In der alpinen Skifahrt gibt es die Abfahrt und den Slalom. In der Abfahrt geht es auf dem direktesten Weg nach unten, im Slalom müssen die Fahrer die aufgestellten Fähnchen umkurven. Es gibt auch den Riesenslalom mit weit auseinander stehenden Fahnen. Wenn Olaf Scholz (SPD) im Bundestag redet, ist das aber ein Zwergenslalom. Sehr viele Fahnen stehen auf sehr engem Raum und der Bundeskanzler muss allen ausweichen, sodass er kaum einen Meter flüssig nach vorne kommt.
So steht am Ende einer jeden Rede von Olaf Scholz die Frage: Er hat zwar viel gesprochen, aber was hat er eigentlich gesagt? Bei seiner Regierungserklärung zum Treffen des Europäischen Rates ist es wieder so. Der Kanzler betont zwar, dass Deutschland hinter der Ukraine stehe und Russland einen Angriffskrieg begonnen habe. Doch Scholz sagt auch einen bemerkenswerten Nebensatz: Es sei Zeit, auszuloten, „dass es nicht immer weiter geht“ mit dem Krieg.
Nur ein Nebensatz. Nur zwei Meter nach vorne auf der Piste. Doch für Olaf Scholz schon ein Temporausch. Der Kanzler redet im Bundestag von nötigen Friedensverhandlungen. Das könnte mit seinem Parteifreund Dietmar Woidke zusammenhängen. Der Ministerpräsident will in Brandenburg mit den Kriegsgegnern des Bündnis Sahra Wagenknecht koalieren. Deswegen hat er sich an einem liebedienerischen Gastartikel in der FAZ beteiligt, der Friedensverhandlungen fordert. Scholz unterstützt Woidke in der Anbiederung an die Wagenknechts.
Noch mehr Fahnen stehen auf Scholz’ Weg, wenn er sich zum Thema Israel äußert. Auf die üblichen hohlen Phrasen – „Israel kann sich auf unsere Solidarität verlassen“ – folgt ein echter Scholz: Deutschland habe in der Vergangenheit Waffen an Israel geliefert und es werde in Zukunft Lieferungen geben. Als Politiker spricht vieles gegen den Kanzler. Aber er ist der Alberto Tomba des sprachlichen Ausweichens: Es habe Lieferungen gegeben und es werde Lieferungen geben … Damit drückt er sich davor, dass Israel sich unter der Regierung Scholz eben nicht auf Deutschland verlassen kann. Dass es derzeit eben keine Lieferungen gibt, weil der Kanzler sich wieder einmal von seinen Ministern auf der Nase herumtanzen lässt. Dieses Mal von den Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock.
Auch auf die Wirtschaft wirft Scholz einen Blick. Auch hier fährt er Zwergenslalom statt Abfahrt. „Wir sind konjunkturell nicht da, wo wir sein wollen.“ Das ist noch der ehrlichste Satz des Kanzlers. Die EU müsse endlich die Freihandelsabkommen abschließen, über die sie verhandelt. Etwa das mit südamerikanischen Staaten. Das ist noch die am deutlichsten ausgesprochene Forderung des Regierungschefs.
Ansonsten ist Scholz’ Rede ein Slalom des Ausweichens: Deutschland habe die Industrie nie aufgegeben, anders als andere Länder und man solle mal schauen, wo diese heute stünden. Nun: vor Deutschland. Dessen Wirtschaft schrumpft unter der Ampel, während die Wirtschaft anderer Länder wächst. Sie schrumpft auch deshalb, weil Scholz mit den Grünen immer wieder einem Koalitionspartner nachgibt, dessen eigentliche Agenda das Schrumpfen der Industrie ist.
Apropos Grüne. In den letzten Jahren sei in Deutschland sehr viel liegen geblieben und die CDU habe in der Zeit größtenteils die Verantwortung getragen, sagt Scholz. Nun: In 22 der letzten 26 Jahren hat die SPD im Bund regiert. Mit dem Kanzler Olaf Scholz. Dem Arbeitsminister, dem Generalsekretär der SPD, dem Finanzminister und dem Vizekanzler. Wenn Olaf Scholz sagt, es sei in Deutschland viel liegengeblieben, dann fasst er seine eigene berufliche Laufbahn zusammen. Nicht deutlich. Aber in bestem sprachlichen und scholzischen Slalom-Schwurbel.
Mit diesem Kanzler fährt Friedrich Merz (CDU) Schlitten. Und es fällt ihm nicht schwer. Er erinnert den Kanzler daran, dass sein eigentliches Thema der Europäische Rat gewesen sei. Dessen wichtigstes Thema sei der Kampf gegen die Migration und genau diesem Thema sei Scholz mit seiner Rede ausgewichen. Stattdessen habe er eine Wahlkampfrede gehalten. Dieser Kanzler stehe „mit dem Rücken zur Wand und mit den Füßen am Abgrund“.