Tichys Einblick
Eine reale Fiktion?

Nordkorea: Sommertheater oder Auftakt zu einem Waffengang?

Neulich war wieder der Einzige in Nordkorea zu Besuch, dem es dort zu gefallen scheint. Dennis Rodman, ex-NBA-Star, seit 2013 zum fünften Mal in Pjöng Yang. Emil Kohleofen skizziert, wie sich die Welt vom Diktator trennen könnte.

© KNS/AFP/Getty Images

Der Focus weiss garnicht, ob er dem Kasper oder dem Krokodil den ersten Hieb zutraut. Hingegen bemüht sich die Washington Post darum, das, was seit Jahrzehnten schon ein verbal geführter Watschentanz ist, mit klaren Formulierungen einzuordnen. Hat Donald Trump das richtige Fingerspitzengefühl, um auf der Klaviatur der Drohungen, Bluffs und Doppelbluffs zu spielen, ohne sich
in den eigenen Formulierungen zu verheddern? Man mag es angesichts der biblisch Feuer spuckenden Tirade bezweifeln.

Die Zeitung stellt kurz die wegen der realen Kriegsgefahr zurückhaltende Rhetorik des kalten Krieges in Kontrast zu Trumps Äusserungen und sieht zwei unerfreuliche Szenarien:

Entweder lasse der US-Präsident nun Taten folgen, mit potentiell desaströsen Konsequenzen, oder aber er lande nach diesen Sätzen als verteidigungspolitischer Bettvorleger. Im Kriegsfall drohe zwar kein nuklearer Weltuntergang mehr, aber viele Millionen Opfer und die Zerstörung des wertvollen Alliierten Südkorea. Zudem habe man bei der aktuellen US-Regierung, die die WP geschwächt sieht, auch noch mit nur zögerlicher Unterstützung weiterer Alliierter bei einem Militärschlag zu rechnen.

Ein Wort gibt das andere. Steht am Ende der Waffengang, den wir im Westen eigentlich schon seit der Machtergreifung des Enkels des Staatsgründers im Stillen erwarten ? N-TV stellt Hans-Joachim Schmidt, dem wissenschaftlichem Mitarbeiter an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) die Gretchenfrage, wie sich denn eine Eskalation denn überhaupt noch verhindern ließe: Ein Ausblick, der wegen der vielen Deja vus nicht wirklich neugierig macht.

Kryptowährung Potcoin?

Vor kurzem noch begab sich ein tätowierter, gepiercter selfmade-Botschafter, der eigenem Bekunden nach sowohl Kim Jong Un als auch Donald Trump zu seinen Freunden zählt, zu Kim Jong Un, finanziert offenbar von einer Firma namens Potcoin, die es sich zum Ziel gesetzt hat, eine eigene Krypto-Währung für den legalen Handel mit Marihuana einzuführen.

Es darf bezweifelt werden, dass diese Besuche die Kim’sche Dynastie retten werden. Die Welt weiss schon, wo sein Auto steht, und man versucht immer wieder einmal erfolglos, wie ehedem bei Fidel Castro, ihn vorzeitig aus dem Verkehr zu ziehen. Der Twen, der den nordkoreanischen Unrechtstaat anführt, ist offenbar mit allen Wassern gewaschen. Da er sich selten außerhalb des Kreises seiner uniformierten Lakaien filmen lässt, ohne martialischen Hintergrund beim Testlauf seiner neuesten Höllenmaschinen, kann man davon ausgehen, dass er nur Böses im Schilde führen kann. Ein perfekter Mini-Me und Klon aller Bond-Schurken zusammen. Gerade hat er mit einem teuflischen Plan versucht, alle Computer mit fehlendem Windows-Update zur Erpressung von Milliarden von bitcoins zu missbrauchen, mit denen er seinen chronisch bankrotten Staatshaushalt hätte sanieren können.

Heilige Dynastie
Nordkorea: Die größte Sekte der Welt
Glücklicherweise wurde sein Plan früh durchschaut und von der westlichen Cyberabwehr abgemildert. Diesem einen Mann wäre es tatsächlich zuzutrauen, jederzeit einen Krieg vom Zaune zu brechen. Letztlich mag es aber nur ein dummer Zufall sein, der solch eine Auseinandersetzung auslöst. Die Offiziere Pjöng Jangs, die unter ihren breitschirmigen Mützen ständig zwischen den Gesichtsausdrücken „grinsend sorglos“ oder „eisern verkniffen“ changieren, könnten unter der Maskerade doch nervöser und dünnhäutiger sein, als man glaubt. Dann drückt einer den falschen Knopf zur falschen Zeit. In irgendeinem Bunker tief unter der Hauptstadt wird der kleine dicke Diktator fluchend aus dem Bett springen. Er wird ahnen, dass er nun nie die Chance haben wird, der Welt seinen vielleicht doch vorhandenen Charme wie einst ein berüchtigter Amtskollege, umringt von einer anmutigen Leibgarde, zu präsentieren.

Nach den vielen Reportagen über das fett- und vergnügungssüchtige, verwöhnte kleine Diktatorlein gibt es keine Niedertracht, die man ihm nicht zugetraut, und keine seiner Macken, von der man nicht schön gehört hätte. Wer es wagte, ihm als Staatschef zu huldigen, oder ihm auch nur die Hand zu reichen, muss fürchten, sich unausweichlich mit der Pest der politischen Lächerlichkeit anzustecken. Nur gefallene Basketball-Stars können sich das leisten. Ob es Donald Trump, wie er behauptete, wirklich eine Ehre wäre,  sich mit diesem Mann, einem grade 27 Jahre alten Diktator, den er als „smart cookie“ bezeichnete, zu treffen, bleibt unklar. Geplante bilaterale Gespräche wurden offenbar wieder abgesagt.

Niemand wird Kim Jong Un eine Träne nachweinen

Die Weltpresse wird sich darin einig sein, dass ein Militärschlag gegen Nordkorea zwar bedauerlich, aber alternativlos, letztlich unausweichlich und im Grunde lange überfällig war. Dass natürlich mit größter Rücksicht auf die unschuldige Zivilbevölkerung und nur gegen legitime militärische Ziele vorgegangen werde, man aber anderseits nicht vergessen dürfe, dass es sich hier um ein menschenverachtendes, zynisches und rücksichtslos um sein Überleben kämpfendes Unrechtsregime handele.

Ein monatelanger Todeskampf würde sich anschließen. Nicht für die Zuschauer an den Bildschirmen weltweit, denen dieser Waffengang schon lange schwante, die fast darauf gewartet haben. Die mediale Ausweidung dieses letzten der großen Despoten würde mit allen Varianten durchgespielt und an detaillierter, mit wenig Fingerspitzengefühl gemachter Berichterstattung täte es nicht fehlen. Die Operation der Militärallianz begänne mit einem Donnerschlag und widmete sich dann der langen und schwierigen „Abnutzung“ der nordkoreanischen Waffen. Wie würde man diesen Feldzug nennen? Eine markige, treffende Bezeichnung wird es sein, die Bezug zur schnellen, befreienden und gerechtfertigten Natur der Aktion haben wird. Da die Hauptakteure aus den Nachbarländern China, Japan und Südkorea kämen, sollte man ein asiatisches Element einbauen. Bezüge zum Koreakrieg (1950-1953) wird man unbedingt vermeiden.

Die Raketen Kim Jong Uns werden glücklicherweise bereits beim gut geplanten Präventivschlag getroffen. Die paar Raketen, die die Nordkoreaner doch in die Luft bekommen, werden von „THAAD-Batterien“ ausgeschaltet. Eine Rakete, die in Richtung Japan fliegt, stürzt ins Meer, eine weitere wird spektakulär von einer amerikanischen Abwehrrakete neutralisiert. Die Luftverteidigung der Nordkoreaner wird innerhalb der ersten Woche niedergekämpft. Man wird überrascht feststellen, dass man, ganz wie der Diktator selbst, die militärische Schlagkraft der Kimschen Truppen wohl überschätzt haben muss.

Die 1,3 Mio Mann Bodentruppen des Nordens werden, obwohl tief eingegraben und einbetoniert, Schritt für Schritt durch massive Luftschläge aufgerieben. Die Berichterstattung hierüber beschränkt sich gnädig auf wöchentliche Statusmeldungen und die Befreiung einiger Großstädte. Natürlich sind die befreiten Nordkoreaner froh darüber, endlich dem Regime entronnen zu sein, überall werden Statuen der Kims spontan umgerissen und Symbole des alten Nordkorea zerstört. Südkoreaner und Nordkoreaner liegen sich in den Armen, denn Südkoreaner werden die erforderlichen „boots on the ground“ stellen und die befreiten Gebiete des Nordens besetzen.

„Droht ein globaler Konflikt?“ – alles Humbug
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Die großen Sendeanstalten werden wieder das Privileg zugestanden bekommen, dem Vormarsch der alliierten Einheiten durch direkt der Truppe beigeordnete (embedded) Korrespondenten beiwohnen zu können. Die Welt wird gespannt Zeugin werden, wie der Schleier über diesem steinzeitkommunistischen Horrorkabinett Stückchen für Stückchen gelüftet wird. Die vielen Prunkpaläste der Dynastie der Kims werden einer nach dem anderen im Anschluss an ihre Zerstörung unter dem Titel “Verfallene Geheime Orte“ in verschiedenen Zeitschriften in Bilderserien abgebildet werden.

Südkorea wird leider, da es die erforderlichen Bodentruppen fast alleine stellt, den größten Blutzoll für den Befreiungskrieg bezahlen. Dies, so wird die Südkoreanische Regierung sagen, sei aber durch die Befreiung des Nachbarn von der Unterdrückung und die lange erträumte Wiedervereinigung der beiden Bruderstaaten hinnehmbar. Umfragen werden sie in dieser Überzeugung bestätigen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird der Koreanischen Bevölkerung Unterstützung und Hilfe auf humanitärem Gebiet anbieten und darauf verweisen, dass Deutschland durch die während und nach seiner eigenen Trennung gemachten Erfahrungen zur Bewältigung der Koreanischen Vereinigung beitragen könne.

Monate nach Beginn der Operation wird Kim Jong Un aus irgendeinem Erdloch gezogen werden. Er wird kurz vor Abschluss eines langwierigen und strapaziösen Verfahrens vor dem Internationalen Gerichtshof, viele Jahre nach Kriegsbeginn an einer erblich bedingten Krankheit sterben, ohne jedoch seine Schuld eingestanden zu haben.

Man wird sich in der Einschätzung einig sein, dass die Welt nun ein ganzes Stück sicherer und freier geworden sei, und die armen Nordkoreaner werden endlich freien Zugang zu den kulturellen, medizinischen und technischen Errungenschaften des Westens erhalten.

Emil Kohleofen ist freier Publizist.

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