Um Wähler in der Mitte der Gesellschaft zu gewinnen, besonders aus den Reihen derer, die bisher CDU wählten, geben sich einige Spitzen-Grüne gern konservativ, wozu ihnen der Ökokonservatismus eine Brücke bietet. Den Begriff des Ökokonservatismus muss man sich jedoch als trojanisches Pferd vorstellen. Seine Effizienz zu verstehen, erfordert ein paar grundsätzliche Betrachtungen. Die pluralistische Gesellschaft beruht auf der Vielzahl der Deutungen, die keine Deutungshoheit, sondern stattdessen den Streit der Meinungen, Argumente und Interessen ermöglicht. Sollte eine politische Gruppe die Deutungshoheit beispielsweise durch die Herrschaft in den Medien erringen und sie nicht – im eigenen Interesse übrigens – auf Ausgewogenheit achten, dann kann man nicht mehr von einer pluralistischen Gesellschaft sprechen, dann tritt an die Stelle des Diskurses die Macht, an die Stelle des Pluralismus die Deutungshoheit.
Obwohl die Bundesrepublik spätestens seit Mitte der achtziger Jahre eine Verschiebung der politischen Achse nach links erlebt, gelingt es den politischen Kräften, die kurz als rotgrün bezeichnet werden, das Narrativ vom „Rechtsruck“ im gesellschaftlichen Diskurs durchzusetzen. Spätestens Anfang der neunziger Jahre hatten die Rot- Grünen die Vorstellungen vom Rechtsruck und von der rechten Gefahr, die angeblich der Mitte der Gesellschaft entsprängen (Jürgen Trittin), zu einer wirkungsvollen Propaganda miteinander verbunden.
Der Kampf gegen „rechts“ ist in Wahrheit ein Kampf gegen die politische Mitte. Der stellvertretende Parteivorsitzende der CDU, Armin Laschet, hat das im Grunde bestätigt, als er im Interview mit der FAS äußerte, dass es nicht Ziel der CDU sein könne „alles, auch programmatisch, zu sammeln, das rechts von der politischen Linken ist“. Rechts von der politischen Linken ist nur aus der Sicht der politischen Linken „rechts“, im Gesamtbild befindet sich jedoch rechts von der politischen Linken erst einmal die politische Mitte der Gesellschaft, im Grunde die Heimat der CDU.
Angela Merkels asymmetrische Demobilisierung, die zur symmetrischen Mobilisierung der Grünen auf Kosten der CDU führte, zerstörte nicht nur die politische Statik Deutschlands, sie hatte zudem als Kollateralschaden die Desorientierung der eigenen Partei zur Folge. Niemand weiß mehr, wo und wofür die CDU steht, anscheinend nicht einmal einer ihrer stellvertretenden Parteivorsitzenden.
Wenn sich Winfried Kretschmann versucht, als Konservativer zu profilieren, dann wird deutlich, dass die „neue Idee des Konservativen“ nur eine Camouflage alter ökosozialistischer Ideen darstellt. Der Versuch, den Konservatismus von der Zukunft her zu denken, entpuppt sich unter allerhand Phrasen nur als die alte Utopiewerkerei der Linken, deren Heros der Riese Prokrustes ist, der jeden vorbeikommenden Wanderer nötigte, in seinem Bett zu übernachten. Stellte sich dabei heraus, dass der Wanderer zu groß für das Bett war, wurde ihm alles, was über die Bettkannte hinausragte, abgehackt, füllte er es hingegen nicht aus, so trieb der Riese dem Wanderer auf dem Amboss die Glieder auseinander, denn die Größe seines Bettes galt ihm als Maß aller Dinge. Von der Zukunft her zu denken, vermag übrigens nur Gott.
Eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt kommt zu dem Schluss, dass die Windparks zum Risiko für die „Stabilität der Fluginsektenpopulation“ geworden sind, damit „den Artenschutz und die Nahrungskette beeinflussen können“ und dass im Jahr rund 1200 Milliarden Fluginsekten „beim Durchfliegen der Rotoren von Windparks… getroffen werden“. Aber auch Göring-Eckardts „Vögel“ gefährdet Göring-Eckardts Politik, denn Mäusebussarde, Rotmilane und Seeadler werden ebenfalls von den Rotoren exekutiert. In Wahrheit interessieren sich die Grünen auch nicht für die Umwelt, nicht für die Natur, denn sie haben aus der Umwelt und aus der Natur lediglich eine Ideologie gemacht.
Auch wenn der Ökokonservatismus sich auf die Bewahrung der Schöpfung beruft, ist nichts gewonnen, weil der Mensch die Schöpfung nicht zu bewahren vermag, das obliegt allein dem Schöpfer. Aber der Mensch kann Verantwortung für die Schöpfung übernehmen. Damit antwortet er auf Gott, dessen Schöpfung er ist und in dessen Schöpfung er lebt. Die abstrakte Forderung nach der Bewahrung der Schöpfung wird aber nun in der konkreten Übernahme der Verantwortung für die Schöpfung zu einem Dialog des Menschen mit sich, mit seiner Umwelt und ein- oder uneingestanden mit Gott. Die Verantwortung, die der Mensch nun für die Schöpfung übernimmt, beginnt genau dort, wo er der Schöpfung begegnet, in seinem Umfeld, in seiner Arbeit, in seiner Heimat. So lässt sich die Übernahme von Verantwortung nicht trennen von der Heimat als konkretem Ort der Existenz des Menschen, wird die Heimat zum Ankerbegriff für die Ökologie.
Für die Grünen ist die Ökologie ein reiner Herrschaftsbegriff, für die Konservativen gehört die Ökologie zur Vorstellung von Heimat, gewinnt daher auch nur ihre Rechtfertigung und Formung. Ökologie ist also nicht Prinzip, sondern Handlung. Auch wenn die Grünen in letzter Zeit das Wort Heimat aus populistischen Gründen öfter in den Mund nehmen, so fällt auf, wie fremd ihnen dieser Begriff doch ist. Sie verstehen unter Heimat allein deren Auflösung in den Brüsseler Zentralstaat, den man zu errichten wünscht.
Für Liberale und Konservative, für bürgerliche Politiker, Publizisten, Wissenschaftler und Denker empfiehlt es sich daher, den Begriff des Ökokonservatismus nicht zu verwenden, denn konservatives Denken ist per se ökologisch. Alle Ökologie beginnt bei der Heimat, die konkrete und erfahrbare Umwelt des Menschen ist und kein anämisches Konstrukt.
Es wird Zeit, dass sich konservatives und liberales Denken frei macht von der rot-grünen Deutungshoheit, und am besten beginnt es damit, in eigenen Worten, mit eigenen Kategorien eine gesellschaftliche Perspektive zu entwickeln in einer Zeit, in der die rot-grüne Ideologie der Offenen Grenzen und die Globalisierungsvorstellungen der Finanzindustrie sich als hohl erweisen. Der Ökokonservatismus mag eine Tautologie sein und ein Oxymoron zugleich, ein weißer Schimmel also oder ein schwarzer, für Konservative ist er vor allem eins: untauglich.
Dieser Beitrag erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, der wir für die freundliche Genehmigung zur Übernahme danken.