffentlichte er zusammen mit der Kulturhistorikerin Iris Hax im Auftrag der staatlichen Aufarbeitungskommission (UBSKM) eine Recherche zu „Programmatik und Wirken pädosexueller Netzwerke in Berlin“.
Die beiden Verfasser zeichnen darin den Weg vom „Kinderfrühling Berlin“ über die „Morgenland-Bande“ zur „Jugendantifa Edelweißpiraten“ nach. „Erst spät haben wir verstanden, dass hinter den Missbrauchsfällen in diesen Kleinstgruppierungen ein und dieselbe Person steckt“, so Sven Reiß, nämlich „Pipo“ laut „taz“. In der Studie heißt es über ihn und seinen Bezug zu den Edelweißpiraten: „Der Gründer der Gruppe identifizierte sich offen mit pädosexuellen Positionen, warb um Heranwachsende, die mit ihm zusammenwohnen wollten, und suchte Mitstreiter, um Kinder aus Heimen und Elternhäusern herauszuholen.“
In der Studie heißt es: „Anfang der 1990er Jahre begann in der Berliner linksautonomen Szene eine breite, jedoch zähe Auseinandersetzung um den Aktivisten. Dabei wurde deutlich, dass er im Laufe seiner langjährigen Szenezugehörigkeit zahlreiche Jungen sexuell ausgebeutet und missbraucht hatte. Die Debatte wurde zugleich zu einer Grundsatzdiskussion zu ‚Pädophilie, Päderastie und sexuellen Missbrauch‘ innerhalb der linksautonomen Szene Berlins.“
In den folgenden Jahren engagierte sich „Pipo“ unter wechselnden Pseudonymen stark in der linksautonomen Szene. Er gründete verschiedene Jugendgruppen und erwarb sich den Ruf, erfolgreich jugendliche Mitstreiter werben zu können, unter anderem für die Antifa Jugendfront und insbesondere für die Antifa-Edelweißpiraten, die sich besonders jüngeren Jugendlichen zuwandte.
Das Archiv des Schwulen Museums in Berlin zeigt übrigens Flugblätter und Broschüren der „Autonomen Pädophilen“ aus den 1980er-/1990er-Jahren. Es gab „das Kinderbedürfnistelefon Berlin“, den „Kinderfrühling Berlin“ oder die „Oranienstraßenkommune“ gegen ein Gesellschaftssystem aus „unterdrückung: erziehung, geld, kontrolliertes leben, konkurrenz und angst, regierungen, schulzwang und kaufhäuser“. Und die Forderung „freie Pädofilie für alle“ (sic). Oder die Forderung „Pädos rein, Spießer raus!“ Wer keinen Pädo-Sex wollte, war „schwulenfeindlich“.
Antifa-Aktivist Andreas Robert K. heute
K. („Pipo“) schreibt heute lokalhistorische Bücher, ist in Stadtteilinitiativen aktiv, bloggt, schreibt Artikel und fährt Taxi, lebt unbehelligt im Berliner Norden. Rein juristisch sind die damaligen Taten verjährt. K. betreibt die Webseite „Berlin Street“: dort freche kleine Jungs mit wuscheligen Haaren. Oder Geschichten von jugendlichen Strichern. Oder die von „Peterchen“, einem Sodomisten, dem die Gesellschaft seine Lust am Sex mit Tieren übelnimmt.
Eines Tages verließ K. die Edelweißpiraten-WG. Wenig später gründete er die nächste Gruppe mit dem Namen „Unkraut“, wieder waren Jugendliche zwischen 13 und 15 Jahren dabei. 1996 bewarb sich K. (erfolglos) beim Katholischen Ferienwerk Nord-Ost als Freizeitleiter. Er hob seinen „guten Draht zu Kindern/Jugendlichen“ hervor und äußert Interesse an der Begleitung von 8- bis 15-Jährigen.
Die „taz“ hat K. mit den Vorwürfen konfrontiert. In einer Stellungnahme räumt er ein: Ja, er sei „ein Missbraucher“ gewesen, habe „unangemessene sexuelle Beziehungen zu Jugendlichen“ gehabt. Dabei sei ihm „menschliche Nähe“ stets wichtig gewesen, nicht nur seine „Sexerlebnisse“. Für den „Aufbau neuer Strukturen“, schreibt K. weiter, fehle ihm ohnehin die Zeit: Er sei mit Angestellten-Job, Kleingewerbe, Vereinsarbeit und einer festen Beziehung voll ausgelastet.
Was wusste die damalige Berliner Stadtregierung?
Es ist der dezidiert linken Zeitung „taz“ zugute zu halten, dass sie sich immer wieder konsequent vor allem auch mit der pädosexuellen Vergangenheit der „Grünen“ befasst hat („taz“ 2015: „Grüner Morast“). Einigen Fragen wurde mit Blick auf die hier skizzierten pädokriminellen Antifa-Umtriebe in den 1990er Jahre bislang allerdings nicht nachgegangen. Erstens: Aus welchem familiären Milieu kamen die betroffenen Kinder und Jugendlichen? Vor allem aber zweitens: Was hat die damalige Berliner Stadtregierung gewusst bzw. unternommen? Von 1991 bis 2001 regierte dort als Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ein CDU/SPD-Bündnis. Jugendsenatoren waren Thomas Krüger (SPD, 1991 – 1994, ab 2000 Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung) und Ingrid Stahmer (SPD, 1994 – 1999).