Tichys Einblick
Offener Brief an Friedrich Merz

„Bewusst und vorsätzlich mit falschen Wahlversprechen die Wähler getäuscht“

Ein offener Brief, der keine Fragen mehr offen lässt – sondern Klartext redet. Mit Friedrich Merz haben viele Bürger einst Hoffnung auf Erneuerung verbunden – heute sehen sie in ihm den Totengräber bürgerlicher Politik, getrieben von Machtgier, Opportunismus und der fatalen Bereitschaft, alles zu verraten, was er einst versprach.

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Werter Herr Merz! Das „Sehr geehrter …“ ersparen wir uns, denn Sie haben sich Ihrer Ehrwürdigkeit entledigt.

Nach Jahrzehnten rot-grüner Vernichtungspolitik Ihrer Vorgängerin schöpfte mit Ihnen unser Volk wieder Zuversicht. Diese Hoffnungen, die Millionen von Menschen mit Ihrem Wiedereintritt in die deutsche Politik verbanden, haben Sie, Herr Merz, durch Lug und Trug binnen Tagen in nicht vorstellbarer Weise zu Grabe getragen.

Die in Sie am 23. Februar gesetzten Erwartungen der Bürger, Ihren Wahlzusagen als lang ersehnten Lichtblick vertrauen zu können, haben Sie in geradezu widerwärtiger und krankhafter Selbstbezogenheit missbraucht.

Zu keinem Zeitpunkt nach der Bundestagswahl gab es ernstzunehmende Befürchtungen oder Anlässe, von den im Wahlkampf erklärten Zusagen abweichen zu müssen. Es ist gerechtfertigt festzustellen, dass Sie bewusst und vorsätzlich mit falschen Wahlversprechen die Wähler getäuscht haben.

Gerade Sie, Herr Merz, müssten wissen, wie es schmerzt, Opfer eines Vertrauensbruchs zu werden. Statt um das Profil Ihrer Partei zu kämpfen, haben Sie sich einst wie ein Dieb in der Nacht zur Flucht entschlossen, nicht bereit uns vor Merkel zu schützen.

Den vermeintlichen Mut erst dann zu haben in die Politik zurückzukehren, als sich diese in die Schattenkanzlerschaft zurückzog, nennen wir erwiesene Feigheit. Sie sind vom Glauben besessen, sich und Ihrer Vorgängerin beweisen zu müssen, dass ein Friedrich Merz doch Kanzler werden kann. Anderes ist Ihnen fremd. Diese Gewissenlosigkeit stellt sich für uns und Millionen von Wählern als eine hochgradige Persönlichkeitsstörung dar, gemeinhin in der Medizin als Soziopathie bezeichnet. Ja, Sie sind nicht fähig, Mitgefühl zu empfinden und sich in jene Bürger zu versetzen, die Ihren Wahlkampfworten vertraut haben, so, wie es Ihnen andererseits ermangelt, die Folgen Ihres Handelns zu erkennen.

Nun aber steht unser Volk für Generationen vor den Scherbenhaufen eines Kanzlers in spe, dessen politische Wettbewerber er noch Tage vor der Wahl als Spinner ohne Tassen im Schrank beschimpfte, nur um Stunden später als erbärmlicher Bittsteller mit Steuermilliarden vor ihnen auf die Knie zu sinken. Mehr Selbsterniedrigung geht nicht. Nicht nur unsere Überzeugung von der Überlegenheit der freiheitlich demokratischen Grundordnung und deren parlamentarische Demokratie haben Sie in die Tonne getreten.

Die Wunden mögen vielleicht heilen, unsere Narben werden bleiben, und für die CDU/CSU wird es ein leidvoller Schwanengesang.

Herr Merz, Sie haben den Rubikon überschritten und unsere Würde beschädigt. Keiner verbietet Ihnen, sich selbst der Nächste zu sein. Doch das Kanzleramt ist keine Spielwiese für infantile Eitelkeit. Genießen Sie Ihre Altersruhe und ersparen Sie uns den Anblick, Sie den Amtseid „zum Wohle des deutschen Volkes“ leisten und gar Gottes Hilfe erbitten zu sehen.

Setzen Sie Ihrem politischen Weg ein gutes Ende, indem Sie dem bürgerlichen Rest des Geistes von Adenauer bis Kohl unter der Asche Ihres verheerenden Handels den neuen Anfang lassen, bevor Sie restlos zum „Ritter von der traurigen Gestalt“ mutieren.

Joachim Wedler 

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