Eineinhalb Jahre nach seinem ersten Besuch in China vom November 2022 war Kanzler Olaf Scholz (SPD) nun zum zweiten Mal im „Reich der Mitte“. Um Wirtschaft und um „Ukraine“ sollte es gehen. Mit dabei außer einer Wirtschaftsdelegation auch die Ampel-Minister Cem Özdemir (zu den Themen Schweinepest und Fleischimporte), Steffi Lemke (zum Thema Plastikrecycling) und Volker Wissing (zu Standards für Elektroautos). Parallel dazu war Jens Spahn (CDU) in China; ihm gelang es, Scholz ein wenig die Schau zu stehlen, indem er einen souveränen Umgang mit der Volksrepublik forderte, das heißt: ohne viele Illusionen.
Thema Ukraine
Das beherrschende politische Thema dürfte Ukraine gewesen sein. Da wird Scholz ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt haben. Denn China war im November 2022 stramm an der Seite Putins, und ist es heute noch. Putin wird übrigens im Mai erneut nach Peking reisen. China ist schließlich nicht nur mit Russland zusammen Erz-Kontrahent des Westens, sondern auch Kollateralgewinner des Krieges in der Ukraine. Es beliefert Russland mit sogenannten Dual-Use-Gütern (Chips, Werkstoffen usw.), die zivil und militärisch genutzt werden können. „Haltet den Dieb!“ So macht es China: Es fordert den Westen auf, „kein Öl ins Feuer zu gießen“. Xi aber tut es, siehe die Materiallieferungen an Russland. Da kann er noch so oft zu Scholz sagen: „Gemeinsam können wir der Erde mehr Stabilität und Sicherheit einhauchen“. Und behaupten, China sei „nicht an der Krise in der Ukraine beteiligt“. Da kann Scholz auch noch so dagegen insistieren (falls er es getan hat): China wird dieses Geschäft aus wirtschaftlichen und aus politischen Gründen nicht aufgeben.
Bereits bevor er jetzt in die Volksrepublik reiste, erklärte Scholz, dass sowohl China als auch Russland an einer für Juni geplanten Friedenskonferenz für die Ukraine in der Schweiz teilnehmen sollten. China mache sich, so Scholz, angeblich für eine Friedenskonferenz stark, an der Russland und die Ukraine teilnähmen. Da von russischer Seite bislang aber keine Zusage für eine Teilnahme vorliege und wohl auch nicht erfolgen werde, dürfte auch China fernbleiben. Da kann Scholz noch so eifrig folgenden verquasten Satz in den Netzwerken posten: „Präsident Xi und ich haben vereinbart: China und Deutschland wollen sich über die Förderung der Ausrichtung einer hochrangigen Konferenz in der Schweiz und künftiger internationaler Friedenkonferenzen intensiv und positiv abstimmen.“ „Förderung der Ausrichtung“ …. „positiv abstimmen.“ Auf solche sinnfreien Begriffe muss man erst einmal kommen.
Wenn all dies das Ergebnis von 200 Minuten Meetings war!? Scholz war nämlich drei Stunden und 20 Minuten mit Staatschef Xi zusammen Es gab zunächst ein einstündiges Delegationsgespräch, dann ein 45-minütiges Vier-Augen-Gespräch mit Teezeremonie. Den größten Raum nahm ein Mittagessen ein. Sieben Gänge: Kalte Platte, Krebsfleisch mit Spargel in Hühnerbrühe, Lobster in Meeresfrüchtesoße, Zackenbarsch mit Speisemorcheln, Jakobsmuscheln mit weißem Spargel und Chayote, Dim Sum, Obst und Eis. Dazu Rot- und Weißwein. Und: Scholz und Xi aßen beide – je nach Gang – mal mit Stäbchen, mal mit Messer und Gabel. Der Kanzler mag chinesisches Essen und kann mit Stäbchen umgehen. Wie BILD weiß.
Xi kryptisch: „Kein Land darf auf der Speisekarte stehen“
Beim Essen soll Xi kryptisch gesagt haben: „Alle Länder müssen Platz am Tisch haben. Kein Land darf auf der Speisekarte stehen.“ Ist dies ein Hinweis darauf, dass er nicht wolle, dass Russland die Ukraine verspeise? Aus der deutschen Delegation hieß es dann euphorisch: Damit meine Xi die Ukraine. Denn er wolle nicht, dass sich Russland die Ukraine einverleibe.
Zum Abschluss seines Besuchs hat der Bundeskanzler Xi gebeten, bei Russlands Präsident Wladimir Putin auf ein Ende des Ukraine-Kriegs zu dringen. Er habe mit Xi zudem eine enge Abstimmung im Hinblick auf eine geplante Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz vereinbart, erklärte Scholz nach seinem Treffen mit Xi am Dienstag in Peking. Siehe oben seinen Post.
Eine gemeinsame Pressekonferenz gab es nicht. Xi habe ja im November 2022 schon erklärt, dass mit dem Einsatz von Nuklearwaffen nicht einmal gedroht werden dürfe. „Gern möchte ich mit Ihnen heute darüber diskutieren, wie wir mehr zu einem gerechten Frieden in der Ukraine beitragen können“, sagte Scholz diesmal. Außerdem sprach er den Kampf gegen den Klimawandel an, betonte „das regelbasierte Handelssystem, wie es von der Welthandelsorganisation WTO verkörpert wird“, und die Wirtschaftsbeziehungen. (Siehe nachfolgend!)
Später erklärte Scholz in einem Pressestatement: „Chinas Wort hat Gewicht in Russland. Deshalb habe ich Präsident Xi gebeten, auf Präsident Putin einzuwirken, damit Putin seinen irrsinnigen Feldzug endlich abbricht, seine Truppen zurückzieht und diesen furchtbaren Krieg beendet.“ Ob man daraus gleich eine Schlagzeile wie die „Süddeutsche“ machen kann, lassen wir offen: Die SZ titelte jedenfalls offenbar voller Bewunderung für Scholzens Mut: „Scholz in China – Tacheles beim Teestündchen.“
Im Tross mit dabei: eine große Wirtschaftsdelegation
Wenn es bei Auslandsreisen von Regierungschefs um Wirtschaft geht, dann sind die CEOs deutscher Konzerne dabei, diesmal in China elf. Zum Beispiel Siemens-Chef Roland Busch und Mercedes-Benz-CEO Ola Källenius. Bei seiner China-Reise ist Olaf Scholz allerdings wieder ohne den BDI-Präsidenten Siegfried Russwurm unterwegs. Zwischen beiden herrscht Zerwürfnis total. Schon bei der Scholz-Reise im November 2022 fehlte der oberste Vertreter der Industrie. Vonseiten des BDI hieß es, man habe kein Interesse an der Mitreise gehabt und deshalb keinen entsprechenden Wunsch geäußert.
Animositäten hin oder her, die Spatzen pfeifen es von den Dächern pfeifen: Es ist kein Land wirtschaftlich so abhängig von China wie Deutschland. So abhängig, wie Deutschland energetisch von Russland abhängig war (und über Umwege ist?) Übrigens: Chinas Wirtschaft schoss im ersten Quartal um rund fünf Prozent nach oben. Der chinesische Ministerpräsident Li Qiang vergaß nicht, diese Meldung bei einem Auftritt mit Scholz zu erwähnen.
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Scholz wollte bei seinem China-Besuch denn auch deutsche Arbeitsplätze sichern, indem er auf Missstände beim Marktzugang für deutsche Unternehmen hinwies. So werden ausländische Firmen bei Teilnahmen an öffentlichen Ausschreibungen benachteiligt. Staatschef Xi Chinas aber verteidigte Subventionen für Autobauer und Solarproduzenten: „Chinas Exporte von Elektrofahrzeugen, Lithiumbatterien und Photovoltaikprodukten haben nicht nur das weltweite Angebot bereichert“, dozierte Xi, „sondern auch einen großen Beitrag zur globalen Antwort auf den Klimawandel geleistet.“ Wohl mit Blick auf angedrohte Strafzölle der EU warnte Xi vor „aufkommendem Protektionismus“.
Übrigens: Am letzten späten Nachmittag wurde doch noch eine Absichtserklärung unterzeichnet. Man einigte sich auf neue Regeln für die Ausfuhr frischer deutscher Äpfel. Wenn das nichts ist!
Ergo: Mit solcher Politik ist Deutschland eben doch nur Regionalliga. Aber es ist gut, dass man mal wieder miteinander gesprochen hat. Das darf schon auch mal ordentlich mit Spesen zu Buche schlagen.