Am 13. August 2023 hatten wir hier auf TE von Folgendem berichtet: Einem Sportschützen war vom Landratsamt Saale-Orla (Thüringen) explizit wegen seiner AfD-Mitgliedschaft die Waffenerlaubnis entzogen worden. Im Eilverfahren errang der Sportschütze dann vor dem Verwaltungsgericht (VG) Gera einen ersten Erfolg. Das Gericht entschied am 10. August 2023: Der Widerruf der Waffenerlaubnis sei rechtswidrig. Für die Thüringer Landesregierung war das damals schon eine Klatsche, auch wenn das Landesamt für Verfassungsschutz die dortige AfD seit 2021 als „gesichert extremistisch“ einschätzt. Über diesen Umweg bekam der Verfassungsschutz damals vom VG Gera bestätigt, dass es nicht hinreichend erwiesen sei, dass tatsächlich der gesamte AfD-Landesverband – so die Verfassungsschützer – gegen die Verfassung agiere.
Das VG Gera kassierte also 2023 das Vorgehen des Landratsamtes bzw. deren „Vermerke“. Zentraler Bestandteil der Vermerke waren „verfassungsfeindliche“ Äußerungen „eines Landessprechers“ der AfD – gemeint war wohl AfD-Landeschef Björn Höcke. Diese Äußerungen ließen sich laut VG-Richtern damals wegen der „komplexen Strukturen politischer Parteien“ nicht automatisch auf den gesamten Landesverband und alle seine etwa 1.200 Mitglieder übertragen. Vielmehr, so das VG Gera, bedürfe es „der Absicherung durch eine eingehende Analyse der entsprechenden programmatischen Aussagen der Partei sowie der Aussagen einer ausreichenden Vielzahl von Funktionären, Mitgliedern oder sonstiger Personen, die der Partei zugerechnet werden können und aus denen eine systematische Verletzung und Missachtung der im Thüringer Verfassungsschutzgesetz genannten Verfassungsgrundsätze folgt“. Diese Analyse sei nicht erfolgt.
Mit anderen Worten: Der Verfassungsschutz hat laut VG Gera 2023 nicht nachweisen können, dass der gesamte AfD-Landesverband mit all seinen Mitgliedern verfassungsfeindlich sei – auch wenn die Äußerungen „eines von zwei Landessprechern“ ein gewisses Indiz sein könnten.
Fest stand 2023 schon eines: Für die Thüringer Landesregierung, voran Ministerpräsident Ramelow (Linke) und Innenminister Georg Maier SPD), vor allem aber für den Thüringer Verfassungsschutz und seinen eifrigen Präsidenten Stephan Kramer war das eine Klatsche. Vielleicht reicht es eben doch nicht, an die Spitze eines Landesamtes für Verfassungsschutz – wie es die Gesetzeslage Thüringens eigentlich vorschreibt – keinen Volljuristen, sondern einen missionarisch getriebenen Sozialpädagogen zu setzen. Letzteres nämlich ist Stephan Kramer.
Oberverwaltungsgericht bestätigt den Sportschützen
Nun hat das Oberverwaltungsgericht Weimar (OVG, 3. Senat) mit Beschluss vom 19. Februar 2024 den Einspruch des Thüringer Innenministeriums als „Vertreter der öffentlichen Interessen“ gegen die Entscheidung des VG Gera von 2023 zurückgewiesen.
Das OVG widersprach mit Beschluss vom 19. Februar 2024 dem Einspruch des Innenministeriums gegen die Entscheidung des VG Gera: Der dritte Senat des OVG betonte im Eilverfahren zwar, dass er anders als das Verwaltungsgericht Gera durchaus Anhaltspunkte für eine verfassungswidrige Ausrichtung des AfD-Landesverbands sehe. Dennoch bestätigte das OVG die Entscheidung der ersten Instanz und schrieb: Der Erlaubniswiderruf des Landratsamtes Saale-Orla in Sachen Entzug des Waffenscheins sei „offensichtlich rechtswidrig“. Denn, so das OVG, die Waffenbehörde habe Aussagen eines AfD-Landessprechers „schematisch“ ohne Einzelfallbezug auf den betreffenden Sportschützen herangezogen und habe es versäumt, spezifische waffenrechtliche Voraussetzungen zur Entziehung der Waffenerlaubnisse zu prüfen.
So sei eine „kämpferisch-aggressive Haltung“ des Landesverbands bzw. des Sportschützen nicht dargelegt worden. Diese sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis aber erforderlich (BVerwG-Urteil vom 19. Juni 2019 – 6 C 9/18). Zudem habe die Behörde nicht geprüft, ob das betroffene AfD-Mitglied, nämlich der Sportschütze, sich „unmissverständlich und beharrlich“ von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen anderer Mitglieder oder Anhänger der Partei distanziert habe. Dieser OVG-Beschluss vom 19. Februar 2024 ist übrigens unanfechtbar (das 13 Seiten umfassende Urteil liegt TE vor).
Trotz der abgewiesenen Beschwerde durch das OVG bewertete das Thüringer Innenministerium den Gerichtsbeschluss positiv in der Auseinandersetzung mit der AfD. „Damit haben wir erstmals eine Thüringer Rechtsprechung, die die Thüringer AfD als verfassungsfeindlich brandmarkt“, erklärte Innenminister Georg Maier (SPD). Mit dem Beschluss sei auch die Arbeit des Thüringer Verfassungsschutzes bestätigt worden. Außerdem habe das Gericht den unteren Waffenbehörden einen Weg aufgezeigt, wie sie künftig beim Widerruf der Waffenerlaubnis von AfD-Mitgliedern vorgehen sollen.
Nun ja, so kann man sich eine solche Klatsche auch schönbiegen. Mit anderen Worten: Mit einer generalisierten Herrschaft des Verdachts gegen einzelne AfD-Mitglieder oder alle AfD-Mitglieder ist es nicht getan. Insofern setzt das OVG Weimar hier für die weitere Debatte um ein Verbot der AfD einen wichtigen Markstein.
Ein Leser weißt uns auf folgende Präzisierung hin:
Ein Waffenschein ist etwas anderes als eine Waffenerlaubnis bzw.
Waffenbesitzkarte (WBK). Üblicherweise haben Sportschützen lediglich
Waffenbesitzkarten. Sie dürfen die Waffe(n) nicht führen (d.h. in der Öffentlichkeit dabei haben), sondern lediglich zu Hause im Waffenschrank aufbewahren und nur zum Schießstand oder Waffenschmied gesichert in einem abgeschlossenen
Waffenkoffer, getrennt von der Munition, überführen.
Den Waffenschein erhält man nur, wenn man besonders gefährdet ist und
diese Verteidigungswaffe zu seinem Schutz benötigt, für den
Normalbürger also nicht erhältlich.