Syrische Flüchtlinge in den Niederlanden klagen mit einem Anteil von 41 Prozent über psychische Probleme. Das geht aus einer Untersuchung des dortigen Gesundheitsministeriums hervor. Bezogen auf 44.000 syrische Flüchtlingen, die zwischen Januar 2014 und Juli 2016 ein Aufenthaltsrecht für die Niederlande bekommen haben, sind dies in absoluten Zahlen fast 18.000 Personen. Sie leiden bzw. litten vor allem an Niedergeschlagenheit, Nervosität und Depressionen. Der Anteil psychisch kranker Syrer liegt damit deutlich über dem Durchschnitt im Land von 13 Prozent. Die Flüchtlinge machten zudem nur geringen Gebrauch von Hilfsangeboten. Darüber berichtet am 4. Juni www.aerzteblatt.de.
In der Studie wird darauf verwiesen, dass die Flüchtlinge durchschnittlich ein Jahr unterwegs waren, bevor sie in den Niederlanden ankamen. Drei Viertel von ihnen seien während der langen Reise Opfer von Misshandlungen geworden oder hätten Schiffbruch erlitten. 83 Prozent seien mithilfe von Menschenhändlern gekommen und hätten sich deshalb stark verschuldet. Psycho-„logisch“ im ursprünglichen Sinn des Wortes ist all dies mehr als nachvollziehbar. Der niederländische Gesundheitsminister Hugo de Jonge kündigte zwischenzeitlich eine genaue Analyse der Studie an. Er sagte: „Das Wesentliche ist, dass jeder Zugang zu psychischer Gesundheitsversorgung haben muss. Das bedeutet übrigens nicht, dass man damit jedem Zwischenfall vorbeugen kann.“
Das Problem tickt
So weit trockene Zahlen, die längst nicht nur die Niederlande, sondern auch Deutschland hätten alarmieren müssen. Hochgerechnet auf Deutschland kann man hier wohl sogar von der zehnfachen Dimension des holländischen Problems ausgehen. Diese psychischen Probleme verschwinden zumeist nicht urplötzlich, sie leben sich auch nicht nur innerpsychisch oder innerhalb der jeweiligen „ingroup“ zum Beispiel als Depression (Autoaggression bis hin zum Suizid) aus, sondern sie haben oft eine zentrifugale Dynamik und kippen nicht selten in Fremdaggression um. Ein Zusammenhang mit den auch in Holland sich häufenden Fällen von gewalttätigen Auseinandersetzungen vor allem mit Messern liegt auf der Hand.
Psychotherapeutische oder psychiatrische Hilfe stößt hier aus verschiedenen Gründen rasch an ihre Grenzen. Zum einen fehlt es an den fachärztlichen bzw. fachpsychologischen Kapazitäten. Zum zweiten mangelt es an der gerade in diesem Belastungsbereich unendlich wichtigen sprachlich-kommunikativen Basis. Zum dritten ist nicht selten etwas im Spiel, mit dem umzugehen die Betroffenen nicht gelernt haben: Alkohol. Und viertens schließlich öffnen sich die Betroffenen oft ungern, weil psychische Probleme in ihren Herkunftsländern als Makel gelten. Gerade ehrenamtliche Helfer sind da schlicht und einfach überfordert. Wie schnell selbst Profis hier an Grenzen stoßen, hat Jörg M. Fegert, ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm und Vorstandsmitglied der Aktion psychische Kranke (APK), bereits im Mai 2016 in einem Interview skizziert. Verbessert hat sich die Lage seitdem nicht. Siehe hier.
Kulturelle Prägung durch sexualisiertes Frauenbild
Gewiss darf man darauf bauen, dass die Psyche eines Menschen auch recht stabil sein kann und dass viele Traumatisierte in dem Moment zurechtkommen, wenn es eine Bildungs- oder eine Arbeitsperspektive ergibt. Aber zugleich streut hier ein Problem, das mit den gängigen mitteleuropäischen Maßstäben kaum erklärbar, geschweige denn zu bewältigen ist. Denn in viele der genannten psychischen Auffälligkeiten mischt sich die oft sehr nachhaltige, oft nur sehr schwer reversible kulturelle Prägung durch ein sexualisiertes Frauenbild. Die Frankfurter Ethnologin Susanne Schröter, Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, hat soeben darauf hingewiesen. Siehe ihren FAZ-Beitrag „Das ist doch nur eine Frau“ vom 12. Juni 2018.
Es ist überfällig, dass man sich in Deutschland wenigstens fast drei Jahre nach der sogenannten Grenzöffnung damit ehrlich auseinanderzusetzen beginnt. Denn hier tickt etwas. Ein erster Schritt könnte eine Studie sein wie die niederländische – und zwar eine, die alle Herkunftsethnien umfasst. Und dann muss abseits wohlfeiler Rassismusvorwürfe im zweiten Schritt eine Debatte beginnen, wie sie eine mutige Susanne Schröter jetzt erneut angestoßen hat. Die Debatte um die Vorfälle auf der Kölner Domplatte vom Jahreswechsel 2015/16 darf kein Vorbild sein.