Tichys Einblick
Interview

Ökonom Haucap: Nach Corona Steuern senken, um Vertrauen zu schaffen

Der Wettbewerbsökonom Justus Haucap präsentiert sein Programm zum Neustart nach der Quarantäne: Abgaben und Strompreis runter, mehr Markt, weniger grüner Dirigismus.

Justus Haucap

TE: Herr Professor Haucap, Österreichs Regierung stellte gerade einen Plan für den Ausstieg aus der Quarantäne vor. Auch in Deutschland wird darüber diskutiert, Ende April zur Normalität zurückzukehren. Wie lange wird die Wirtschaft dann brauchen, um wieder Tritt zu fassen?

Haucap: Das hängt vor allem von einem Faktor ab: Wie schnell kommt bei den Leuten das Vertrauen zurück? Bis zu der Covid-19-Pandemie haben die meisten Deutschen ein Grundvertrauen gehabt, dass ihnen wirtschaftlich nicht besonders viel passieren kann, dass es irgendwie immer weiter geht. Dieses Grundvertrauen ist jetzt heftig erschüttert. Wenn die Quarantänemaßnahmen aufgehoben werden, geht es also um Fragen für Privatleute wie etwa: Nehme ich jetzt einen Hausbau in Angriff? Mache ich eine größere Anschaffung? Für Unternehmer: Wage ich eine größere Investition? Oder halte ich erst einmal mein Geld zusammen, weil ich nicht weiß, was noch kommt? Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass wir noch eine zweite Welle der Corona-Infektionen erleben. 

Was kann die Regierung tun, um dieses Vertrauen wieder einigermaßen herzustellen?

Zum einen sollte es massive Investitionen im medizinischen Sektor geben. Es darf nicht noch einmal passieren, dass Masken und andere Schutzmittel fehlen. 

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Für das wirtschaftliche Grundvertrauen wäre auch eine schnelle Steuerreform sehr gut, mit der vor allem kleine und mittlere Einkommen entlastet werden. Auch Firmen bis 250 Mitarbeiter sollten weniger Steuerlast zu tragen haben. Das war schon vor der Corona-Krise nötig. Deutschland stand vor etwa einer Dekade im OECD-Vergleich und weltweit bei der Steuerlast gar nicht schlecht da. Mittlerweile hat es große Steuerreformen in den USA, Großbritannien, Österreich und Schweden gegeben. Deutschland hat gegenüber diesen Ländern mit seinen relativ hohen Steuern viel von seinem ehemaligen Wettbewerbsvorteil eingebüßt. Für größere Unternehmen, die international aufgestellt sind, wäre eine Steuerreform nicht so dringend, denn die verfügen über Möglichkeiten zur Steueroptimierung. Für die anderen Firmen wäre es nötiger denn je.

Die Steuerreform ist also sowieso schon überfällig?

Sie wäre vor Corona schon richtig gewesen, und sie ist es danach erst recht. Nicht nur, um die nötigen Investitionen anzuregen, sondern auch, damit sich Bürger und Unternehmen für künftige Krisen einen Puffer aufbauen können. Denn im Lockdown zeigt sich auch, dass die Kapitaldecke bei kleinen und mittleren Unternehmen ziemlich dünn ist.

Was halten Sie von der Einführung von Schwundgeld zur Wirtschaftsbelebung nach dem Lockdown, wie sie Ihr Kollege vom ZEW vorschlägt, also staatliche Konsumgutscheine mit Verfallsdatum? 

Ich bin gegenüber der Einführung von Parallelwährungen eher skeptisch. Ich befürchte, dass man sich viel Arbeit mit der Einführung des Parallelsystems macht, aber es vor allem Verdrängungseffekte gibt, also das Ausgeben des „normalen“ Geldes entsprechend zurückgeht. Ich plädiere eher für Steuersenkungen, das ist tendenziell auch nachhaltiger.

Gibt es neben der Steuer noch andere Punkte für ein Wirtschaftsbelebungs-Programm nach Corona?

Die Energiekosten, besonders die Stromkosten, in Deutschland waren auch schon vor dieser Krise zu hoch. Sie sollten reduziert werden. Eine Idee dazu wurde schon vorher diskutiert: die Streichung der Stromsteuer.

Die Grünen fordern, nach der Covid-19-Welle die Wirtschaft  beschleunigt nach Gesichtspunkten der Klimapolitik umzubauen. Was halten Sie davon?

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In der Corona-Krise zeigt sich, dass nicht staatliche Eingriffe und Verbote den CO2-Ausstoß sinnvoll reduzieren, ohne die Wirtschaft zu sehr zu belasten, sondern der von den Grünen immer unterschätzte Emissionshandel. Der erweist sich als sehr flexibles Instrument: Wenn jetzt durch den Lockdown weniger CO2 ausgestoßen wird, dann sinkt auch automatisch der Preis für die Zertifikate. Das ist gut für die Unternehmen, die jetzt unter finanziellem Druck stehen, und aus Konjunktursicht wichtig – auch, wenn die Grünen das wahrscheinlich schlecht finden. Wir sollten also nach dem Lockdown deutlich weniger auf dirigistische Maßnahmen setzen, sondern eher auf selbstregulierende Mechanismen wie den Emissionshandel. 

Erwarten Sie nach dem Lockdown einen verschärften Streit um die wirtschaftspolitische Ausrichtung in Deutschland?

Wir erleben jetzt sehr tiefe Eingriffe des Staates in die unternehmerische und individuelle Freiheit. Ich hoffe, dass nicht zu viele Politiker daran Geschmack finden. In einer Krise kommen ja die krudesten Ideen zum Vorschein. Etwa, wenn manche von Marktversagen sprechen, weil Schutzmasken jetzt so teuer und knapp sind. Der Markt kann aber nicht die Masken plötzlich bereitstellen – und auch noch billig – die von den deutschen Behörden am Beginn der Pandemie nicht bestellt wurden. 

Wie es aussieht, kommen asiatische Staaten wie Südkorea, Taiwan und Japan besser durch die Pandemie; ihre Wirtschaft dürfte schneller wieder hochfahren, während die ökonomische Zerstörungswelle in Europa und den USA erst noch anrollt. Könnten sich durch Corona auch die Gewichte in der Weltwirtschaft verschieben?

Es sieht so aus, dass die Länder, in denen bei gleichzeitigen Quarantänemaßnahmen die Wirtschaft weitergelaufen ist, jetzt einen Vorteil haben. In einer vernetzten Welt werden auch die ostasiatischen Volkswirtschaften unter den ökonomischen Folgen von Corona in Europa und den USA leiden. Aber sie werden anscheinend mit deutlich geringeren Verlusten davonkommen. Das könnte die relativen Gewichte der Weltwirtschaft durchaus verschieben.


Justus Haucap, geboren 1969, gilt als führender Wettbewerbsökonom in Deutschland. Haucap lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er ist Gründungsdirektor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE), und leitete von 2008 bis 2012 die Monopolkommission. 

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